Konzepte gegen den Lehrermangel

Die Länder versuchen auf unterschiedliche Weise die Unterrichtsversorgung zu gewährleisten

Kinder einer Grundschule in Stuttgart spiegeln sich in einem Spiegel im Klassenzimmer. An vielen Schulen gibt es noch freie Plätze im Lehrerzimmer.
Kinder einer Grundschule in Stuttgart spiegeln sich in einem Spiegel im Klassenzimmer. An vielen Schulen gibt es noch freie Plätze im Lehrerzimmer.

Not macht bekanntlich erfinderisch. Das ist auch das Motto, um die Schulen am Laufen zu halten. Zum Beginn des neuen Schuljahres sind noch Tausende Stellen für Lehrer unbesetzt, obwohl viele Bundesländer massiv auf den Quer- und Seiteneinstieg setzen. Das zeigt eine Abfrage der Online-Plattform »Deutsches Schulportal« in den Ländern. Besonders im Osten der Republik ist der Mangel an pädagogischen Fachkräften groß; aber auch in vielen eher ländlichen Regionen im Westen ist es schwierig, offene Stellen zu besetzen.

Die Kultusministerkonferenz (KMK) hatte im März 2023 eine Erklärung zum Lehrkräftemangel herausgeben, die als Leitfaden für die Länder gilt. Ziel ist es demnach, die Ausbildung an den Universitäten zu reformieren, um mehr Nachwuchs zu gewinnen. Zudem sollen die Arbeitsbedingungen für den Beruf verbessert werden. Denn einhergehend mit dem fehlenden Personal ist die Arbeitsbelastung für die Lehrkräfte in den vergangenen Jahren gestiegen. Die Unzufriedenheit in den Kollegien ist vielerorts groß, und damit stieg auch die Zahl der Lehrer, die in Teilzeit arbeiten auf ein Zehnjahreshoch. Im Schuljahr 2022/23 lag sie laut Statistischem Bundesamt bei 42,3 Prozent. Viele sehen darin eine Flucht der Lehrkräfte vor der Überlastung, was den Personalmangel noch einmal verschärft.

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Studienplätze werden geschaffen

Alle Länder haben inzwischen Maßnahmen ergriffen, um die teilweise beträchtlichen Lücken in der Unterrichtsversorgung zu schließen. Schleswig-Holstein bemüht sich intensiv um die Nachwuchskräfte, erklärte Kultusministerin Karin Prien (CDU) dem »Schulportal«. Der Ausbau von Studienplätzen und Plätzen für das anschließende Referendariat müsse forciert werden. Das Land werde außerdem einen leichteren Zugang zum Lehramtsstudium schaffen und Maßnahmen zur Reduzierung von Studienabbrüchen prüfen. Knapp die Hälfte der angehenden Lehrkräfte beendet laut dem gemeinnützigen Verein Stifterverband nämlich die Ausbildung nicht.

In Brandenburg waren bis kurz vor Schuljahresbeginn 455 Vollzeitstellen noch nicht besetzt. Dabei hat das Land mit 1512 Lehrkräften mehr Personal als im Vorjahr eingestellt. Die Quote der Seiteneinsteiger beträgt dem Bildungsministerium zufolge bei Neueinstellungen etwa 40 Prozent. Auch im ländlich geprägten Mecklenburg-Vorpommern übertrifft die Quote der Seiteneinsteiger zum diesjährigen Schulbeginn mit 37,4 Prozent deutlich den bundesweiten Durchschnitt, der laut Statistischem Bundesamt im vergangenen Schuljahr bei 9,8 Prozent lag.

Einige Länder versuchen, den akuten Notstand vor allem in ländlichen Gegenden mit Anreizen zu beheben. Bayern etwa zahlt Lehrkräften eine Zulage, wenn sie in weniger attraktive Regionen gehen. Das Landesschulamt in Sachsen-Anhalt behebt kurzfristige Personalengpässe mittels Abordnungen; auch hierfür kann eine Zulage gewährt werden.

Restriktiv geht das Kultusministerium in Nordrhein-Westfalen vor. Schulministerin Dorothee Feller (CDU) kündigte zum Schulbeginn nach den Sommerferien erneut zeitlich befristete Abordnungen von Lehrkräften an unterversorgte Schulen an. Auch das neue Schuljahr ist in dem bevölkerungsreichsten Bundesland vom Personalmangel geprägt. Im Juni waren noch rund 6700 Stellen offen.

Einen unpopulären Weg geht Berlin. Dort sollen Auszubildende die Lücken stopfen. Referendare müssen drei Unterrichtsstunden pro Woche mehr geben. Auch in Baden-Württemberg werden Referendare im neuen Schuljahr eine Stunde mehr unterrichten.

Thüringen wählt einen anderen Weg. Es schafft ein duales Studium für Regelschullehrer; Unterricht und Ausbildung sind eng miteinander verzahnt. Los geht es zum Wintersemester an der Universität Erfurt. Das Konzept sieht vor, dass die Studierenden vom Land eine monatliche Vergütung erhalten. Mit einer solchen Ausbildung binden sich die Absolventen nach der Beendigung des Studiums um weitere fünf Jahre an das Land.

Hessen setzt dagegen auf das Ein-Fach-Studium, um mehr Lehrkräfte zu gewinnen. Eigentlich beinhaltet ein Lehramtsstudium zwei Fächer. Zielgruppe für den neuen Studiengang sind Absolventen mit Hochschulabschlüssen.

Anreize für ältere Lehrkräfte

Verstärkt wird der Lehrermangel an den Schulen vielerorts durch Pensionierungen. Mehrere Bundesländer bemühen sich deshalb darum, ältere Pädagogen im Schuldienst zu halten. In Brandenburg erhalten Lehrer über 63 Jahre beispielsweise eine Zulage von bis zu 900 Euro monatlich, wenn sie weiterarbeiten. In NRW wird die Hinzuverdienstgrenze im neuen Schuljahr weiter ausgesetzt. Damit bleibt es für pensionierte Lehrkräfte attraktiv, weiter zu unterrichten.

Eine Prognose der Kultusministerkonferenz vom Dezember 2023 geht von 68 000 Stellen aus, die bundesweit fehlen. Im Grundschulbereich rechnet sie bis 2025 mit einer akuten Unterversorgung, danach entspannt sich die Lage etwas. In der Sekundarstufe I sieht sie bis 2025 einen Einstellungsbedarf von 29 000 Lehrkräften; aber nur 13 200 Pädagogen werden vermutlich eine Stelle antreten. Entspannter ist es in der Sekundarstufe II, wo mit einer Deckungslücke von rund 5000 Lehrkräften gerechnet wird.

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