- Sport
- 2. Bundesliga
Fußball: Hertha BSC – ein Klub im Kriegszustand
Die Alte Dame und die Trickbetrüger: Beim Berliner Zweitligisten bestimmen weiterhin zweifelhafte Investoren
Ruhe abseits des Platzes ist zumeist ein gutes Zeichen und genau das, was sich Fußballvereine wünschen. Bei Hertha BSC ist vieles anders. Frieden in Charlottenburg – das klingt wie eine von Großvaters Geschichten. Der Klub befindet sich seit Jahren im Kriegszustand. Die Hoffnung auf eine Waffenruhe zwischen Verein, Fans und Geldgebern währte nur 18 Monate und endete tragisch mit dem Tod des Präsidenten Kay Bernstein. Die Geister, die sein Vorgänger Werner Gegenbauer gerufen hatte, wirbeln wieder wild über den Schenckendorffplatz. Hertha ist weiterhin hoch verschuldet. Dass dieser Sport dennoch professionell betrieben werden darf, zeigen viele Beispiele. Weil sich die Berliner aber an Investoren verkauft haben, sind sie selbst kaum mehr handlungsfähig.
Aufstieg als Muss
Machtlosigkeit und finanzielle Not bestimmen die sportliche Ziele. Weil in der zweiten Liga kein Staat zu machen ist, soll es nach einem Jahr im Unterhaus in dieser Saison wieder nach oben gehen. Der Aufstieg als Muss, auch das war schon zu hören. Mit dieser Aufgabe wurde im Sommer Cristian Fiél betraut. Der Trainer und sein Team sind nicht schlecht gestartet, nach vier Spielen stehen die Berliner mit sieben Punkten im oberen Drittel der Tabelle. Die letzte Partie machte Fiél zur »Messlatte«. Beim 4:3-Sieg auf dem Lauterer Betzenberg sah er viele seiner »Ideen von der Mannschaft umgesetzt«.
Ein Maßstab für erstklassigen Zweitligafußball wird der 1. FC Kaiserslautern auch in dieser Saison nicht sein. Fortuna Düsseldorf schon eher. Der Tabellenführer kommt an diesem Sonntag nach Berlin. Bei seinem dritten Heimspiel begleiten Herthas Trainer jedoch ungute Gefühle ins Olympiastadion. Denn Fiél wurde recht schnell in den Charlottenburger Teufelskreis geführt. »Meine Entscheidung wäre eine andere gewesen!« So kommentierte er die überraschenden Abgänge von Haris Tabakovic und Marc Oliver Kempf. Kurz bevor das Transferfenster Ende August geschlossen wurde, verkaufte der Verein seinen treffsichersten Stürmer und den Abwehrchef für insgesamt 5,5 Millionen Euro. Hertha BSC brauchte das Geld – weil der Investor des Klubs, 777 Partners, selbst in großen Schwierigkeiten steckt.
Mitbestimmung trotz Entmachtung
Die Probleme von 777 Partners waren schon länger bekannt. Trotzdem durfte das ausschließlich renditeorientierte Private-Equity-Unternehmen weiter (mit)bestimmen. Schließlich besitzt es 78,8 Prozent von Herthas Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA). Und so wurde die an Ironie so reiche Vereinsgeschichte mit der Verpflichtung von Fiél weitergeschrieben. Der Investor war seit Beginn seines Einstiegs im März 2023 ein erklärter Gegner von Pál Dárdai. Im Sommer war die Zeit dann gekommen, den Wechselwunsch zu erfüllen. Herthas erfolgreichster Trainer der letzten 15 Jahre wurde mal wieder vor die Tür gesetzt, Fiél trat herein. Bislang hat noch keiner von Dardais Nachfolgern Hertha besser gemacht, die bisherige Laufbahn des neuen Coaches spricht auch nicht unbedingt dafür.
Mit unserem wöchentlichen Newsletter nd.DieWoche schauen Sie auf die wichtigsten Themen der Woche und lesen die Highlights unserer Samstagsausgabe bereits am Freitag. Hier das kostenlose Abo holen.
Josh Wander und Steven Pasko sind Mitgründer von 777 Partners. Dort haben sie jedoch kaum noch etwas zu sagen, beide wurden entmachtet, seit fünf Monaten kontrollieren Konkurs- und Insolvenzexperten das Unternehmen. Bei Hertha BSC sitzen Wander und Pasko aber immer noch im fünfköpfigen Aufsichtsrat der als KGaA ausgegliederten Profiabteilung. Eine Nachricht aus Belgien kann die blau-weiße Fangemeinde hoffen lassen. Standard Lüttich vermeldete Anfang September: »777 Partners werden keinen Sitz mehr im Vorstand haben, was das Ende der Kontrolle des Klubs durch 777 Partners bedeutet.« Neben dem Fußball scheitert das Geschäftsmodell der Firma auch in einigen anderen Bereichen, die australische Fluggesellschaft Bonza beispielsweise musste jüngst in Insolvenz anmelden. Das Leid tragen eben meist andere.
Hütchenspieler bei Hertha
Die Alte Dame hat mal wieder leichtfertig Betrüger ins Haus gelassen. Wie der vorherige Investor Lars Windhorst, der im Juni einen Haftbefehl bekam, hat auch Herthas derzeitiger Geldgeber Ärger mit dem Rechtswesen. In den USA ermittelt das Justizministerium wegen Verstößen gegen das Geldwäschegesetz. Die üblen Tricks am Finanzmarkt sind bekannt: So verklagte beispielsweise das Londoner Finanzhaus Leadenhall Capital 777 Partners in New York – weil die gegebenen Sicherheiten für einen Kredit über 600 Millionen Euro teilweise erfunden oder schon »anderweitig verpfändet waren oder 777 Partners gar nicht gehörten«, hieß es in der Begründung, in der auch von »Hütchenspielern« zu lesen war.
Wie kann man darauf vertrauen, dass solche Leute es gut mit einem meinen? Hertha muss es. Der Verein erhofft sich vom Investor noch eine vereinbarte Zahlung über 25 Millionen Euro. Vermutlich vergebens, 777 Partners muss die Anteile verkaufen. An wen? Dass in einem Jahr die Rückzahlung einer 40-Millionen-Anleihe fällig wird, die der Verein nach dem Bundesliga-Abstieg im Sommer 2023 und dem darauffolgenden Kampf um die Zweitligalizenz zu einem deutlich höheren Zinssatz um zwei Jahre verlängert hatte, lässt nichts Gutes ahnen. Wer im Fußball dringend Geld sucht, findet bestimmt keinen Frieden.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!