Gebühren für Klebeprotest: Letzte Generation gewinnt Rechtsstreit

Berliner Polizei erhob rechtswidrig Gebühren von den Aktivisten, befindet das Oberverwaltungsgericht Berlin

Für das Entfernen des Klebers und das anschließende Wegtragen berechnete die Berliner Polizei Aktivist*innen der Letzten Generation jeweils 241 Euro.
Für das Entfernen des Klebers und das anschließende Wegtragen berechnete die Berliner Polizei Aktivist*innen der Letzten Generation jeweils 241 Euro.

241 Euro berechnete die Berliner Polizei seit April 2023 für das Ablösen und Wegtragen von festgeklebten Aktivist*innen der Letzten Generation. Bereits im September letzten Jahres erklärte das Verwaltungsgericht dieses Vorgehen für unzulässig. Doch die Berliner Polizei legte Beschwerde ein. Diese wies das Oberverwaltungsgericht (OVG) nun zurück. Damit steht fest: Die Gebührenbescheide für das Lösen von der Fahrbahn waren rechtswidrig. Angaben des Vereins Rückendeckung für eine aktive Zivilgesellschaft e.V. (RAZ) zufolge betrifft das knapp 1300 Bescheide und damit einen Gesamtbetrag von rund 300 000 Euro, die die Berliner Polizei nun an Aktivist*innen der Letzten Generation zurückzahlen müsse.

»Zwar handelt es sich um die Entscheidung zu einem Einzelfall, im Kern dreht sich der Beschluss aber um eine Rechtsfrage«, erklärt der Jurist Philipp Schönberger vom Umweltrechtsverein Green Legal Impact gegenüber dem »nd«. »Das OVG hat entschieden, dass die Erhebung von Gebühren für das Loslösen und Wegtragen nach der Berliner Gebührenordnung nicht zulässig ist. Deshalb hat der Beschluss Auswirkung auf alle Gebührenbescheide, gegen die die Betroffenen Einspruch eingelegt haben.« Laut einem Bericht des »Tagesspiegel« betrifft das 662 der 1300 Betroffenen. Dementsprechend ist sei mit einer geringeren Rückzahlung zu rechnen.

nd.DieWoche – unser wöchentlicher Newsletter

Mit unserem wöchentlichen Newsletter nd.DieWoche schauen Sie auf die wichtigsten Themen der Woche und lesen die Highlights unserer Samstagsausgabe bereits am Freitag. Hier das kostenlose Abo holen.

Auch wenn der Rechtsstreit gewonnen ist, beklagt Lilly Schubert vom RAZ: »Die Gebührenbescheide haben dafür gesorgt, dass die Teilnahme an Protesten zur Finanzfrage wurde.« Immer wieder hätten sich Menschen fragen müssen, »ob sie es sich leisten können, von ihren Grundrechten Gebrauch zu machen

Vor diesem Hintergrund hält der Jurist Schönberger die Gerichtsentscheidung für ein »wichtiges Signal«. Staatliche Institutionen versuchten zurzeit auf allen Ebenen, friedlichen Klimaprotest zu unterbinden. »Dabei werden die Grenzen des rechtlich Zulässigen nicht nur stark ausgedehnt, sondern auch oft überschritten und legitimer Protest kriminalisiert, delegitimiert und abgeschreckt«, so Schönberger. Die rechtswidrige Erhebung von Gebühren sei nur eines von vielen Beispielen dafür.

Die Anwendung von »unmittelbarem Zwang« darf Betroffenen nicht in Rechnung gestellt werden. Deshalb hatte die Polizei argumentiert, sie hätte »Ersatzvornahmen« durchgeführt, also Maßnahmen, bei der sie eine Pflicht, der jemand nicht nachkommt, auf dessen Kosten erfüllt. Doch weder Verwaltungsgericht noch Oberverwaltungsgericht folgten dieser Argumentation. Laut eigenen Angaben organisierte der RAZ die Klage. Der Verein wurde Anfang 2024 von der Letzten Generation gegründet, um Aktivist*innen bei rechtlichen Fragen zu unterstützen.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.