Grüne: Zu viele Widersprüche

Aert van Riel zu den Rück- und Austritten bei den Grünen

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.
Grünen-Parteivorsitzenden Ricarda Lang (r) und Omid Nouripour verlassen am Mittwoch die Pressekonferenz – und die Parteispitze
Grünen-Parteivorsitzenden Ricarda Lang (r) und Omid Nouripour verlassen am Mittwoch die Pressekonferenz – und die Parteispitze

Das Mitregieren in der Ampel-Regierung tut den Grünen nicht gut. In den Umfragen geht es nach unten, und die drei Landtagswahlen in ostdeutschen Bundesländern sind für sie schlecht beziehungsweise katastrophal verlaufen. Die Parteivorsitzenden Omid Nouripour und Ricarda Lang waren nicht zu beneiden. Sie haben im Unterschied zu den Grünen-Bundesministern deutlich weniger Macht. Ihre Hauptaufgabe war es, die Partei zusammenzuhalten, deren Mitgliedschaft von Fridays-for-Future-Aktivisten bis zum unternehmerfreundlichen Umfeld des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann reicht. Nouripour und Lang sahen sich dieser Aufgabe nicht mehr gewachsen und werden mit dem Bundesvorstand zum nächsten Parteitag Mitte November zurücktreten.

Das schnelle Wachstum der Grünen, die Anfang dieses Jahres rund 130 000 Mitglieder hatten, wurde intern lange als Segen gesehen. Doch mit den Eintritten junger Menschen, die von ihrer Partei eine humane Flüchtlings- und eine wirkungsvolle sowie sozial gerechte Umweltpolitik einforderten, wuchsen auch die Spannungen. Die Spitze der Grünen Jugend hat keine Hoffnungen mehr, dass sich die Partei in ihre Richtung bewegt – und hat die Grünen deswegen verlassen.

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Auch diese Entscheidung ist nachvollziehbar. Denn der Wechsel an der Parteispitze wird keinen inhaltlichen Kurswechsel einleiten. Statt die Forderungen der jungen Menschen ernstzunehmen, wollen die mächtigsten Politiker der Grünen ihre Linie durchziehen. Wirtschaftsminister Robert Habeck, der sich überlegt, als Kanzlerkandidat im kommenden Jahr anzutreten, sieht in seiner Parlamentarischen Staatssekretärin Franziska Brantner die perfekte Besetzung an der Parteispitze. Habeck und sein Ministerium sind unter anderem für Rüstungsexporte zuständig und haben entschieden, dass Saudi-Arabien wieder mit Kriegsgerät beliefert wird. Die saudische Diktatur ist wegen ihrer Beteiligung am Krieg im Jemen ein Hauptverantwortlicher für Hungersnöte und den Tod von Zivilisten, aber für westliche Regierungen nach wie vor ein wichtiger strategischer und wirtschaftlicher Partner. Das gilt auch für andere diktatorisch regierte Staaten –wie Katar, wohin Habeck reiste, um einen Deal zur Lieferung von Flüssiggas nach Deutschland abzuschließen. Dies hat auch intern für viel Kritik gesorgt und widerspricht dem Anspruch der Grünen, eine »wertegeleitete Außenpolitik« zu betreiben.

Auch aus dem sich links nennenden Parteiflügel bewerben sich Politiker für die neue Führung. Der Bundestagsabgeordnete Felix Banaszak will mit Brantner künftig die Doppelspitze bilden. Banaszak wirbt vor allem um Wähler, welche die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel gut fanden und sich wegen des CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz von der Union abwenden. Fraktionsvize Andreas Audretsch soll Habecks Wahlkampf leiten. Banaszak und Audretsch sind nicht als Kritiker der Ampel-Regierung aufgefallen und haben im Juni 2022 im Bundestag dem sogenannten Sondervermögen für die Bundeswehr zugestimmt. Für linke Wähler haben sie kaum etwas anzubieten.

Der Parteinachwuchs hatte die Entscheidung für das Bundeswehr-Sondervermögen, die Debatten um die Räumung des von Klimaschützern besetzten Lützerath und die Asylrechtsverschärfungen als Gründe für den Parteiaustritt genannt. Nun wollen sie einen neuen Jugendverband gründen. In der kriselnden Linkspartei frohlocken schon manche, man könne sie als Bündnispartner gewinnen. Doch es bestehen zwischen jungen Ex-Grünen und der Linkspartei neben Schnittmengen auch erhebliche Unterschiede. So hatte sich die Grüne Jugend immer für die militärische Unterstützung der Ukraine im Krieg mit Russland ausgesprochen. Deswegen ist zurzeit nur eine Zusammenarbeit bei einzelnen Fragen denkbar, aber nicht ein Zusammenschluss, der neue Konflikte in der Linken schüren würde.

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