Pager-Attacke: Drohender Horrorfilm

Oliver Eberhardt über die Grausamkeit des Pager-Angriffs auf die Hisbollah und Versäumnisse der internationalen Gemeinschaft

  • Oliver Eberhardt
  • Lesedauer: 3 Min.
37 Personen wurden im Libanon durch israelische Anschläge getötet - keineswegs alle von ihnen waren Kämpfer der Hisbollah-Miliz.
37 Personen wurden im Libanon durch israelische Anschläge getötet - keineswegs alle von ihnen waren Kämpfer der Hisbollah-Miliz.

Es ist der Stoff, den Thrillerfreunde lieben: Eine riesige Geheimdienstoperation, die gleichzeitig die Beeper, die Funkgeräte der Hisbollah explodieren lässt. Mit im Plot: ein iranischer Botschafter, bei dem nicht klar ist, ob er Diplomat oder Schattenkrieger ist. Scheinfirmen in Ungarn und Bulgarien, also mitten in der Europäischen Union. Die Vereinten Nationen, die versuchen zu retten, was zu retten ist.

Nur: Das ist echt. Und der Beigeschmack ist verdammt bitter. Dutzende wurden getötet, Hunderte verletzt. Bevor sie explodierten, gaben die Beeper einen Ton ab, wohl damit ihr Besitzer die Geräte vors Gesicht halten. Die Vermutung, dass es hier, falls überhaupt, nicht allein darum ging, einen strategischen Vorteil zu erlangen, liegt nahe. Die Gesichtsverletzungen, von denen die Krankenhäuser im Libanon berichten, setzen ein grausames Signal. »Das würde ich meinem ärgsten Feind nicht antun«, ist nicht einfach nur eine Phrase: Es ist ein moralischer Auftrag.

Natürlich kann man auch sagen: Israel ist in seiner Existenz bedroht, was soll es sonst machen, es geht ums Überleben. Tatsache ist aber, dass die Hisbollah den Ausbruch eines Kriegs mit Israel trotz der seit Monaten andauernden Gefechte vermeiden zu wollen scheint. Und dass der Schlüssel zu einer Entspannung mindestens eine Waffenruhe im Gazastreifen ist. Selbst wenn es der Hisbollah und ihren Hintermännern in Teheran gar nicht wirklich um diesen Landstrich geht: Ein Ende des Krieges dort nähme beiden die Argumente, auch im Libanon selbst. Denn die Hisbollah ist, auch wenn sie eng mit der iranischen Führung verbunden ist, in erster Linie eine nationalistische Organisation, deren Rolle im Libanon sich ausschließlich über die Zahl ihrer Unterstützer im Land definiert. Die Explosionsserien in der vergangenen Woche mögen ein Signal gesetzt haben. Sie dürften aber auch die bisher geringe Unterstützung für eine Eskalation steigen lassen.

Fast zwölf Monate nach seinem Beginn ist auch überdeutlich, dass der israelische Krieg gegen die Hamas nicht die Ergebnisse gebracht hat, die die israelische Regierung in Aussicht gestellt hatte. Sicher ist, dass die militärischen Fähigkeiten der Hamas und anderer Gruppen im Gazastreifen massiv reduziert oder größtenteils zerstört worden sein dürften. Aber man wird sie nicht vollständig zerstören können.

In den vergangenen Monaten wurden aber auch nahezu keine Vorbereitungen für die Zeit nach dem Krieg getroffen, weder in Israel, noch in den Palästinensischen Autonomiegebieten oder in der internationalen Gemeinschaft. Es ist völlig offen, wie der Gazastreifen regiert, geschweige denn wiederaufgebaut werden soll. Und das ist etwas, was sich auch nach dem letzten großen Libanon-Krieg 2006 zeigte: Es wurde gekämpft, dann ein Waffenstillstand getroffen, nach diversen Sitzungen des Uno-Sicherheitsrats. Nach einem Anschlag auf israelische Touristen im bulgarischen Burgas wurde dann der militärische Arm der Hisbollah in der Europäischen Union auf die Terrorliste gesetzt. Ansonsten passierte nicht viel.

Die Hisbollah ist im Libanon ein Staat-im-Staat. Das ist nicht nur eine Bedrohung für Israel, sondern auch für den Libanon selbst, wo jederzeit ein neuer Bürgerkrieg ausbrechen könnte. Sie ist eine politische Kraft, die ihre Existenzberechtigung hat. Es gibt aber keinen Grund dafür, warum neben den offiziellen Sicherheitsorganen auch noch eine Hisbollah-Armee samt eigenem Geheimdienst existieren sollte. Die internationale Gemeinschaft hätte die lange Phase der Ruhe dazu nutzen müssen, um den libanesischen Staat zu stützen und zu stärken. Und um die Geldflüsse und Waffenexporte aus dem Iran zu stören, wo es nur geht.

Nun bleibt nur zu hoffen, dass der Spionage-Thriller nicht zum Horrorfilm wird.

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