Gerechtigkeit für Muhammad Kamran Ashiq

Ein neuer Fall von Gewalt bestätigt das Polizeiproblem in Griechenland

  • John Malamatinas
  • Lesedauer: 4 Min.
Die griechische Polizei ist bekannt für ihr brutales Vorgehen gegen Migranten.
Die griechische Polizei ist bekannt für ihr brutales Vorgehen gegen Migranten.

Am 21. September wurde der seit dem 13. September vermisste 37-jährige Migrant pakistanischer Herkunft, Muhammad Kamran Ashiq, auf der Polizeistation des Athener Stadtteils Agios Panteleimonas tot aufgefunden. Wie auf den von der griechischen Zeitung »Documento« veröffentlichten Fotos zu sehen ist, wies Kamran mehrere Verletzungen am Körper auf, die auf Folter schließen lassen.

Aus von der antirassistischen Organisation Keerfa (Vereinigte Bewegung gegen Rassismus und die faschistische Bedrohung) veröffentlichten Dokumenten der Anwälte geht hervor, dass Kamran zunächst in das Polizeirevier am Omonia-Platz im Stadtzentrum gebracht und bis zu seinem Tod am 21. September in fünf andere Polizeireviere verlegt wurde. Bislang hat die griechische Polizei noch keine offizielle Stellungnahme abgegeben. Mündlichen Erklärungen gegenüber dem Anwalt der Familie zufolge wurde der Tote in einem provisorischen Haftraum gefunden, der nach den bisherigen Informationen der einzige Ort ist, der nicht von Sicherheitskameras überwacht wird.

Opfer seit 20 Jahren in Griechenland und integriert

Muhammad Kamran war seit 2004 in Griechenland, sprach fließend Griechisch, hatte seit 2017 eine Aufenthaltsgenehmigung und besaß einen Mietvertrag auf seinen Namen. Im Polizeibericht hieß es jedoch, dass er ein Obdachloser sei, der kein Griechisch spreche und dass er bereits von anderen Personen geschlagen worden sei, bevor er am 18. September auf diese Wache kam.

Die Staatsanwaltschaft hat mittlerweile Ermittlungen eingeleitet und die Polizeistation von Agios Panteleimonas führt eine Voruntersuchung durch. Die Familie selbst wird rechtliche Schritte einleiten, während ein gerichtsmedizinischer Bericht über die Verletzungen des 37-Jährigen den zuständigen Behörden in Kürze vorgelegt werden soll. Am Donnerstag fand eine erste Spontandemonstration im Viertel statt, bei dem die versammelten Menschen Slogans gegen rassistische Polizeigewalt und gegen die Vertuschung riefen und Gerechtigkeit für Kamran forderten. Die Demonstration wurde von der Polizei mit Blendgranaten angegriffen.

Polizeirevier bekannt für seine rassistische Brutalität

Das Polizeirevier Agios Panteleimonas hat laut Georgios Poulopoulos von der unabhängigen Polizeibeobachtungsstelle Copwatch eine lange Geschichte von rassistischer Brutalität, Folter, Vertuschung, Einmischung der extremen Rechten und Korruption vorzuweisen. Gegenüber »nd« nannte Poulopoulos etwa »den Fall von Folterungen von zwei Menschen afghanischer Herkunft im Dezember 2004« und die Verhaftung des örtlichen Polizeichefs sowie eines Mitglieds der neonazistischen Partei Goldene Morgenröte im Jahr 2013 »wegen Komplizenschaft in Schmuggel, Drogenhandel und Geldwäsche«. »Unter der Toleranz der Polizei entwickelte sich der zentrale Platz des Viertels zu einer Brutstätte rechtsextremer Angriffe«, betont Poulopoulos.

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Der Tod von Muhammad Kamran ereignete sich nur wenige Tage nach einem aufschlussreichen Bericht der Griechischen Union für Menschenrechte über Polizeigewalt sowie über Beschwerden wegen brutaler Schläge und Repressionen in Lagern, in denen Roma leben.

Der Staat unternimmt nichts gegen die Polizeigewalt

Nach Ansicht der Union unternimmt der Staat nicht nur »nichts, um das Phänomen (der zunehmenden Polizeigewalt) einzudämmen, sondern scheint es im Gegenteil durch seine Toleranz aufrechtzuerhalten, wenn nicht sogar stillschweigend zu fördern«. Sie weist auch darauf hin, dass trotz Hunderten von »Einzelfällen«, die sich täglich ereignen, deren Erfassung und Untersuchung besonders schwach bleibt, die konsequenten Empfehlungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ignoriert und eine Kultur der Toleranz für die Täter fortbesteht. »Wir beobachten, dass trotz des erdrückenden Haushaltsrahmens der letzten 15 Jahre ein kontinuierlicher Ausbau der Sicherheitskräfte, auch durch die Aufrüstung ihrer Ausrüstung, stattgefunden hat, während ihre Militarisierung zu beobachten war, was zu einer Zunahme der Fälle von exzessiver Polizeigewalt beigetragen hat.«

Rechtes Gedankengut unter Polizisten weit verbreitet

Der Bericht untersucht auch die Existenz von »Zellen« der mittlerweile verbotenen neonazistischen Goldenen Morgenröte oder anderer extremer Gruppen innerhalb der Polizei. Danach wurde beobachtet, dass laut einer Umfrage in Wahllokalen, in denen hauptsächlich aktive Polizeibeamte bei den Parlamentswahlen 2023 ihre Stimme abgaben, 10 bis 20 Prozent die Nachfolgepartei Spartiaten gewählt haben.

Die Gewalt betrifft vor allem Menschen migrantischer Herkunft, im alltäglichen Leben in den Städten, aber wie in der Vergangenheit vermehrt bewiesen, auch in Geflüchtetenlagern. In veröffentlichten Berichten von Ärzte ohne Grenzen oder des Border Violence Monitoring Network wurden zahlreiche Zeugenaussagen von Personen dokumentiert, die bei ihrer Ankunft in Griechenland und in Lagern körperliche Misshandlungen erlebt haben.

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