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Gemeinnützige Arbeit durch Kürzungen und die AfD bedroht
Judith Porath vom Verein Opferperspektive mahnt eine verlässliche Finanzierung im Bereich Demokratie und Teilhabe an
Von 23,5 auf 29,2 Prozent hat sich die AfD bei der Brandenburger Landtagswahl am Sonntag verbessert. Sie gewann 25 der 44 Wahlkreise und zieht mit 30 Abgeordneten ins Parlament ein. Damit erreichte sie die sogenannte Sperrminorität: Entscheidungen, für die eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich ist, wie beispielsweise Änderungen der Landesverfassung, sind damit an der AfD vorbei nicht mehr möglich.
Mit diesem Rechtsruck müssen sich nun insbesondere Projekte und Vereine mit emanzipatorischem, antifaschistischem Fokus noch mehr Sorgen um ihre Zukunft und ihr Fortbestehen machen. Anfang September hatte es eine Sondersitzung des brandenburgischen Landtags zum Amoklauf eines syrischen Flüchtlings im nordrhein-westfälischen Solingen gegeben. Dabei hatte die AfD mit einem Antrag darauf abgezielt, Regenbogenfahnen an öffentlichen Gebäuden zu untersagen, finanzielle Zuwendungen für das Handlungskonzept »Tolerantes Brandenburg« einzustellen und die Möglichkeit zu eröffnen, Vereinen die Gemeinnützigkeit abzuerkennen, die Vielfalt als einen ihrer Vereinszwecke haben. Damit würden Steuervorteile entfallen. Die Prüfung, ob ein Verein gemeinnützig ist, obliegt allerdings den Finanzämtern – und der Landtag lehnte dieses Ansinnen auch ab. Es war aber eine unverhohlene Drohung.
Das Wahljahr 2024 ist kein beliebiges. Schon lange nicht mehr war die Zukunft der Linken so ungewiss, noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik waren die politische Landschaft und die Wählerschaft so polarisiert, noch nie seit der NS-Zeit war eine rechtsextreme, in Teilen faschistische Partei so nah an der Macht. Wir schauen speziell auf Entwicklungen und Entscheidungen im Osten, die für ganz Deutschland von Bedeutung sind. Alle Texte unter dasnd.de/wahljahrost.
Davon betroffen ist auch die Arbeit des Vereins Opferperspektive. Dieser setzt sich gegen Rassismus, Diskriminierung und rechte Gewalt in Brandenburg ein. Politischer Druck heißt für gemeinnützige Vereine wie die Opferperspektive auch finanzieller Druck. Sie werden in der Regel aus unterschiedlichen Töpfen gefördert und bekommen öffentliche Mittel beispielsweise vom Bund, vom Land und von den Kommunen. Die Beratung Betroffener von rechter Gewalt bekommt Opferperspektive e.V. vom Land Brandenburg finanziert, konkret von seiner Koordinierungsstelle »Tolerantes Brandenburg«. AfD-Landtagsfraktionschef Hans-Christoph Berndt bezeichnete das »Tolerante Brandenburg« am 31. Mai als »staatlich geförderte Hetzjagd auf alle, die nicht links-grünen Idealen hinterherlaufen« und sprach davon, diesem den Geldhahn abzudrehen.
Geschäftsführerin Judith Porath erklärt nun gegenüber »nd«, warum ihr Verein Opferperspektive trotz solcher Drohungen auch weiter vor den Gefahren warnen will, die von der AfD ausgehen: »Es ist unsere Aufgabe, darauf öffentlich hinzuweisen. Dass wir dann ins Fadenkreuz von AfD-Politikern geraten, die genau für diese Politik stehen, wundert uns nicht.«
Porath ist in Brandenburg aufgewachsen und war nach eigener Aussage schon früh antifaschistisch aktiv. Den Rechtsruck beobachtet sie nicht nur auf politischer Ebene, sondern auch in der Gesellschaft: »Wir dokumentieren rechte Gewaltfälle seit vielen Jahren und schon im vergangenen Jahr haben wir festgestellt, dass gerade rassistische Taten verstärkt mit Aufforderungen der Täter verbunden werden, dass die Betroffenen das Land verlassen sollen oder mit einer Bezugnahme zur AfD.«
Neben der besorgniserregenden Situation für Betroffene bedeutet der gesellschaftliche Rechtsruck auch schlicht mehr Arbeit für Vereine wie die Opferperspektive – und das, obwohl deren Ressourcen schon erschöpft sind. »Die Situation für Betroffene ist deutlich gefährlicher. Das ist die eine Seite, und eigentlich müssten wir unsere Beratungsangebote weiter ausbauen, weil wir gar nicht mehr adäquat beraten können«, so Porath.
Bei genauerer Betrachtung fällt aber auch auf, dass jene Arbeit nicht nur durch den Rechtsruck behindert wird, sondern auch durch das Fehlen einer dauerhaften finanziellen Absicherung. »Wir bekommen seit 2001 eine Förderung vom Bund und in den ganzen Jahren hat es nicht geklappt, dass wir in die Regelförderung hineinkommen«, bedauert Porath. »Das ist richtig absurd, wo wir doch alle wissen, dass Rassismus und Rechtsextremismus gesellschaftliche Probleme sind, die bleiben werden.« Auch für die Mitarbeitenden sei diese Unsicherheit zermürbend. Um wirksam arbeiten zu können, bräuchte es eigentlich eine dauerhafte Absicherung, so die Geschäftsführerin.
In einem offenen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) setzten sich bereits am 3. Juli insgesamt 180 Organisationen für eine Verstetigung ein. Im Bereich Demokratie und Teilhabe sind in den laufenden Haushaltsverhandlungen aber massive Kürzungen zu befürchten. »Sich für Menschenrechte im weitesten Sinne einsetzen, ist gerade kein Thema, das viel politische Fürsprache erhält«, weiß Porath. Das ist angesichts des Aufstiegs der AfD fatal.
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