- Berlin
- Landtagswahl Brandenburg
Freie Wähler: Das vorläufige Ende der Orange
Freie Wähler verabschieden sich nach zehn Jahren aus dem Potsdamer Landtag
Man müsse nach zehn Jahren nun gehen. Aber man verlasse den Brandenburger Landtag »erhobenen Hauptes«, sagte der Abgeordnete Péter Vida am Dienstag bei der »vorerst« letzten Pressekonferenz seiner Freien Wähler im Parlament.
Am 22. September waren die Freien Wähler an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert und Vida konnte auch nicht erneut seinen Wahlkreis in Bernau gewinnen. Vorgenommen hatten sie sich ursprünglich acht Prozent plus X. Die kleineren Parteien seien in der enormen Zuspitzung des Wahlkampfs zwischen SPD und AfD zerrieben worden. »Das war nicht mehr aufhaltbar«, analysierte Vida. Den Erfolg bei der Kommunalwahl am 9. Juni, als die Freien Wähler noch 7,5 Prozent der Stimmen holten, habe man nicht wiederholen können.
»So sind die Regeln, und wir sind in Kenntnis dieser Bedingungen angetreten.«
Péter Vida Freie Wähler
Gestützt auf zehn hauptamtliche Bürgermeister wollen die Freien Wähler nun »Kraft sammeln, um wieder anzugreifen«, wie Vida sagte. »Das war’s noch nicht«, versprach er. Fast jede sechste abgegebene Stimme findet sich im Landtag nicht wieder, weil die damit gewählte Partei die Fünf-Prozent-Hürde nicht übersprang. Vida sprach angesichts dessen von einem Demokratiedefizit. Er erwähnte den hohen persönlichen Einsatz von Linksfraktionschef Sebastian Walter, der ebenfalls nicht mit dem Wiedereinzug ins Parlament belohnt worden war. Doch wolle er als Verlierer hier nicht nachkarten, beteuerte Vida. »So sind die Regeln, und wir sind in Kenntnis dieser Bedingungen angetreten.« Dem Verlierer stehe es nicht zu, auf das Wahlrecht zu schimpfen.
Vidas Parteifreund Matthias Stefke nannte die Leistung Vidas eine »übermenschliche«. Es verbleibe im Landtag nun die CDU, um das »Erbe« des politischen Spektrums der Freien Wähler anzutreten. Probleme der Kommunen, des ländlichen Raumes und der Verkehrspolitik haben laut Stefke nun ein wichtiges Sprachrohr weniger. Ungelöst bleibe das finanzielle Desaster des Hauptstadtflughafens BER in Schönefeld, der nach wie vor von den Zuschüssen der öffentlichen Hand lebe. Den Versicherungen der Geschäftsführung, für 2026 und 2027 finanziell auf eigenen Füßen zu stehen, misstraut Stefke. Die Politik habe einen Mantel des Schweigens über den Fall gelegt und auch die Medien scheinen seiner überdrüssig zu sein. Die Regierungsbildung erfüllt Stefke mit Sorge, denn das Ausmaß, mit dem die Vorsitzende des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) in die Landespolitik eingreife, habe »eine neue Qualität erreicht«.
Das Wahljahr 2024 ist kein beliebiges. Schon lange nicht mehr war die Zukunft der Linken so ungewiss, noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik waren die politische Landschaft und die Wählerschaft so polarisiert, noch nie seit der NS-Zeit war eine rechtsextreme, in Teilen faschistische Partei so nah an der Macht. Wir schauen speziell auf Entwicklungen und Entscheidungen im Osten, die für ganz Deutschland von Bedeutung sind. Alle Texte unter dasnd.de/wahljahrost.
Im Bemühen, für die 20 Mitarbeiter der Freien Wähler eine Anschlussbeschäftigung zu finden, sei man auf gutem Wege, versichert Péter Vida. Er selbst will wieder als Rechtsanwalt arbeiten. Vida bestritt, Ambitionen für eine Kandidatur bei der Bundestagswahl 2025 zu haben. Stefke sagte, er habe kein Rückkehrrecht in sein altes Unternehmen. Doch da Fachkräfte gesucht würden, sei er zuversichtlich.
Die Freien Wähler haben ihre Forderungen weniger aus einer weltanschaulichen Verortung abgeleitet als andere Parteien. Entsprechend bunt war der Strauß, den Vida als die größten Erfolge präsentierte. Er zählte dazu, dass sie einst die von 2009 bis 2019 regierende rot-rote Koalition zur Abschaffung der Straßenausbaubeiträge gezwungen haben. Auch die Erhöhung des vom Land gezahlten Pflegegeldes und die Regelung von Mindestabständen bei Windrädern heftete Vida an die blau-orange Fahne seiner Gruppierung. Vor einem Jahr hatten die Freien Wähler sich für eine Orange als Wappen entschieden.
Zu den düsteren Momenten für die Freien Wähler gehörte der Übertritt ihres Abgeordneten Philipp Zeschmann zur AfD. Das kostete die Freien Wähler den Fraktionsstatus. Sie waren von da an nur noch eine Gruppe im Landtag. Abgeordneter ist indessen auch Zeschmann nicht mehr. Auf der Liste der Nachrücker für den Landtag steht er bei der AfD allerdings auf Rang vier.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.