Homayoun Sabetara kommt frei

Griechische Justiz entlässt als Schleuser verurteilten iranischen Flüchtling aus der Haft

  • Elisabeth Heinze, Thessaloniki
  • Lesedauer: 3 Min.
Homayoun Sabetara mit seiner Tochter Mahtab Sabetara.
Homayoun Sabetara mit seiner Tochter Mahtab Sabetara.

»Ich bin einfach nur glücklich«, sagte eine sichtlich erleichterte Mahtab Sabetara am Mittwoch nach der Urteilsverkündung gegen ihren Vater Homayoun Sabetara. Nachdem dieser im September 2022 als angeblicher »Schlepper« zu 18 Jahren Haft verurteilt worden war, hatte seine Tochter mit Unterstützung der Kampagne #FreeHoumayoun ein Berufungsverfahren angestrengt, das nun endlich zum Abschluss kam.

Die Anwälte der Verteidigung Dimitris Choulis und Haris Ladis konnten das Gericht in Thessaloniki zu einer erheblichen Reduzierung des Strafmaßes bewegen, das auf sieben Jahre und vier Monate Haft herabgesetzt wurde. Da Homayoun Sabetara bereits seit drei Jahren in Griechenland im Gefängnis sitzt, wird er unter Auflagen bald freikommen.

Der Iraner war im August 2021 mit sieben weiteren Migranten aus der Türkei nach Griechenland gekommen und in Thessaloniki von der Polizei als Fahrer des dafür benutzten Autos festgenommen worden. Am Abfahrtsort war Sabetara unter Druck gesetzt worden, das Steuer zu übernehmen. Als der Fahrzeugführer hatte er sich nach der griechischen Gesetzgebung wegen »Menschenschmuggels« vor Gericht zu verantworten.

Mit dem jetzigen Urteil wird anerkannt, dass Sabetara nicht als Schmuggler auf Profit aus war und sich nicht aus »niedrigen Beweggründen« an der Flucht beteiligte, sondern »diese Reise unternahm, um zu seinen Kindern in Berlin zu gelangen«, wie sein Anwalt Haris Ladis hervorhebt.

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Es handelte sich um eine diffizile Entscheidung. Ein glatter Freispruch war aufgrund der Gesetzeslage nicht zur erreichen. Für Sabetara geht es dabei auch um Aufenthaltsstatus und Bleibeperspektive: Asyl ist ihm in Griechenland nicht gewährt worden. Die Inhaftierung war für seinen entsprechenden Antrag nicht von Vorteil. Auch wenn es sich um ein separates Verfahren handelt, ist für einen Häftling dieser Schutzstatus de facto unerreichbar. Die Bewährungsauflagen für Sabetara enthalten ein Aufenthaltsrecht in Griechenland für drei Jahre, in denen er sich regelmäßig bei einer Polizeiwache melden muss.

Laut Anwaltsteam hätte das Urteil schon im ersten Prozess gleich ausfallen müssen. Die langjährige Haft war auf Grundlage der fragwürdigen Aussage eines nie vor Gericht erschienenen Zeugen verhängt worden, der nun erneut nicht ausfindig gemacht werden konnte. Während des Prozesses am Mittwoch kam auch ans Licht, dass bei der Verhaftung Sabetaras ein Polizeibeamter ad hoc die Übersetzung seiner Befragung übernommen hatte. Die Staatsanwaltschaft rechtfertigte das laut Prozessbeobachtern als übliche Praxis.

Dieses rechtswidrige Vorgehen konnte in den Prozessakten festgehalten werden. Sabetaras Anwaltsteam will den Fall samt dokumentierter Verfahrensfehler vom Obersten Gerichtshof in Athen prüfen lassen. Dabei geht es auch um die grundsätzliche Frage der Bestrafung von Migranten als Menschenschmuggler. »Leute wie Homayoun Sabetara gehören nicht ins Gefängnis, nicht einmal für einen einzigen Tag«, betont sein Anwalt Choulis. Den meisten der schätzungsweise 2000 in Griechenland wegen »Schmuggels« Inhaftierten fehlen eine öffentliche Plattform und die Mittel zu ihrer Verteidigung. Im Schnitt dauern solche Prozesse eine halbe Stunde. Zum Vergleich: Am Mittwoch wurde zwei Stunden lang um den Fall Sabetara gestritten.

Die Ineffizienz des griechischen Justizsystems erfordert einen langen Atem. Auch Sabetaras Prozess war immer wieder aufgeschoben worden. Die Kampagne #FreeHomayoun will weiter Menschen in ähnlicher Lage unterstützen.

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