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Donald Trump im Wahlkampf: Anklagen konnten ihm nichts anhaben
Der ehemalige US-Präsident steckt inzwischen an verschiedenen Fronten in Schwierigkeiten mit der Justiz
Das Innere eines Gerichtssaals kennt Donald Trump inzwischen recht gut. Etliche Male ist der ehemalige US-Präsident in den vergangenen Jahren wegen Straftaten angeklagt oder in Rechtsstreitigkeiten verwickelt worden. Die meisten Verfahren verliefen im Sande oder wurden eingestellt. Inzwischen gibt es allerdings einige Fälle, die brisanter sind: Eine Zivilklage gegen Trump wegen sexueller Gewalt war erfolgreich, auch wurde der Ex-Präsident bereits wegen Urkundenfälschung schuldig gesprochen.
Moralisch wie politisch wiegt sicher der Fall der Autorin E. Jean Carroll am schwersten. Ihr Rechtsstreit mit Trump begann im Jahr 2019, nachdem sie ihm öffentlich sexuelle Übergriffe zur Last gelegt hatte, die sich in den Jahren 1995 und 1996 ereigneten. Trump verklagte sie deshalb in einem zivilrechtlichen Verfahren wegen Verleumdung, Carroll reichte eine Gegenklage ein. Zu einem Strafverfahren kam es nicht. Allerdings gilt für Zivilverfahren in den USA ein niedrigerer Beweisstandard, und im resultierenden Rechtsstreit wurden Carroll wegen sexueller Gewalt und Verleumdung durch Trump insgesamt 88,3 Millionen US-Dollar an Schadenersatz zugesprochen.
Sexuelle Übergriffe und Urkundenfälschung
In dem Verfahren traten auch zwei weitere Zeuginnen auf, die von sexuellen Übergriffen Trumps berichteten – darüber hinaus gibt es weitere Frauen, die Trump sexuelle Gewalt oder Belästigung vorwerfen. Der Vorsitzende Richter stellte im Verfahren klar, dass die Jury zu der Übereinkunft gekommen sei, dass Trump Carroll vergewaltigt habe.
In einem anderen Fall gab es für Trump jüngst eine günstigere Entwicklung. Eine New Yorker Jury hatte ihn im Mai der Urkundenfälschung in 34 Fällen schuldig gesprochen. Es ging dabei um Schweigegeldzahlungen an die Porno-Darstellerin Stormy Daniels im Wahlkampf 2016, offenbar um eine Affäre zu verschleiern. Trump soll die Zahlungen durch Mittelsmänner verschleiert haben, die auch als seine Anwälte tätig waren. So sollen Wahlkampffinanzierungsregeln umgangen worden sein.
Die Wahlen am 5. November 2024 sind für die US-Bürger wie auch den Rest der Welt eine der wichtigsten Richtungsentscheidungen dieser Zeit. »nd« berichtet über die Stimmung und Probleme im Land, über Kandidaten und ihre Visionen. Alle Texte zur US-Wahl finden Sie hier.
Urteile wegen Wahlkampf verschoben
Das Strafmaß in dem Fall sollte ursprünglich am 11. Juli verkündet werden. Der Vorsitzende Richter hat diesen Termin nun allerdings bis nach den Präsidentschaftswahlen verschoben. Begründung: Das Gericht wolle den Anschein von politischer Einflussnahme vermeiden. Eine etwas fragwürdige Logik, die man jedoch genauso gut umgekehrt anwenden könnte: Warum sollte Trump hier anders behandelt werden als ein beliebiger anderer Angeklagter, nur weil er für das Weiße Haus kandidiert?
Unübersichtlich bleibt die Lage im Verfahren, das wegen Trumps Rolle beim Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 und seinen Versuchen, den Ausgang der Präsidentschaftswahl von 2020 zu torpedieren, an einem Bundesgericht in Washington anhängig ist. Der Oberste Gerichtshof der USA hatte jüngst entschieden, dass Trump als Präsident wegen Amtshandlungen nicht strafrechtlich belangt werden darf – wohl aber wegen anderer Vorgänge. Was genau eine solche Amtshandlung des Präsidenten ist und was nicht, ließen die US-Verfassungsrichterinnen und -richter im Detail aber offen.
Anklagen spielen im Wahlkampf bisher kaum eine Rolle
Das Justizministerium reagierte auf die Entscheidung, indem es die Anklageschrift gegen Trump aktualisierte. Doch der Fall war juristisch auch zuvor äußerst komplex, die Strafverfolgung eines Ex-Präsidenten ist für das US-Justizsystem größtenteils Neuland. Mit einem Urteil ist auch hier vor der Wahl im November nicht zu rechnen.
Im Wahlkampf spielen diese Vorgänge eine untergeordnete Rolle, auch Trumps Gegenkandidatin Kamala Harris thematisiert sie wenig. Dies alles wirft natürlich die Frage auf, warum sich so wenige Wählerinnen und Wähler in den USA für Trumps juristische Schwierigkeiten und sein offensichtlich schweres Fehlverhalten interessieren. Es ist gar nicht so lange her, dass eine zivilrechtliche Verurteilung wegen Sexualdelikten in den USA auf jeden Fall das Ende einer politischen Karriere bedeutet hätte. Doch für Trump gelten offenbar andere Regeln.
Zum Teil liegt dies an einem schlichten Gewöhnungseffekt: Die Wählerinnen und Wähler wissen, dass Trump mindestens ein skrupelloser Charakter ist. Diese Information ist für sie weder neu noch überraschend. Entsprechend wenig Aufmerksamkeit erhalten die Gerichtsverfahren.
Beweisdokument für Kapitolsturm zugelassen
Zumindest was den Sturm auf das Kapitol angeht, könnte sich das ändern. Eine Richterin ließ jetzt ein 180-seitiges Dokument zu, in dem alle Anklagepunkte und Beweise aufgelistet sind. Bisher wusste niemand, was Trump im Detail vorgeworfen wird. Er hatte versucht, dies zu verhinden, gelangen doch mit der Veröffentlichung des Dokuments Journalisten an die Informationen, das könnte mehr Brisanz in den Wahlkampf bringen.
Das generell geringe Interesse an Trumps Vergehen spricht aber paradoxerweise dafür, dass die US-Demokratie in gewisser Hinsicht etwas repräsentativer geworden ist. Zu Zeiten von Bill Clinton oder George H. Bush, als es zwischen den Parteien in Sachen Wirtschafts- und Außenpolitik kaum signifikante Unterschiede gab, konzentrierten sich die Medien gerne auf persönliche Verfehlungen von Politikerinnen und Politikern. Doch zwischen den zentristischen Demokraten von Joe Biden und Kamala Harris und den rechtsextremen Republikanern von Donald Trump sind die inhaltlichen Unterschiede deutlicher, auch wenn es sich weiterhin um zwei bürgerliche und kapitalistische Parteien handelt. Angesicht größerer programmatischer Differenzen tritt der Charakter von Politikern dabei medial in den Hintergrund.
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