Land- und Forstwirtschaft in Brandenburg: »Fünf verlorene Jahre«

Zwischen der Landnutzungslobby und dem grüngeführten Umweltministerium liegen in Brandenburg tiefe Gräben

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 5 Min.
»Die Kiefer hat noch grüne Kronen«, die Aufforstung mit Laubbäumen an ihrer statt sei zu kostenintensiv, kritisieren Waldbesitzer in Brandenburg.
»Die Kiefer hat noch grüne Kronen«, die Aufforstung mit Laubbäumen an ihrer statt sei zu kostenintensiv, kritisieren Waldbesitzer in Brandenburg.

Es war eine regelrechte Vernichtung von Umweltminister Axel Vogel (Grüne), als der Dachverband Forum Natur Brandenburg (FNB) am Freitag die Ergebnisse der zu Ende gehenden Legislaturperiode im Flächenland bilanzierte. Der nahezu einheitliche Tenor: Hier war gar nichts gut. In einer Stellungnahme verwahrte sich das Umweltministerium gegen eine solche Darstellung.

Im FNB kommen verschiedene Landnutzungsverbände zusammen, angefangen beim Landesbauernverband über den Landesjagd-, Fischerei-, Waldbesitzer- und Erneuerbare-Energien-Verband bis hin inzwischen auch zum Verband der ostdeutschen Spargel- und Beerenobstanbauern. Laut Präsident Gernot Schmidt (SPD) gehören ihm etwa 200 000 Mitglieder an, die in rund 6000 Unternehmen und Vereinen auftreten und insgesamt rund eine Million Hektar Landesfläche bewirtschaften.

Die Berücksichtigung dieser Wirtschaft ist dem FNB in den vergangenen fünf Jahren zu kurz gekommen. Präsident Schmidt, gleichzeitig Landrat im Kreis Oder-Spree, kritisierte, dass es in einer Vielzahl wichtiger Fragen und auch bei Gesetzesvorhaben dem Ministerium nicht gelungen sei, einen Ausgleich der Interessen herzustellen. Das sei so weit gegangen, dass im Ministerium selbst Landtagsbeschlüsse zu einschlägigen Themen ignoriert worden seien. Der ländliche Raum sei vielfach von einer Agrar- in eine Energielandschaft umgebaut worden.

Die Interessenverbände seien damit konfrontiert worden, sagte Schmidt, dass »in irgendwelchen Hinterzimmern« Politik gemacht worden sei. Man habe die Verbände mitunter zwar angehört, indessen sie bei der Ausformung der Politik nicht berücksichtigt. »Wir erwarten eine andere Situation«, sagte Schmidt für die kommende Regierung nach der Landtagswahl am 22. September.

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»Wir müssen festlegen, mit wie vielen Wölfen wir leben wollen, und was darüber hinausgeht, muss bejagt werden«, forderte der Präsident des Landesjagverbandes, Dirk-Henner Wellershoff. Einst seltene Tiere wie der Biber dürften angesichts der stark gewachsenen Population keinen hochgradigen Schutz mehr genießen. Er warf Minister Vogel vor, den gemeinsamen Dialog zu Fachfragen in unverbindliche »Laber-Runden« verwandelt zu haben, aus denen keine Ergebnisse hervorgegangen seien, die den ländlichen Raum nach vorn bringen. Immer mehr Protagonisten hätten die Nutzlosigkeit solcher Gespräche eingesehen und erklärt, dass ihnen ihre Zeit dafür zu schade sei. Wellershoff war es auch, der von »fünf verlorenen Jahren« sprach. Was die Grünen auf Landes-, aber auch Bundesebene in der Agrar- und Forstpolitik zu verantworten hätten, führte seiner Auffassung nach zu Politikverdrossenheit im ländlichen Raum. Der habe keine Lust mehr darauf, »mit immer neuen absurden Gesetzen drangsaliert zu werden«.

Minister Vogel sei es nicht gelungen, in den vergangenen fünf Jahren den ländlichen Raum zu stärken, erklärte Henrik Wenndorf, Präsident des Landesbauernverbandes. Wendorff zufolge verdiene der Wald zweifellos Schutz, er sei aber in erster Linie Produktionsort. Die Waldbesitzer seien der Ansicht, dass die Forstwirtschaft nicht länger als Unterabteilung des Naturschutzes fungieren dürfe. Und die Jagd unter Naturschutz einzuordnen, sei ebenfalls »ideologisierte Politik«.

