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  • Landtagswahl Brandenburg

Heimspiel für Linksfraktionschef Walter

Forum des Gewerkschaftsbundes zur Brandenburger Landtagswahl am 22. September

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.
Dietmar Woidke (Mitte) bei einem anderen Wahlforum, bei dem der AfD-Kandidat Berndt (l.) auch eingeladen war. Linke-Kandidat Walter (2.v.r.).
Dietmar Woidke (Mitte) bei einem anderen Wahlforum, bei dem der AfD-Kandidat Berndt (l.) auch eingeladen war. Linke-Kandidat Walter (2.v.r.).

Als Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) am Montagabend ins T-Werk von Potsdam kommt, bietet ihm DGB-Landeschefin Katja Karger eine Portion Pommes an. Woidke lehnt dankend ab. Er wiege jetzt wieder unter 100 Kilogramm und dabei solle es bleiben.

Zu dick ist der Politiker angesichts seiner Größe von 1,98 Metern keinesfalls. Aber politisch ist er bei dieser Gesprächsrunde des Deutschen Gewerkschaftsbunds mit den Spitzenkandidaten zur Landtagswahl am 22. September eindeutig das Schwergewicht. Denn CDU-Spitzenkandidat Jan Redmann schickte als seine Vertretung den Abgeordneten Steeven Bretz. Den AfD-Kandidaten Hans-Christoph Berndt lud der DGB nicht ein, weil dessen Partei »fundamental gegen die Interessen von Gewerkschaften« stehe. Zudem fehlt BSW-Spitzenkandidat Robert Crumbach, weil das Bündnis Sahra Wagenknecht derzeit im Landtag noch nicht vertreten ist.

Stattdessen ist Péter Vida eingeladen, obwohl seine Freien Wähler in der jüngsten Umfrage auf drei Prozent abgerutscht sind. Er bedankt sich für diese Fairness. Weiterhin sind die Spitzenkandidaten Sebastian Walter (Linke) und Benjamin Raschke (Grüne) da, deren Parteien bei Umfragewerten von vier bis fünf Prozent ebenfalls zittern müssen, ob sie am 22. September die Fünf-Prozent-Hürde überspringen.

Wer will mit wem koalieren?

Nicht von ungefähr antwortet Woidke auf die Frage nach seinen Wunsch-Koalitionspartnern, man müsse erst einmal sehen, wem der Wiedereinzug ins Parlament überhaupt gelinge. Bis 2019 regierte Woidke zehn Jahre lang mit den Linken, danach mit CDU und Grünen. Keiner der fünf Politiker, die hier Rede und Antwort stehen, äußert sich eindeutig, mit wem er koalieren möchte. Zu schwierig wird aller Voraussicht nach die Bildung der nächsten Landesregierung werden. Da hält man sich lieber möglichst viele Optionen offen. Nur mit der AfD will sich definitiv niemand einlassen.

Linksfraktionschef Walter meint, nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen, wo die AfD jeweils mehr als 30 Prozent der Stimmen erhielt, müsse klar sein: »Alle zusammen gegen den Faschismus.« Der 34-Jährige fügt hinzu: »Es braucht Die Linke auf jeden Fall in der nächsten Landesregierung und das weiß Herr Woidke eigentlich auch.«

Grünen-Fraktionschef Raschke findet, seine Partei müsse durch ihren Einzug ins Parlament verhindern, dass die AfD ein Drittel der Landtagssitze und damit eine Sperrminiorität erhält – und dann Verfassungsänderungen, die eine Zwei-Drittel-Mehrheit erfordern, an der AfD vorbei nicht mehr möglich wären. Dass eine Regierung ohne das BSW unmöglich wird, wollen die Grünen ebenfalls verhüten, indem sie selbst weiter mitbestimmen. Die Freien Wähler bieten sich derweil für eine »Regierung der Mitte« an.

Zu welchem für die Gewerkschaft interessierenden Thema die Politiker Fragen gestellt bekommen, können sie mit Glück beim Würfeln beeinflussen. Es ist ein überdimensionales Brettspiel auf dem Boden ausgebreitet, auf dem sie mit Spielfiguren auf Felder wie »Mitbestimmung« und »Gleichstellung« vorrücken. So soll Dietmar Woidke erklären, ob er auch mit dem Betriebsrat spricht, wenn er ein Unternehmen besucht. Ja, das macht er.

Péter Vida soll drei gute Gründe nennen, sich gewerkschaftlich zu organisieren. Obwohl der Rechtsanwalt selbst keiner Gewerkschaft angehört, entledigt er sich dieser Aufgabe mit Bravour, spricht von den historischen Verdiensten der Gewerkschaften und von ihrem Kampf für vernünftige Arbeitsbedingungen heute. »Das war ausgesprochen überzeugend«, lobt ihn DGB-Landeschefin Karger. Mit anderen Aussagen kommt Vida weniger gut an. Er denkt da ähnlich wie der CDU-Abgeordnete Bretz, dass kleine Firmen mit gesetzlich vorgeschriebenen Tariflöhnen nicht zu schnell zu sehr belastet werden sollten.

Eine Art Heimspiel hat Linksfraktionschef Walter. Bevor er 2019 in den Landtag einzog, war er DGB-Regionsgeschäftsführer in Ostbrandenburg. Auf einem Aktionsfeld gelandet, soll er nicht etwa die Internationale singen. »Das wäre zu einfach für dich«, frotzelt DGB-Chefin Karger, die sich ansonsten bemüht, ihn als »Herr Walter« anzusprechen.

Eine Tariftreueklausel bei öffentlichen Aufträgen – es hätte in den vergangenen fünf Jahren eine rot-rot-grüne Mehrheit im Landtag dafür gegeben, wenn die SPD es nur gewollt hätte, erinnert Walter. Eine Ausbildungsplatzumlage für Firmen, die Lehrlinge ausbilden könnten, es aber nicht tun – er würde Grüne und SPD schon dahin bekommen, das mit ihm einzuführen, versichert Walter.

Brandenburg noch sicher für Syrer?

Nach einer Stunde Brettspiel dürfen noch eine halbe Stunde lang Fragen aus dem Publikum gestellt werden. Es meldet sich Tamer Al-Bakr, der vor acht Jahren aus Syrien nach Deutschland flüchtete. Kürzlich machte er Abitur und will jetzt ein Lehramtsstudium aufnehmen. Al-Bakr fürchtet aber angesichts des Erstarkens der AfD, bald nicht mehr sicher zu sein und die Bundesrepublik wieder verlassen zu müssen.

»Sie sind bei uns im Land herzlich willkommen«, versichert Ministerpräsident Woidke. Linksfraktionschef Walter erklärt, was aus seiner Sicht getan werden muss, um die AfD zu stoppen: »Wir dürfen nicht anfangen, als demokratische Parteien das zu erzählen, was die AfD erzählt.« Es ist der Satz, der an diesem Abend den meisten Applaus erhält.

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