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  • Aktion am Görlitzer Park

Ein Zaun löst keine Probleme

Am letzten Aktionstag rund um den Görlitzer Park kommen 150 Menschen zusammen

  • Max Freitag
  • Lesedauer: 4 Min.
Aktivistin am Aktionstag gegen die Umzäunung des Görlitzer Parks
Aktivistin am Aktionstag gegen die Umzäunung des Görlitzer Parks

Eine gespielte Polizeikette am Görlitzer Ufer steht bereit, um überwunden zu werden. Weitere Attraktionen mit den Titeln »den Zaun umwerfen«, »über Mauern klettern« oder »Wege bemalen« locken Besucher*innen in den Park. Im Rahmen einer Protestwoche, mitorganisiert vom Bündnis »Görli zaunfrei!«, luden Aktivist*innen am Sonntag zum familienfreundlichen Aktionstag gegen die vom Senat geplante Umzäunung und nächtliche Schließung des Görlitzer Parks ein. Am Vortrag hatten die Aktivist*innen auch eine Demonstration mit dem Motto »De-fence Görli« organisiert. Für die Initiative »Görli 24/7« ist die Reaktion der Besucher*innen Anlass für Zuversicht.

»Wir sind gerade sehr optimistisch, die Görli-Schließung verhindern zu können, weil der Widerstand so breit ist«, kommentiert Sprecher*in Flo Grünbaum. »Mit dabei sind fast alle Anwohner*innen, alle lokalen sozialen Träger, alle lokalen Initiativen und die komplette Bezirksverordnetenversammlung inklusive SPD, mit Ausnahme von CDU und AfD.« Laut Initiative dienten die Aktionen als spielerische Annäherung an mögliche Sabotage und zivilen Ungehorsam. Sympathien für ihr Anliegen gibt es auch im Umfeld. Auf Nachfrage im Späti nebenan, wie man den Zaun-Plan finde, kommt die schlichte Rückmeldung: »Scheiße.«

Die Forderungen der Initiative stehen dem des Senats gegenüber. Denn der schwarz-rote Berliner Senat beschloss im September 2023 die Umzäunung und nächtliche Schließung, die seit dem Beschluss für eine kontroverse Debatte sorgt. Seitens des Senats sollen die neuen Maßnahmen Kriminalität vorbeugen und für mehr Sicherheit in der Nachbarschaft sorgen.

»Viele der Menschen haben mit Armut, Ausgrenzung und mangelndem Zugang zu sozialen Dienstleistungen zu kämpfen«

Nyima Jadama
Aktivistin gegen die Bezäunung des Görlitzer Parks

Nach wiederholtem Protest und einer Klage des zuständigen Bezirks, die inzwischen dem Oberverwaltungsgericht vorliegt, sind sowohl Zeitplan als auch Umsetzung bislang unklar. Auf Anfrage des »nd« meldet das Oberverwaltungsgericht, man könne noch keinen Zeitpunkt für eine Entscheidung abschätzen. Die für die Grünanlage verantwortliche Senatsverwaltung für Umwelt antwortet ihrerseits, dass bis dahin alle Aktivitäten ruhen und keine Aussagen getätigt werden.

Für die Görli-Aktivist*innen ist klar, dass ein Zaun nicht die bestehenden Probleme lösen wird. Die Aktivistin Nyima Jadama hält die Herausforderungen für tiefgehender: »Viele der Menschen, die den Park nutzen, insbesondere Migrant*innen, haben mit Problemen wie Armut, Ausgrenzung und mangelndem Zugang zu angemessenen sozialen Dienstleistungen zu kämpfen«, sagt sie. Ein Zaun würde diese Communities nur weiter »abtrennen und isolieren«, ohne die Ursachen anzugehen.

Die Initiative Görli 24/7 erklärt ebenfalls, dass es akute Maßnahmen wie geschützte Räume für Drogenkonsum und Notübernachtungen bräuchte, vor allem aber strukturelle Veränderungen wie Mietsenkungen, Enteignung der Immobilienkonzerne, allgemeiner Zugang zum Gesundheitssystem und Antirassismus.

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Dass sich für den Aktionstag so viele Menschen versammelt haben, stimmt die Initiator*innen von Görli 24/7 optimistisch. »Wenn wir schaffen, das zu verhindern, wäre das eine große Erfolgsgeschichte« so Flo Grünbaum. Dies könne auch in anderen Teilen der Stadt- und Mieterbewegung zu kreativem, ungehorsamen Protest motivieren. Grünbaum rechnet deshalb mit Klagen von Anwohnenden. Auch Nyima Jadama bilanziert: »Selbst wenn die Forderungen nicht erfüllt werden, legen diese Bewegungen den Grundstein für künftige Aktionen.«

Nach Schätzung der Initiative nahmen am Sonntag etwa 150 Menschen an den Aktionen teil, am Ende gibt es eine Preisverleihung. Die Aktivist*innen stellen jedoch klar, dass der Protest nicht nur spielerisch sei: Der Druck müsse noch erhöht werden. Sollte die Umzäunung durchgesetzt werden, erwartet Grünbaum »massiven Widerstand aus dem Kiez, inklusive Sachbeschädigung«.

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