»Es muss dringend vom Klimaschutz entschlackt werden.«

Henrik Wendorff Landesbauernverband Brandenburg

Laut Satzung des FNB ist der Zweck des eingetragenen Vereins, »die Förderung des Umweltschutzes, des Naturschutzes und der Landschaftspflege, ebenso die Förderung der Bildung auf diesen Gebieten«. Im besonderen Maße setze sich das FNB »für den Schutz, die nachhaltige und umweltgerechte Nutzung und die Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen in der gewachsenen Kulturlandschaft Brandenburgs ein«. Mit Blick auf die Politik einer künftigen Landesregierung sagte Brandenburgs Bauernpräsident Wendorff: »Es muss dringend vom Klimaschutz entschlackt werden.«

Präsident Schmidt stellte die Sinnhaftigkeit des Waldumbaus in Frage, anhand dessen die in Brandenburg vorherrschende Kiefer gegen anderes Waldgehölz getauscht werden solle. Die Waldbesitzer verwiesen darauf, dass es eher die Fichte sei, die dem Klimawandel nicht gewachsen ist. »Die Kiefer hat noch grüne Kronen.« Laubbäume anzusiedeln, komme die Waldeigentümer hingegen teuer zu stehen.

Die Landnutzer sprachen sich dagegen aus, Wasserschutzgebiete auch dort auszuweisen, wo dies gar nicht nötig sei, weil genügend Grundwasser zur Verfügung stehe. Für den Fischereiverband sagte Geschäftsführer Lars Dettmann, eine allgemeine Gefahr für den »Grundwasserkörper« bestehe nicht. Es gebe daher keine Veranlassung, »zusätzliche Daumenschrauben« anzulegen. Beim Grundwasser sei seit der politischen Wende 1990 sogar – allgemein gesehen – eine Verbesserung eingetreten.

Eine einseitige Schuldzuweisung an die Grünen mochte FNB-Präsident Schmidt indessen nicht das Wort reden. Inzwischen gebe es Linke-, SPD- und CDU-Politiker, die eine kompromisslosere Grünen-Politik treiben würden als die Grünen selbst.

Eine nicht namentlich unterzeichneten Stellungnahme des Umweltministeriums weist die vom FNB erhobenen Vorwürfe weitestgehend zurück: »Mit dem Klimaplan haben wir eine Strategie zur Klimaneutralität vorgelegt, die in einem breiten Beteiligungsprozess mit der Öffentlichkeit, Verbänden und innerhalb der Landesregierung erarbeitet wurde und ambitionierte Klimaziele vorgibt.« Die Neustrukturierung des Landesforstbetriebes habe eine »zukunftsfeste Struktur« hervorgebracht, und brandenburgische Landwirte würden heute mehr Fördermöglichkeiten haben.

Der Vorwurf, die Beteiligung sei ungenügend gewesen, wurde in der Stellungnahme »nicht nachvollziehbar« genannt. »Es scheint hier ein unterschiedliches Verständnis von Beteiligung vorzuliegen. Die drängenden Aufgaben und Herausforderungen unserer Zeit machen eine Politik über den Tellerrand hinaus notwendig.« Beteiligung heiße, dass unterschiedliche Interessen geäußert werden können. Es sei aber Aufgabe von Politik, hier die unterschiedlichen Interessen abzuwägen und Kompromisse herbeizuführen. »Hier scheinen die Verbände vom Forum Natur von der Politik zu erwarten, dass ihre Positionen eins zu eins umgesetzt werden. Das wäre aber reine Lobbypolitik.«

Benjamin Raschke, Spitzenkandidat der Grünen für die Landtagswahl, hob zudem den beachtlichen Ausbau von erneuerbaren Energien hervor. Insbesondere ländliche Gemeinden würden durch den Wind- und Solareuro davon profitieren. Für sichere Ernährung, Klimaschutz und den Zusammenhalt in Brandenburg müssten alle an einem Strang ziehen. »In den letzten Jahren wurden diese Vorhaben durch kurzsichtige Klientelpolitik blockiert. Ich erwarte eine konstruktive Haltung, insbesondere vom Jagd- und Bauernverband«, erklärte Raschke. Bei allem Verständnis für die Überlastung der landnutzenden Verbände, seien Veränderungen notwendig und nicht der einseitige Abbau von Standards. Raschke rief zu einer Verbesserung der Zusammenarbeit auf.

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