Nach Brandenburg-Wahl: Koalition mit Zerfallsdatum

FDP verlangt »Herbst der Entscheidungen«

Christian Lindner, gibt der Ampel noch bis zum Winter Zeit für Entscheidungen.
Christian Lindner, gibt der Ampel noch bis zum Winter Zeit für Entscheidungen.

Auch nach der Brandenburg-Wahl wird munter über das Ende der Bundesregierung spekuliert. Die beteiligten Parteien machen dabei munter mit. Den Ton gesetzt hatte der FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai schon in der Berliner Runde im »Ersten«. Es stehe ein »Herbst der Entscheidungen« an. In der Migrations- und Wirtschaftspolitik brauche es jetzt Lösungen. Prompt entbrannte in der Fernsehsendung eine Debatte über die Zukunft der Ampel.

Ergänzt wurden die Zweifel an der Koalition noch von zahlreichen weiteren Wortmeldungen von Liberalen. Der nie um eine knackige Forderung verlegene Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki erklärte bei »Welt TV«, dass er der Ampel noch zwei bis drei Wochen Zeit gäbe, um auf einen Nenner zu kommen, sonst mache es »für die Freien Demokraten keinen Sinn mehr, an dieser Koalition weiter mitzuwirken.« Der bayerische FDP-Chef Martin Hagen forderte in der »Augsburger Allgemeinen«: »Wenn man merkt, dass es nicht mehr geht, dann muss man auch irgendwann bereit sein, den Stecker zu ziehen.« Im Bundesvorstand müsse jetzt »Tacheles« geredet werden. Matthias Nölke, eigentlich Kommunalpolitiker im hessischen Kassel, erklärte gegenüber dem »Tagesspiegel«, dass es die Aufgabe des FDP-Vorsitzenden sei Schaden von der Partei abzuwenden. Dies sei nur möglich, wenn man die Koalition verlasse. »Man kann ein totes Pferd nicht reiten, und die Koalition mit Frau Esken und Herrn Habeck ist schon lange tot«, so Nölke. Nun wäre die Ansage eines Provinzpolitikers nicht besonders relevant, allerdings hatte Nölke schon Ende des vergangenen Jahres einen Mitgliederentscheid über den Verbleib in der Ampel angestoßen. Bereits damals votierten nur 52 Prozent der Liberalen für einen Verbleib in der Koalition. Jetzt fordert Nölke eine neue Abstimmung.

Einen schnellen Ampelausfall wird es mit Christian Lindner nicht geben. Der FDP-Chef spielte bei einer Pressekonferenz am Montag auf Zeit. Er wiederholte die Forderung seines Generalsekretärs nach einem »Herbst der Entscheidungen«. Es brauche einen stabilen Haushalt, eine ambitionierte Wirtschaftspolitik und Lösungen in der Migrationspolitik. Deutschland müsse seine Weltoffenheit bewahren. Aber mit »Kontrolle und Konsequenzen«. In diesem Themenfeld dürfe es auch keine »Denkverbote« mehr geben. An der Lösung dieser Probleme lasse sich messen, ob die Bundesregierung »den Interessen der Bürger genügt«. Die Ampel sei eine »kontroverse Koalition« es brauche »Mut« um in dieser Koalition etwas zu erreichen, dass das Land voranbringt. »Mut« gehöre aber auch dazu, die Koalition zu verlassen, wenn man merke, dass sie nicht mehr funktioniert. Auf Nachfrage erklärte Lindner, dass der Herbst bis zum meteorologischen Winteranfang dauere.

»Man kann ein totes Pferd nicht reiten, und die Koalition mit Frau Esken und Herrn Habeck ist schon lange tot.«

Matthias Nölke FDP, Stadtkämmerer Kassel

Auch der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil wollte die Debatte um ein Ende der Regierung früh ausbremsen. »Ich hoffe, dass niemand in der Koalition auf die Idee kommt, vor Verantwortung wegzurennen«, sagte er am Montagmittag in Richtung der FDP. Wegrennen sei immer der falsche Weg. Die Ampel müsse in nächster Zeit wichtige Entscheidungen treffen, dafür gebe es eine gemeinsame »Verpflichtung«. Themen, die für Klingbeil auf der Tagesordnung stehen: das Rentenpaket 2 und das Tariftreuegesetz. Nicht unbedingt Herzensangelegenheiten der Liberalen, sondern Streitthemen in der Koalition. Trotzdem bekräftigte der SPD-Chef, dass er keine Anzeichen dafür sehe, dass FDP oder Grüne die Koalition verlassen könnten.

Den Willen, die Ampel zu verlassen, scheint bei den Grünen wirklich niemand zu haben. Die Lust, in der bestehenden Koalition weiterzuregieren, ist aber auch nicht allzu groß. »Ich würde niemandem raten, in diese Koalition noch viele Emotionen zu stecken«, sagte Grünen-Chef Omid Nouripour am Montag bei einer Pressekonferenz. Die Koalition stecke in einem »eingefahrenen Stil« fest. Nouripour erklärte, dass er zwei Jahre lang erzählt habe, dass der Streit in der Ampel-Koalition vorbeigehe. Jetzt sieht er das anders: »Ich glaube das nicht mehr.« Sein Herz würde er nicht an einen Fortbestand der Koalition hängen. Man müsse jetzt machen, was geht, um das Land voranzubringen. Die Grünen strebten keine Neuwahlen an, und er glaube auch nicht, dass das Land Neuwahlen brauche. Sollten sie kommen, sei man vorbereitet, so Nouripour.

Ein Jahr vor der Bundestagswahl gibt es offensichtlich nicht mehr viel, dass die Ampel zusammenhält. Allerdings hat Christian Lindner einen möglichen Koalitionsbruch jetzt erstmal in den Winter verschoben. Einen endgültigen Koalitionsbruch macht das unwahrscheinlich. Vorbereitungen für eine Bundestagswahl würden Wochen dauern. Eine Wahl würde also nur kurz vor dem regulären Wahltermin stattfinden. Gut möglich also, dass die Ampel durchhält.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -