Der Radfahrer des Papstes bei der Straßen-EM in Belgien

Ein buntes Feld tritt bei der Straßenrad-EM in Belgien an, darunter der 42-jährige Rien Schuurhuis, der für den Vatikan fährt

  • Tom Mustroph
  • Lesedauer: 4 Min.
Tritt für den Vatikan bei der EM an: Rien Schuurhuis, Mitte, mit seinem Team vor dem Petersdom
Tritt für den Vatikan bei der EM an: Rien Schuurhuis, Mitte, mit seinem Team vor dem Petersdom

Die Europameisterschaften im Straßenradsport sind eine eher junge Angelegenheit. Erst seit 2016 werden sie für die Elite ausgetragen, zuvor waren sie ein Nachwuchswettbewerb. Einige Talente, die später auch Karriere machten, konnten da bereits auf sich aufmerksam machen. Der spätere Sprintgigant Marcel Kittel wurde etwa im Jahr 2009 U23-Titelträger im Zeitfahren. Lennard Kämna, mittlerweile Etappensieger bei allen drei Grand Tours, folgte ihm 2016 in der gleichen Disziplin und Altersklasse.

Der Italiener Edoardo Affini, 2018 U23-Champion im Nachwuchs, legte am Mittwoch mit dem Zeitfahrtitel bei den Männern nach. Auch dem Belgier Victor Campenaerts und dem Schweizer Stefan Küng gelangen Siege sowohl im Nachwuchs als auch bei der Elite. Das immerhin unterstreicht den gewachsenen Stellenwert dieser Kontinentaltitelkämpfe.

»Während eines Rennens muss das ganze Team zusammenarbeiten.«

Papst Franziskus

In diesem Jahr kommt mit Mathieu van der Poel (Niederlande) sogar der derzeitige Weltmeister zum EM-Straßenrennen im flämischen Limburg. Mit dem Dänen Mads Pedersen ist ein ehemaliger Regenbogentrikotträger auf dem Rundkurs im Zeichen der Europaflagge dabei. Beide zählen aber nicht zu den Top-Favoriten. »Der Kurs ist für mich vielleicht ein wenig zu leicht und ist für die absoluten Massensprinter von Vorteil«, urteilte van der Poel vorab.

Antreten will der Enkel von Raymond Poulidor, genannt »Poupou«, aber doch. Zum einen fehlt ein Sternetrikot noch in seiner Sammlung. Zum anderen will er sich in Schwung bringen für das WM-Straßenrennen in Zürich. Es wird 14 Tage später ausgetragen. Sein Kurs ist zwar bergig, mit satten 4470 Höhenmetern über eine Distanz von 273,9 Kilometern. »Ich befürchte, etwas zu schwer für mich«, blickt van der Poel schon voraus. Um sich nach der langen Pause nach Tour de France und Olympischen Spielen wieder etwas Wettkampfhärte für das schwierige Unternehmen Titelverteidigung zu holen, taugt der 222,8 Kilometer lange EM-Kurs vom Sonntag mit seinen etwa 1200 Höhenmetern doch.

Weil bei der Kletter-WM nichts zu bestellen ist, tritt fast die gesamte europäische Sprintergarde jetzt bei der EM an. Belgien hat mit Tim Merlier und Jasper Philipsen gleich zwei heiße Eisen im Feuer. In van der Poels Oranje-Team wird, wenn es auf einen Massensprint hinausläuft, für Olav Kooij gearbeitet. Der zeigte zuletzt beim Sieg bei den Cyclassics in Hamburg tolle Form. Für Italien ist Jonathan Milan der Mann, der alle Arbeit vollenden soll. Er wurde in Hamburg knapp von Kooij geschlagen. Im tschechischen Team ist der erst 21-jährige Pavel Bittner zu beachten. Er holte einen Etappensieg sowie einen zweiten Platz bei der Vuelta und dürfte nach gut überstandener Grand Tour in Sachen Wettkampfhärte den unmittelbaren Konkurrenten sogar ein wenig voraus sein.

Das BDR-Aufgebot führt Routinier John Degenkolb als Road Captain an. Läuft es auf einen Massensprint hinaus, ist Max Walscheid der Mann, für den gefahren wird. In kleineren Gruppen könnten der ebenfalls endschnelle Niklas Märkl oder die Klassikerspezialisten Nils Politt und Jannik Steimle ihr Glück versuchen. Viel hängt aber davon ab, wie hart das niederländische Team für van der Poel das Rennen machen will.

nd.DieWoche – unser wöchentlicher Newsletter

Mit unserem wöchentlichen Newsletter nd.DieWoche schauen Sie auf die wichtigsten Themen der Woche und lesen die Highlights unserer Samstagsausgabe bereits am Freitag. Hier das kostenlose Abo holen.

Ein bisschen vom alten Wundertüten-Charakter hat die EM beibehalten. Im Straßenrennen der Männer hat sich der 42-jährige Rien Schuurhuis eingetragen. Der gebürtige Niederländer zog vor vier Jahren in die Heilige Stadt – als Ehemann der australischen Botschafterin beim Vatikan. Er ist seitdem Dreifach-Staatsbürger mit niederländischem, australischem und päpstlichem Pass.

Seine Radsportkarriere ist eher mittelprächtig. Bestes Ergebnis war bislang ein 40. Platz (unter 48 Startern) bei den niederländischen Zeitfahrmeisterschaften 2021. Als Globetrotter zeichnet ihn aus, dass er je eine Saison bei einem Continental-Rennstall in Australien und einem in Laos fuhr.

Bei zwei WM-Straßenrennen trat er bereits für den Vatikan an. Beide Male kam er nicht bis ins Ziel, erreichte als »Radfahrer des Papstes« aber eine gewisse Prominenz. Papst Franziskus war von dem neuen radelnden Staatsbürger derart begeistert, dass er ein Statement veröffentlichte, das die Gemeinsamkeiten zwischen katholischem Glauben und Radsport betont: »Während eines Rennens muss das ganze Team zusammenarbeiten. Wenn es einem schlecht geht, hilft ein Teamkollege. Auch im normalen Leben ist es wichtig, im Geiste von Selbstlosigkeit, Großzügigkeit und Gemeinschaftlichkeit zu agieren, um denen zu helfen, die zurückgefallen sind, damit zusammen bestimmte Ziele erreicht werden können.«

Schade nur, dass Schuurhuis als Einzelstarter für den Heiligen Stuhl antritt. Größere Gemeinschaften bilden die Acht-Mann-Teams aus den Niederlanden, Belgien, Italien und auch Deutschland. Mal sehen, wer von ihnen das päpstliche Gebot am besten beherzigt.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.