Preiserhöhung beim 49-Euro-Ticket: Hochgradig unsozial

Wolfgang Pomrehn kommentiert die geplanten Änderungen beim Deutschlandticket

  • Wolfgang Pomrehn
  • Lesedauer: 3 Min.
Das 49-Euro-Ticket soll zukünftig 58 Euro kosten.
Das 49-Euro-Ticket soll zukünftig 58 Euro kosten.

Nun soll es also noch teurer werden. Die Verkehrsminister der Länder haben Anfang der Woche beschlossen, den Preis des 49-Euro-Tickets anzuheben. 58 Euro soll die Nutzung des öffentlichen Nah- und Regionalverkehrs künftig im Monat kosten. Damit zeigen die Landesregierungen nicht nur Klimaschützern und künftigen Generationen, sondern auch allen Menschen mit geringem Einkommen den Stinkefinger.

Zehn Prozent aller deutschen Haushalte haben pro Person im Monat nur 1000 Euro oder weniger zur Verfügung. Da muss jeder Euro zweimal umgedreht werden, da sind schon die jetzigen 49 Euro für manchen zu viel, und mit einer weiteren Verteuerung wird die Zahl der Ticketverkäufe sicherlich zurückgehen. Die Preiserhöhung ist also hochgradig unsozial und ausgrenzend, weil es Menschen das Recht auf freie Mobilität nimmt. Das bleibt in dieser Auto-dominierten – um nicht zu sagen Auto-besessenen – Gesellschaft weiter den Gesunden und den Wohlhabenden vorbehalten. Die Interessen von Kindern, Jugendlichen und Alten und allen anderen, die nicht Auto fahren, interessieren nicht. Insbesondere auf dem Land, wo der öffentliche Nahverkehr ohnehin meist nur ein schlechter Witz ist, bleiben sie auf der Strecke, können oft nicht einmal selbständig zum Arzt oder zur Apotheke gehen, geschweige denn Geschäfte erreichen.

Wolfgang Pomrehn

Wolfgang Pomrehn ist freier Journalist und schreibt zu klimapolitischen Themen.

Parallel zur zunehmenden Vernachlässigung und Ausdünnung des ÖPNV in der Fläche hat sich schließlich auch die Versorgung in den Dörfern dramatisch verschlechtert. Alles ist auf große Zentren vor den Toren der Städte zugeschnitten, die fast nur mit dem Auto erreichbar sind. An letzterem ändert natürlich auch ein günstiges Allround-Monatsticket nichts. Aber dieses könnte eine wichtige Dynamik anstoßen: Wenn mehr Menschen das Auto stehen lassen oder es gar ganz abschaffen, werden ÖPNV und Regionalbahnen voller. Geld könnte von Unterhalt und Neubau der Straßen in Bus und Bahn umgeschichtet werden, um deren Angebot zu verbessern und auszubauen, und in den Autofabriken könnten statt Pkws, die sich immer schlechter verkaufen lassen, Straßenbahnen und Busse gebaut werden. Das würde dort, wie am Beispiel von VW bereits vorgerechnet wurde, sogar mehr Arbeitsplätze schaffen, als es derzeit in der Automobilproduktion gibt. Zugleich würden damit, insbesondere wenn ÖPNV und Bahn endlich konsequent elektrifiziert werden, die Treibhausgasemissionen des Verkehrssektors endlich gesenkt, etwas, wogegen sich Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) trotz gesetzlichen Auftrags nachhaltig sperrt.

Arbeitsplatzsicherung, Klimaschutz und mehr soziale Gerechtigkeit – was will man mehr? Nötig wäre für diese eierlegende Wollmilchsau der Sozial- und Umweltpolitik nur ein Bruchteil der Euro-Beträge, die derzeit in Aufrüstung und Kriegsvorbereitungen gesteckt werden. Doch es gibt einen Haken: Öl- und Autoindustrie machen noch immer glänzende Gewinne. Selbst bei VW wurden 2023 noch mehr als vier Milliarden Euro an Dividenden verteilt. Der Konzern verfügt über Gewinnrückstellungen jenseits von 100 Milliarden Euro, hält aber die Hand für Verkaufsprämien auf.

Diese handfesten Kapitalinteressen diktieren in Deutschland auch 30 Jahre nach Inkrafttreten der UN-Klimaschutzkonvention noch immer die Verkehrspolitik. Und bisher hat noch jede Bundesregierung – ob mit oder ohne grünen Ministern – diesen Klassenkampf von oben willig umgesetzt.

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