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Schulen brauchen mehr als hier und da ein Pflaster
Die Landtagsabgeordnete Kathrin Dannenberg (Linke) rechnet mit der Bildungspolitik der SPD ab
Mit der Bildungspolitik der SPD rechnete am Dienstag die oppositionelle Landtagsabgeordnete Kathrin Dannenberg (Linke) ab. An Brandenburgs Schulen fehlen mindestens doppelt so viele Lehrer wie die rund 500 von Bildungsminister Steffen Freiberg (SPD) eingestandenen, sagte Dannenberg. »Ich kann ja verstehen, dass er keine Weltuntergangsstimmung verbreiten will, zumal vor Wahlen nicht«, erklärte sie. »Aber Ehrlichkeit sieht anders aus.«
Dannenberg zufolge wird der Abstand zwischen der Wirklichkeit und dem vom Ministerium gezeichneten Bild immer größer. Vor allem die Situation im ländlichen Raum sei vielerorts kaum hinnehmbar. Dazu passe, dass Lehrern ein »Maulkorb« verpasst werde und sie mit dienstlichen Konsequenzen zu rechnen hätten, wenn sie auf die Zustände aufmerksam machen wollen. Es bleibe ihnen oft nur übrig, ihre Sichtweise anonym zu schildern.
Dannenberg warb für eine ehrliche Kommunikation und dafür, gemeinsam und ohne parteipolitisch geprägte Arroganz an die Lösung der Probleme zu gehen. »Ich leugne nicht die Personalnot«, sagte Dannenberg. Mindestens noch in den kommenden fünf Jahren werde an eine grundsätzliche Besserung nicht zu denken sein. Attraktivere Arbeitsbedingungen für Seiteneinsteiger, Schulsozialarbeiter und Schulassistenzkräfte seien daher unabdingbar. Von ihnen zu verlangen, gleich an zwei Schulen tätig zu sein, um eine Vollzeitstelle mit entsprechender Bezahlung zu erlangen, »geht an den Realitäten in den Schulen vorbei«, meinte die Abgeordnete.
Das Landlehrerstipendium bezeichnete sie als richtig, man müsse es aber schon in den ersten Semestern gewähren, nicht erst in der Master-Ausbildung. »Der Klebeeffekt ist enorm hoch«, versicherte Dannenberg, die selbst Lehrerin für die Fächer Sport und Geschichte ist. So ein Stipendium kann mit Glück ergattern, wer sich verpflichtet, später an einer Schule in einer ländlichen Region zu unterrichten, an der ein besonderer Lehrermangel herrscht.
Wenn der Bildungsminister von rund 500 nicht besetzten Stellen spreche, dann
»weil wir eine Welle der unbesetzten Stellen aus dem vergangenen Schuljahr vor uns herschieben«, erklärte Dannenberg. Außerdem gehe diese Rechnung nur auf, wenn man die Kürzungen bei Ganztagsbetreuung sowie beim Teilungs- und Förderunterricht und das Zusammenwerfen von Kursen unbeachtet lasse. Dannenberg schilderte die Situation an einer Bildungsstätte mit 500 Schülern, an der es nur eine einzige Schulsozialarbeiterin gebe und zwei Kollegen, die 32,5 Stunden in der Woche als pädagogische Unterrichtshilfe tätig seien. Bedauerlicherweise habe die rot-schwarz-grüne Koalition darauf verzichtet, den Rechtsanspruch auf Schulsozialarbeit ins Schulgesetz aufzunehmen. Das letzte Mal sei die Lage 2022 untersucht worden. »Das Ministerium weiß nicht, wie es bezogen auf die Schulsozialarbeit an den Schulen aussieht.«
Nicht alles sei für das Bildungswesen schlecht gewesen in den zurückliegenden Jahren, erinnerte die Oppositionspolitikerin. Es sei nicht mehr möglich, verächtlich auf Grundschullehrer herabzublicken. In der Bezahlung seien sie den Lehrern an den Oberschulen inzwischen gleichgestellt. Als »richtig und gut« bezeichnete Dannenberg die Möglichkeit, als Lehrkraft Mehrarbeit zu leisten, die »sofort bezahlt« werde. Auch vom inzwischen etablierten Lehrerbildungsinstitut
verspricht sie sich positive Effekte.
Dannenberg bekannte sich zur Notlösung der Seiteneinsteiger und trat für das Prinzip »gleicher Lohn für gleiche Arbeit« ein. Eine Teile-und-Herrsche-Politik durch unterschiedliche Bezahlung spalte die Lehrerkollegien. Inzwischen seien rund 5900 Seiteneinsteiger im brandenburgischen Schuldienst tätig. Das sei jede vierte Lehrkraft. Sie bemängelte, dass für diese Kollegen, von der Grundqualifizierung abgesehen, kein Qualifizierungsangebot bereitgehalten werde. Es genüge nicht, hier und da Pflaster zu kleben.
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