Historisches Kräftemessen bei VW

Vorgezogene Tarifverhandlungen von Gewerkschaftsprotesten begleitet

  • Moritz Aschemeyer
  • Lesedauer: 3 Min.
Kein Fußballstadion, sondern Tarifverhandlungen: Vertreter der IG Metall und der VW-Konzernleitung stehen sich zum Auftakt gegenüber.
Kein Fußballstadion, sondern Tarifverhandlungen: Vertreter der IG Metall und der VW-Konzernleitung stehen sich zum Auftakt gegenüber.

Am Mittwoch kamen IG Metall und VW-Management zu ersten Verhandlungen in der vorgezogenen Tarifrunde in Hannover zusammen. Begleitet wurden die Gespräche von Gewerkschaftsprotesten gegen die Sparpläne des Konzerns, an denen sich laut Angaben der IG Metall über 3 000 Metaller*innen beteiligten. »Wir stehen erst am Anfang einer Auseinandersetzung mit dem Unternehmen, die sich gewaschen hat. VW wird den Widerstand ernten, der durch das Top-Management gesät worden ist«, sagte Thorsten Gröger, IG Metall-Bezirksleiter für Niedersachsen und Sachsen-Anhalt sowie Verhandlungsführer für den Volkswagen-Haustarifvertrag.

Die eigentlich für Ende Oktober angesetzte Tarifrunde war angesichts der Krise beim Autobauer vorgezogen worden. Unter anderem die geringe Werksauslastung und schleppende Absatzzahlen bei E-Autos machen dem Konzern zu schaffen. Es fehlten rund 500 000 Verkäufe, sagte Finanzvorstand Arno Antlitz bei einer Betriebsversammlung Anfang des Monats. Der angeschlagene Autokonzern hatte einen verschärften Sparkurs angekündigt und die seit 1994 geltenden Tarifverträge zur Beschäftigungsgarantie gekündigt. Auch Werksschließungen und Entlassungen in Deutschland werden nicht mehr ausgeschlossen. Bis zu 30 000 Stellen könnten laut »Manager-Magazin« mittelfristig wegfallen. Zudem will VW weniger Auszubildende übernehmen und Leiharbeiter schlechter bezahlen.

Der Betriebsrat und die Gewerkschaft IG Metall haben dagegen Widerstand angekündigt. Die Gesamtbetriebsratsvorsitzende Daniela Cavallo bezeichnete die Vorstöße der Konzernleitung als historische Tabubrüche. »Aber ebenso historisch wird unsere Reaktion als Arbeitnehmerseite sein«, kündigte sie an. »Dieselskandal, Fehleinschätzungen, Fehlentscheidungen sind nicht das Verschulden der Beschäftigten«, sagte auch Verhandlungsführer Gröger. »Das war und ist die Verantwortung des Top-Managements.« Volkswagens langjährige Marktführerschaft sei der Belegschaft und der starken Mitbestimmung zu verdanken. »Es braucht eine Jobgarantie nicht nur für Schönwetterzeiten«, so Gröger. Von der Politik forderte er ein industriepolitisches Konjunkturprogramm für die E-Mobilität.

Bei den Verhandlungen geht es nicht nur um die Tarifverträge zur Beschäftigungssicherung, sondern auch um den hauseigenen Entgelttarifvertrag, der rund 120 000 Beschäftigte an sechs Standorten in Niedersachsen und Hessen betrifft. Für Sachsen gelten andere Verträge. Die IG Metall fordert analog zur parallel laufenden Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie eine Lohnerhöhung um sieben Prozent und 170 Euro für die Auszubildenden.

VW-Verhandlungsführer und Personalvorstand Arne Meiswinkel betonte am Mittwoch die ernste Lage beim Autobauer: »Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen wir die Volkswagen AG jetzt gemeinsam umfassend restrukturieren.« Das Unternehmen müsse seine Effizienz steigern und zugleich seine Kosten senken. Nur so sei VW »in der Lage, in die Zukunft zu investieren«.

Die erste Verhandlungsrunde am Mittwoch endete ergebnislos. Dass eine der beiden Seiten schnell einlenken würde, war nicht nur angesichts der weit auseinanderliegenden Positionen unwahrscheinlich. Für die IG Metall dürfte eine Niederlage in ihrer Kernsparte schwer zu verdauen sein. IG-Metall-Verhandlungsführer Gröger stimmte die Belegschaft am Mittwoch bereits auf mögliche Streiks ein: »Der Winter kommt – und wir werden dann, wenn nötig, dem Vorstand richtig einheizen.« Die Friedenspflicht endet im Dezember. Die letzten Streiks, die zu Produktionsausfällen bei VW führten, liegen Jahrzehnte zurück.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Das beste Mittel gegen Fake-News und rechte Propaganda: Journalismus von links!

In einer Zeit, in der soziale Medien und Konzernmedien die Informationslandschaft dominieren, rechte Hassprediger und Fake-News versuchen Parallelrealitäten zu etablieren, wird unabhängiger und kritischer Journalismus immer wichtiger.

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!

Unterstützen über:
  • PayPal