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Konjunkturprognose: Festgefahren in der Wirtschaftsflaute
IMK senkt Konjunkturprognose und kritisiert Schlingerkurs der Bundesregierung
»Deutschland hat ein verlorenes halbes Jahrzehnt hinter sich.« Mit diesen drastischen Worten fasst Sebastian Dullien, Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), die wirtschaftliche Entwicklung der vergangenen Jahre zusammen. Gemeinsam mit seinen Kolleg*innen des gewerkschaftsnahen Forschungsinstituts stellte er am Dienstag die neue Konjunkturprognose vor, die sich weiter eingetrübt hat: Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) soll im Jahresdurchschnitt 2024 mit einem Nullwachstum auf dem Niveau von vor fünf Jahren stagnieren. Im kommenden Jahr steigt das BIP um nur 0,7 Prozent, ein Minus von 0,2 Prozentpunkten gegenüber der letzten Analyse vom Juni.
Als Hauptursachen für die anhaltende Flaute sehen die Forscher*innen eine schwache Auslandsnachfrage, eine restriktive und unstete Fiskalpolitik der Bundesregierung, die das Konsumentenvertrauen und private Investitionen bremst, sowie eine weiterhin straffe Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Zuletzt hatte sich ein Wechsel in der Zinspolitik der EZB abgezeichnet, der laut IMK zügig fortgesetzt werden müsse.
»Der private Konsum wird zur zentralen Stütze der Wirtschaftsentwicklung.«
Sebastian Dullien IMK
Dass die Wirtschaftsleistung im kommenden Jahr überhaupt leicht zunehmen könnte, liegt laut IMK an zuletzt steigenden Löhnen infolge hoher Tarifabschlüsse sowie an der abnehmenden Inflation. Die werde im Jahr 2025 noch weiter auf zwei Prozent sinken, wie es in der Analyse heißt. Dadurch könne der private Konsum um 1,5 Prozent zunehmen und werde somit »zur zentralen Stütze der Wirtschaftsentwicklung«, betont Dullien.
Von einer moderat wachsenden Weltwirtschaft, darunter in den USA und China sowie vor allem Indien und den Schwellenländern, dürften die exportorientierten Unternehmen aus Deutschland hingegen kaum profitieren. Die Ausfuhren sollen in diesem Jahr um 0,7 Prozent sinken. Für das Jahr 2025 rechnen die Konjunkturforscher*innen lediglich mit einem Anstieg von 1,8 Prozent, womit das Niveau von vor der Coronakrise nur knapp erreicht wäre.
Ursachen dafür sind laut IMK vergleichsweise hohe Energiepreise, die nationale Industriepolitik der wichtigsten Handelspartner China und USA sowie protektionistische Zölle. Zudem sehen sich deutsche Exporteure auf Drittmärkten mittlerweile einer starken Konkurrenz durch chinesische Anbieter gegenüber, wie es in der Analyse heißt.
Und es droht ein Teufelskreis: Die schlechten wirtschaftlichen Aussichten sowie die Frage, wohin die Entwicklung etwa in Sachen Antriebstechnologie geht, sorgen bei Unternehmen für sinkende Ausrüstungsinvestitionen. Die aber wären für Wachstumsimpulse notwendig. Bei langfristigen Anschaffungen von Produktionsmitteln wie technischen Anlagen und Maschinen droht in diesem Jahr ein Minus von 5,9 Prozent. Für das Jahr 2025 gehen die IMK-Forscher*innen von einem Wachstum von nur 1,7 Prozent aus.
Um den Teufelskreis zu durchbrechen, seien laut IMK umfassende öffentliche Investitionen und eine klar erkennbare Wirtschaftspolitik mit Blick auf die ökologische Transformation nötig. Einer gemeinsamen Schätzung des IMK und des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft zufolge beläuft sich der Bedarf auf rund 600 Milliarden Euro in den nächsten zehn Jahren. Dazu zählen Finanzierungslücken in den Bereichen erneuerbare Energien, Netze, Verkehrsinfrastruktur und Bildung.
Doch von solchen Eingriffen ist die Ampel-Koalition weit entfernt. Die Ausgaben für öffentliche Investitionen würden derzeit vor allem für die Beschaffung neuer Waffensysteme erhöht, betont Katja Rietzler, Expertin für Steuer- und Finanzpolitik am IMK. Die von der Regierung angekündigte Wachstumsinitiative schaffe hingegen kaum Planungssicherheit, sei mit ein paar Ausnahmen in vielen Punkten zu unkonkret und wirkungslos, kritisieren die Konjunkturforscher*innen. Die Regierung habe »mit hektischen Kürzungen und Abgabenerhöhungen für Verunsicherung gesorgt«, kritisiert Dullien.
Doch nicht nur auf nationaler, auch auf EU-Ebene bedürfe es einer koordinierten Wirtschafts- und Industriepolitik. Dort müssten gemeinsam Kriterien dafür erarbeitet werden, welche Sektoren künftig gefördert werden. Entscheidend müsse dabei sein, wo mit Wachstum und Technologiefortschritt zu rechnen sei. »Es ist offensichtlich, dass man in Europa eine Industriepolitik für E-Mobilität machen sollte«, unterstreicht der Ökonom. In Deutschland gebe es dafür eine gute Basis.
Die befindet sich derzeit in einer Krise, vor allem im Segment der E-Mobilität. Hierfür benötige es einen Instrumentenmix, der potenzielle Konsument*innen dazu bringe, mehr Fahrzeuge zu kaufen, betont Dullien. Dabei könne insbesondere ein subventioniertes soziales Leasing-Programm helfen, um den Markt für E-Autos auch für Beschäftigte mit geringeren Einkommen zugänglich zu machen.
Um über etwaige Unterstützungsmaßnahmen für die Branche zu beraten, hatte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Montag zu einem Treffen mit Unternehmen und Gewerkschaften geladen, betonte aber, es solle keine Schnellschüsse geben.
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