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- Zwei Jahre Frau, Leben, Freiheit
Iran: Keine Gerechtigkeit für die Protestbewegung
Die zahlreichen Opfer der Revolte gegen das iranische Regime sind ungesühnt
Zwei Jahre nach Beginn der landesweiten Proteste, die auf die Tötung der iranischen Kurdin Jina Mahsa Amini durch Polizeibeamte folgten, gibt es noch immer »keine wirksamen, unparteiischen und unabhängigen strafrechtlichen Ermittlungen zu den schweren Menschenrechtsverletzungen und Völkerrechtsverbrechen der iranischen Behörden«, beklagt die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI).
Die Bilder der vor allem von Frauen auf die Straßen iranischer Städte getragenen Revolte gingen damals um die Welt. Die mehrheitlich jungen Menschen protestierten gegen die Zwangsverschleierung, gegen Diskriminierung und Unterdrückung, gegen das System der Islamischen Republik als Ganzes, riskierten dabei ihr Leben und die Gesundheit.
Staat ließ Schlägertrupps aufmarschieren
Und der Staat? Der ließ Schlägertrupps aufmarschieren, die die Demonstranten zusammenprügelten. Amnesty International hat Berichte dokumentiert, nach denen gezielt auf Menschen geschossen wurde. Raha Bahreini, die diese Verbrechen für Amnesty untersucht hatte, legte schon im Herbst 2022 erschütternde Erkenntnisse vor: »Wir haben zahlreiche Vorfälle dokumentiert, in denen Sicherheitskräfte mit scharfer Munition auf Demonstranten schossen: in den Kopf, in die Brust und in lebenswichtige Organe«, sagte sie dem »nd« – ohne dass diese selbst in Gefahr waren.
Es wurde auch völkerrechtlich verbotene Munition eingesetzt wie Metallpellets, kleine Kügelchen, die mit Schrotflinten verschossen werden und eigentlich für die Jagd auf Kleintiere wie Kaninchen und Vögel bestimmt sind. »Ich habe Bilder von Demonstranten gesehen, deren Körper übersät waren von diesen Kügelchen. Die Pellets dringen in den Körper ein und müssen operativ entfernt werden«, erläuterte Bahreini.
Amnesty dokumentierte zahlreiche Morde
Hunderte Menschen, darunter zahlreiche Kinder, wurden rechtswidrig getötet und viele weitere lebensbedrohlich verletzt. Es kam zu willkürlichen Verhaftungen, undurchsichtigen Schauprozessen und zahlreichen Todesstrafen. Im vergangenen Jahr erreichte die Zahl der Hinrichtungen einen neuen Höchststand: 853 Menschen wurden vom iranischen Staat getötet – so viele wie seit 2015 nicht. Ein Bericht von Amnesty International vom April dieses Jahres (»Don’t Let Them Kill Us«) trug den aussagekräftigen Untertitel »Irans unerbittliche Hinrichtungskrise seit dem Aufstand von 2022«.
Das Dokument zeige deutlich, dass die iranischen Behörden nach den Massenprotesten unter dem Motto »Frau, Leben, Freiheit« verstärkt die Todesstrafe einsetzten, »um die Bevölkerung in Angst und Schrecken zu versetzen und ihre Macht zu festigen«, heißt es in einer Pressemitteilung. Die Zunahme der Zahl der Hinrichtungen 2023 um 48 Prozent im Vergleich zum Vorjahr deutet darauf hin, dass die Todesstrafe bewusst auch gegen Regimegegner in Stellung gebracht wurde, um die Protestwelle nach dem Tod von Mahsa Jina Amini am 16. September 2022 zu brechen.
Lage im Land scheint ruhig, die Veränderungen aber spürbar
Inzwischen hat sich die Lage scheinbar wieder »normalisiert«, doch Veränderungen sind sichtbar. Seit den Protesten ignorieren vor allem in Großstädten immer mehr iranische Frauen die Pflicht zum Tragen des obligatorischen Kopftuchs. Es gibt zwar weiter regelmäßige, auch gewaltsame Kontrollen seitens der sogenannten Sittenpolizei, aber ohne den von der iranischen Führung erhofften Erfolg. Auch die islamische Kleiderordnung wird von den Frauen nicht mehr strikt beachtet.
Doch kann dieser Anschein die fortlaufende Repression nicht verdecken: »Seit April gehen die Sicherheitskräfte noch schärfer vor, um die Kopftuchpflicht an öffentlichen Orten durchzusetzen«, berichtete Amnesty International im Mai dieses Jahres. Frauen und Mädchen würden konstant überwacht, Schlägen, sexualisierter Gewalt und Elektroschocks ausgesetzt, willkürlich festgenommen und auf andere Arten schikaniert. Amnesty spricht von einem »Krieg gegen Frauen« der iranischen Behörden, um diejenigen zu bestrafen, die sich in der Bewegung »Frau, Leben, Freiheit« der Zwangsverschleierung widersetzten.
Julia Duchrow, Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, erklärt in einer Pressemitteilung: »Am zweiten Jahrestag ihrer Tötung gedenken wir Jina Mahsa Amini und all der mutigen Menschen im Iran, die sich der ›Frau, Leben, Freiheit‹-Proteste angeschlossen haben. Den Opfern, Überlebenden und ihren Angehörigen werden nach wie vor Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung verwehrt.« Sie fordert, dass Drittstaaten nach dem Weltrechtsprinzip strafrechtliche Ermittlungen zu den von den iranischen Behörden begangenen Verbrechen einleiten, denn im Iran seien »unabhängige und unparteiische Ermittlungen« nicht zu erwarten. »Wir fordern auch die Bundesregierung auf, Prozesse hier in Deutschland voranzubringen.«
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