Autobahn A100: Berliner Beton

Musikalischer Protest gegen Autobahnprojekt

  • Ralf Fischer
  • Lesedauer: 4 Min.
Protest gegen die A100 vor dem Club »About Blank«
Protest gegen die A100 vor dem Club »About Blank«

Leichter Nieselregen trübt am Freitagabend rund um den Verkehrsknotenpunkt Ostkreuz etwas die Stimmung. Die anreisenden Menschen sind trotzdem gut gelaunt. Sie gehen gemeinsam in eine Richtung, schnurstracks zum Markgrafendamm. Dort startet eine Demonstration gegen die Verdrängung von subkulturellen Einrichtungen und Grünanlagen im Berliner Innenstadtring. Vor allem geht es den Demonstranten um die Verhinderung einer Baumaßnahme: Die Bundesautobahn 100 soll mit dem Bauabschnitt 17 von der Anschlussstelle am Treptower Park bis hin zur Frankfurter Allee erweitert werden.

Der Abschnitt soll größtenteils oberirdisch in Nähe der Ringbahn verlaufen, mit Ausnahme eines rund 900 Meter langen doppelstöckigen Tunnels im Bereich Ostkreuz. Mit dem Ausbau geht nicht nur die Schließung der bekannten Clubs About Blank, Else, Club Ost, Oxi und Void einher, sondern auch die weitere Betonierung von Innenstadtarealen. »Projekte wie die A100 stehen für eine verfehlte Verkehrs- und Klimapolitik«, beklagt die Protestbewegung Fridays For Future. Anstatt einer lebendigen und lebenswerten Stadt ohne weitere Betonwüsten, wie es sich Besucher der Stadt genauso wie die Anwohner wünschen, soll die Hauptstadt um eine weitere Betonschneise erweitert werden.

Die rund 3500 Demonstranten, die am frühen Freitagabend fröhlich gegen die Berliner Betonmafia durch die Straßen tanzen, fordern nicht nur den Erhalt ihrer Lieblingslocations, sondern eine grundlegend neue Stadtplanung und Verkehrspolitik. Kristian Ronneburg, der verkehrspolitischen Sprecher der Linksfration im Abgeordnetenhaus, pocht gegenüber »nd« auf eine grundsätzliche »Abkehr vom Konzept der autogerechten Stadt«. Es müsse vielmehr »der motorisierte Individualverkehr so weit wie möglich zurückgedrängt werden«. Dafür müsse aus seiner Sicht der öffentliche Personennahverkehr massiv ausgebaut werden, vor allem zwischen der Innenstadt und den Randbereichen Berlins.

»Statt hier riesige Flächen für eine unnötige Autobahn zu betonieren, sollte der Platz für Grün- und Freiflächen gesichert werden, auch damit die Clubkultur weiter ein Zuhause vor Ort hat«, erklärt Julian Schwarze, Sprecher der Grünenfraktion im Abgeordnetenhaus für Stadtentwicklung, gegenüber »nd«. Statt eines betonierten Straßenmonsters würden in der Stadt sozialer Mietwohnungsbau oder Schul- und Sportflächen dringend gebraucht. Einrichtungen dieser Art könnten auf der geplanten Trasse entstehen. Das Gelände auf diese Weise zu nutzen, hätte laut Schwarze »viele Vorteile für große Bevölkerungsgruppen und wären ein wichtiger Beitrag für eine lebenswerte und soziale Stadt«.

»Projekte wie die A100 stehen für eine verfehlte Verkehrs- und Klimapolitik.«

Fridays for Future

»Die Linke hat den Weiterbau der A100 mit einem 17. Bauabschnitt von Anfang an abgelehnt«, betont Ronneburg im Gespräch. Die derzeit geplante Weiterführung erfolge ohne Zustimmung und ohne Rücksprache mit dem Land Berlin auf Anweisung des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr. »Indem die CDU-SPD-Koalition so tut, als ob sie keine Meinung habe und sich raushält, trägt sie zur Stadtzerstörung bei.« Denn der Weiterbau der Stadtautobahn A100 sei aus städtebaulichen Gründen, aus Gründen des Klimaschutzes sowie aufgrund der enormen Kosten nicht tragbar. Ein solches Bauprojekt durch besiedelte Gebiete sei ein rückwärtsgewandtes Verkehrsprojekt aus dem vergangenen Jahrtausend. Auch löse das Projekt laut Ronneburg »keine Verkehrsprobleme, sondern führt gerade an den geplanten Anschlussstellen zu regelrechten Verkehrsinfarkten«.

Die Grünen fordern, den Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel zu fördern. »Je mehr Personen auf Busse und Bahnen umsteigen, zu Fuß gehen oder aufs Rad umsteigen«, erklärt Schwarze, »desto mehr Platz ist auf unseren Straßen für alle, die ihn wirklich benötigen«. Dazu müsse die Infrastruktur massiv ausgebaut werden.

Auch die Linke fordert den konsequenten Ausbau der Fahrrad-Infrastruktur, um den Autoverkehr erheblich zu reduzieren. Ronneburg weist aber auch daraufhin, dass die jahrelangen Bautätigkeiten »vor allem zulasten derjenigen, die in der unmittelbaren Nachbarschaft der Autobahntrasse leben« gehen werden. Die damit einhergehende Lärm-, Abgas- und Feinstaubbelastung müssten zumeist Menschen ertragen, die sich einen Umzug in eine bessere Wohngegend nicht leisten könnten.

Auch bräuchte es hinsichtlich des Abschlusses des 16. Bauabschnitts »dringend ein Verkehrskonzept sowohl aufgrund der bis mindestens 2028 eingeschränkten Leistungsfähigkeit der Elsenbrücke, als auch im Umfeld der Anschlussstellen in den betroffenen Ortsteilen«. Sonst drohe nach Eröffnung des 16. Bauabschnitts ein Verkehrskollaps. Schließlich müssen auch laut Ronneberg Vorkehrungen getroffen werden, »die die Mobilität der Menschen in diesem Raum dauerhaft aufrechterhält, insbesondere aber bis zur vollständigen Wiederherstellung der Elsenbrücke«.

Solche städtebaulichen Detailfragen interessieren nicht alle Teilnehmerinnen an diesem feucht-fröhlichen Freitagabend. Aber allen gemeinsam ist klar: Eine lebenswerte und inklusive Stadt kann nur gegen die Interessen des CDU-SPD-Senats, der Immobiliengesellschaften sowie der Autolobby erstritten werden. Dafür tanzen sie gemeinsam über den Berliner Beton.

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