Sachsens Landtag: Nachsitzen vor dem Neuanfang

Parlament tagt noch einmal in alter Besetzung, weil ein Untersuchungsausschuss zu einer umstrittenen Förderaffäre nacharbeiten musste

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.
Gut besucht: die letzte Sitzung des sächsischen Landtags. Dabei wurde am 1. September schon ein neues Parlament gewählt.
Gut besucht: die letzte Sitzung des sächsischen Landtags. Dabei wurde am 1. September schon ein neues Parlament gewählt.

Es ist ein Novum in der sächsischen Parlamentsgeschichte: Obwohl am 1. September ein neuer Landtag gewählt wurde, trafen sich die Abgeordneten des alten Landtags an diesem Donnerstag noch einmal zu einer Sitzung. In sechs vorangegangenen Legislaturperioden hatte die letzte Zusammenkunft jeweils vor der Sommerpause stattgefunden, bevor im August oder September neu gewählt wurde; es gab also einen klaren Schnitt. Nun aber mussten auch Politiker, die ihr Mandat verloren oder sich, wie Landtagspräsident Matthias Rößler (CDU), nicht erneut um eines beworben hatten, noch einmal für ein paar Stunden im Dresdner Plenarsaal antreten.

Angesetzt worden war die 92. Plenarsitzung zunächst nur, um einen Untersuchungsausschuss abschließen zu können. Er war Anfang Februar auf Antrag der AfD eingesetzt worden, um eine Förderaffäre im Sozialministerium aufzuklären. Diesem hatte der Rechnungshof gravierende Fehler bei der finanziellen Unterstützung von Integrationsmaßnahmen vorgeworfen. Die ebenfalls scheidende Linksabgeordnete Kerstin Köditz warf der AfD taktisches Verhalten vor. Sie hätte den Ausschuss schon im Sommer 2023 einsetzen können, habe aber bis zum Wahlkampf gewartet. In diesem war Sozialministerin Petra Köpping die Spitzenkandidatin der SPD.

Die späte Einsetzung hatte zur Folge, dass nur zehn Sitzungen absolviert und neun Zeugen gehört werden konnten, der knapp 300-seitige Abschlussbericht aber dennoch erst jetzt vorliegt. In diesem sieht die AfD ihren Vorwurf bestätigt, das Ministerium habe das »politische Vorfeld der SPD« gefördert. Die Ausschussmehrheit der bisherigen Koalition aus CDU, Grünen und SPD weist das zurück. Die Linke hält das Anliegen des Förderprogramms für richtig, bemängelt aber Fehler in der Umsetzung. Außerdem ging es in der letzten Sitzung um ein »Kita-Moratorium«, das angesichts sinkender Kinderzahlen die Entlassung von Erzieherinnen verhindern soll.

Obwohl sich das BSW politisch zwischen CDU und SPD verortet, wurde es im Plenarsaal halblinks zwischen letzterer und der Linken platziert.

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Am Dienstag und damit zum laut Verfassung letztmöglichen Termin 30 Tage nach der Wahl tritt dann der neue Landtag zusammen. Ihm gehören sechs statt fünf Fraktionen an. Die 15 Abgeordneten des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) werden halblinks zwischen der SPD und der stark geschrumpften Linksfraktion platziert. BSW-Landeschefin Sabine Zimmermann verortete ihre Partei politisch eher zwischen SPD und CDU. Dort sitzt aber noch die dezimierte Fraktion der Grünen.

Die Sitzung wird zunächst vom Wolf-Dietrich Rost (CDU) geleitet. Mit 71 Jahren ist er Alterspräsident des Landtags. Rost nimmt dann auch die Verpflichtung der 120 Abgeordneten vor. Danach wird die Geschäftsordnung beschlossen sowie der neue Landtagspräsident gewählt. Nachdem der bisherige Amtsinhaber Rößler dem Parlament nicht mehr angehört, hatte die CDU als knapp stärkste Fraktion den erst 37-jährigen Chemnitzer Alexander Dierks vorgeschlagen, der sich daraufhin vor der anstehenden Abstimmung in den Fraktionen vorstellte. Derzeit ist er Generalsekretär der Landespartei. Die Grünen machen ihn mitverantwortlich für einen Wahlkampf, der das »politische Klima im Freistaat erheblich beschädigt« habe. Die AfD wirft ihm vor, ein »harter Polemiker« zu sein.

Wahljahr Ost

Das Wahljahr 2024 ist kein beliebiges. Schon lange nicht mehr war die Zukunft der Linken so ungewiss, noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik waren die politische Landschaft und die Wählerschaft so polarisiert, noch nie seit der NS-Zeit war eine rechtsextreme, in Teilen faschistische Partei so nah an der Macht. Wir schauen speziell auf Entwicklungen und Entscheidungen im Osten, die für ganz Deutschland von Bedeutung sind. Alle Texte unter dasnd.de/wahljahrost.

Streit gab es vor der Konstituierung um die Frage, wie viele Stellvertreter der Landtagspräsident haben soll. Viele Jahre gab es zwei, seit der Wahl 2019 dann drei Vizepräsidenten: je einen von CDU, AfD und Linke. Jetzt wurde über eine nochmalige Erweiterung des Präsidiums debattiert. Zeitweise war die Rede von sechs Stellvertretern, womit nach Vorbild des Bundestages jede Fraktion zum Zuge käme. Das hätte indes nicht unerhebliche finanzielle Folgen: Vizepräsidenten erhalten die anderthalbfache Abgeordnetendiät, eine Aufwandspauschale und einen Dienstwagen samt Fahrer. Die Linke, die ohnehin auf sechs Abgeordnete dezimiert ist, winkte dankend ab, ähnlich die Grünen. Auch von AfD und BSW kam Kritik an der Aufblähung des Präsidiums.

Zumindest einen zusätzlichen Vizeposten gibt es aber nun doch. Er geht an die SPD, die den Abgeordneten Albrecht Pallas nominierte. Damit wären neben der AfD im Präsidium mit CDU, BSW und SPD jene drei Parteien vertreten, die derzeit Chancen für eine Regierungskoalition ausloten. Für die Bildung einer solchen ist nach Konstituierung des Landtags maximal noch drei Monate Zeit. Ist Anfang Februar kein neuer Ministerpräsident gewählt, muss sich der Landtag laut Verfassung auflösen.

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