Fernwärme in Berlin: Holz verbrennen ist auch keine Lösung

Abgeordnete diskutieren die Relevanz von Biomasse für die Dekarbonisierung der Berliner Fernwärme

Durch die Verbrennung von Biomasse wie Altholz sollen 15 Prozent der Berliner Fernwärme gewonnen werden.
Durch die Verbrennung von Biomasse wie Altholz sollen 15 Prozent der Berliner Fernwärme gewonnen werden.

Ab 2030 will Berlin nicht mehr auf Energie aus der Kohle-Verbrennung zurückgreifen und 40 Prozent der Fernwärme aus erneuerbaren Energien gewinnen. Die Herausforderung der Wärmewende ist groß, die Potenziale für die Wärmegewinnung zahlreich und kleinteilig. Ein geplanter Baustein ist die Verbrennung von Biomasse, vor allem von Holz. 15 Prozent der Berliner Fernwärme sollen laut aktuellem Dekarbonisierungsfahrplan durch diese Methode bereitgestellt werden. Dass dieses Verfahren tatsächlich klimafreundlich ist, bezweifeln allerdings Wissenschaftler*innen und Umweltschützer*innen. Am Donnerstag diskutierten sie im Umweltausschuss mit Abgeordneten und Verantwortlichen der Berliner Wärmewirtschaft.

»Generell ist es einfach keine gute Idee, Sachen aus Kohlenstoff zu verbrennen.« Wolfgang Lucht, Professor für Nachhaltigkeitswissenschaften der Humboldt-Universität und Leiter einer Forschungsabteilung am Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung, ist nicht begeistert von der Holzverbrennung zur Wärmegewinnung. Denn selbst unabhängig davon, wo das Holz herkommt, speichere es CO2, das durch die Verbrennung freigesetzt wird und in die Atmosphäre gelangt. »Sachen verbrennen, damit es warm wird: Das ist eine Technik des 19. Jahrhunderts«, sagt Lucht. Das sei zwar einfach, werde aber den Ansprüchen an eine klimaneutrale Wärmegewinnung nicht gerecht.

Besonders problematisch sei die Biomasse-Verbrennung im großen Maßstab, wenn nicht nur auf lokal anfallendes Altholz zugegriffen, sondern Holz aus Wäldern entnommen oder auf Plantagen angepflanzt werde, so der Wissenschaftler. Das gelte auch angesichts aktuell stabiler, gar wachsender Holzbestände, sagt Lucht. »Dieser Zuwachs muss geschützt und gefördert werden und steht nicht zur Verfeuerung frei, weil man sonst das CO2, das man aus der Atmosphäre rausholt, direkt wieder reinschickt.« Darüber hinaus wachse die Nachfrage nach Holz als vermeintlich nachhaltiger und erneuerbarer Rohstoff, sodass bei einer großflächigen Verbrennung zur Wärmegewinnung früher oder später Holz aus dem Globalen Süden beschafft werden müsse.

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Der Naturschutzbund Nabu Berlin und der Umweltverband BUND Berlin stimmen mit Lucht überein und wollen den Senat davon abbringen, auf die Verbrennung von Biomasse als elementaren Baustein in der Dekarbonisierung der Fernwärme zu setzen. Aus Sicht der Umweltschützer*innen wird regionales Altholz alleine den Biomasse-Bedarf nicht nur Berlins, sondern auch der anderen Bundesländer nicht decken können. Zumal Altholz in vielen Fällen auch wiederverwendet werden könne, statt im Feuer zu landen, sagt Tobias Quast-Malur vom BUND Berlin. »Wir fordern Klima- und Ressourcenschutz anstatt Verbrennung.«

Da das Land Berlin zum 1. Mai das Fernwärmenetz von Vattenfall übernommen hat, überarbeitet es aktuell auch dessen Dekarbonisierungsfahrplan. Staatssekretär Severin Fischer (SPD) aus der Senatsverwaltung für Wirtschaft und Energie hält dennoch an der Biomasse fest – als kurzfristiges Mittel, um trotz der gesetzlichen Vorgaben für die nachhaltige Wärmegewinnung Vorsorgungssicherheit und Preisstabilität gewährleisten zu können. »Biomasse ist kein Selbstzweck«, sagt er im Umweltausschuss. Sie sei in den nächsten Jahren wichtig, weil neuere Technologien wie die Geothermie zur Wärmegewinnung noch nicht ausreichend einsetzbar sind, um den gesetzlichen Vorgaben bis 2030 nachzukommen.

»Generell ist es einfach keine gute Idee, Sachen aus Kohlenstoff zu verbrennen.«

Wolfgang Lucht
Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung

So sieht es auch Marko Voß, der ehemals für Vattenfall und nun für das neue landeseigene Unternehmen Berliner Energie und Wärme für die Dekarbonisierungsstrategie der Fernwärme zuständig ist. Biomasse sei wichtig, um den Anteil von erneuerbaren Energien von aktuell 5 bis 6 Prozent auf 40 Prozent bis 2030 zu erhöhen. »Die Versorgungssicherheit ist das wichtigste Kriterium für die Verwendung von Biomasse«, sagt er. Ihr Vorteil sei, dass sie »lager- und speicherfähig« ist. Deshalb sind in Berlin zwei neue Standorte zur Biomassen-Verbrennung in Planung, die Kraftwerke Reuter West und Klingenberg.

Aktuell komme das zu verbrennende Holz aus einem Umkreis von 60 Kilometern, sagt Voß. Um den Anteil von 15 Prozent an der Fernwärme zu erreichen, müsste dieser auf 250 Kilometer ausgedehnt werden, weiter aber nicht, sagt er. Verwendet werde Altholz, Landschaftspflegematerial und auch Holz aus sogenannten Umtriebsplantagen, auf denen das Holz zur Verbrennung angepflanzt wird.

Der Senat sei dabei, den aktuellen Dekarbonisierungsfahrplan abschließend zu bewerten, und wolle noch in diesem Jahr mehr Antworten liefern, sagt Staatssekretär Fischer. Dann wird feststehen, ob Berlin künftig mit einem geringeren Anteil an Biomasse zur Wärmegewinnung planen wird.

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