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Klimaabgabe für die Seeschifffahrt

Verhandlungen auf UN-Ebene sollen kontroverse Vorschläge zusammenführen

Containerschiffe sind vergleichsweise umweltfreundliche Transportmittel, als »grün« kann man sie dennoch nicht bezeichnen. Ihre Motoren stoßen große Mengen an Schadstoffen aus.
Containerschiffe sind vergleichsweise umweltfreundliche Transportmittel, als »grün« kann man sie dennoch nicht bezeichnen. Ihre Motoren stoßen große Mengen an Schadstoffen aus.

Anfang der Woche haben die Verhandlungen der UN-Schifffahrtsorganisation IMO in London über eine globale CO2-Bepreisung für die Seeschifffahrt begonnen. Die Delegierten diskutieren erstmals über ein international einheitliches System für eine solche Abgabe. Die Zeitvorgabe ist durchaus ehrgeizig – spätestens im Jahr 2027 sollen die neuen Regeln in Kraft treten.

Eine CO2-Bepreisung soll wesentlich zur Erreichung der globalen Klimaziele beitragen, die sich die 176 IMO-Mitgliedstaaten auf die Fahnen geschrieben haben, und den Treibhausgasausstoß der Schifffahrt bis 2050 auf Netto-Null reduzieren. Die erste Verhandlungsrunde wird diesen Freitag abgeschlossen. Dann dürfte klar sein, ob es tatsächlich bald zu einem globalen CO2-Preis kommen wird, wann er fällig wird und was mit den Einnahmen geschehen soll.

Drei Viertel der Erde sind mit Wasser bedeckt. Immer mehr und größere Schiffe sind auf den Ozeanen unterwegs. Mehr als 90 Prozent des grenzüberschreitenden Handels wird auf dem Seeweg transportiert. Zwar sind Containerschiffe, Tanker und Massengutfrachter aufgrund ihrer hohen Tonnage vergleichsweise umweltfreundliche Transportmittel, aber ihre gewaltigen Motoren stoßen große Mengen an Schadstoffen aus. Im Ergebnis verursacht die Schifffahrt etwa drei Prozent aller CO2-Emissionen weltweit – mehr als die Wirtschaftsgroßmacht Deutschland insgesamt. Und die Tendenz ist steigend.

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Aufgrund seiner globalen Ausrichtung wird der Seeverkehr in erster Linie durch die International Maritime Organization, kurz IMO, geregelt. Die Schifffahrt ist die einzige Industrie mit einheitlichen, weltweit geltenden Normen, etwa zu Abgasen, Meeresverschmutzung oder Sicherheitsstandards für Seeleute. Trotz der unterschiedlichen Interessen zwischen dem globalen Süden und dem globalen Norden hat die IMO ihre gemeinsamen Klimaschutzziele im vergangenen Jahr nochmals verschärft. »Mit der neuen Strategie ist eine globale Einigung gelungen, die dem Netto-Null-Ziel näher rückt«, lobt das Bundeswirtschaftsministerium von Robert Habeck (Grüne). Zusammen mit den konkreten Zwischenzielen gebe es nun »einen klaren Reduktionsplan«.

Dieser Reduktionsplan soll jetzt in London in konkrete Vorgaben umgesetzt werden. Martin Kröger, Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Reeder (VDR), betont die Notwendigkeit internationaler Regeln: »Die Weltflotte stammt aus mehr als 150 Nationen und ist auf allen Seewegen dieser Welt unterwegs.« Um den Klimaschutz effektiv zu gestalten, seien daher konkrete weltweite Emissionsvorgaben unerlässlich.

»Es ist für die Transformation der Schifffahrt unabdingbar, einen Preis auf Emissionen einzuführen.«

Sönke Diesener Nabu

Auch Umweltorganisationen begrüßen die Verhandlungen. »Es ist für die Transformation der Schifffahrt unabdingbar, einen Preis auf Treibhausgasemissionen einzuführen«, sagt Sönke Diesener, Verkehrsexperte des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu). Ein solcher Marktmechanismus könne vielfältige positive Wirkungen erzielen: Er reize Unternehmen zum Umstieg auf klimafreundliche Alternativen und deren Produktion an, er zwinge zur effizienteren Nutzung der fossilen Ressourcen und mindere so die Emissionen.

Allerdings seien »stark divergierende Vorschläge« im Londoner Rennen, warnt Diesener: so von China, Norwegen und anderen, von EU-Ländern und Großbritannien sowie von Marshallinseln und weiteren Pazifikstaaten. Strittig ist beispielsweise, was mit den generierten Einnahmen geschehen soll. »Sie können zur Transformation der Seefahrt, aber auch zur Unterstützung der am stärksten vom Klimawandel betroffenen und bedrohten Gesellschaften eingesetzt werden.« Und schon bevor klimaneutrale Treibstoffe bereitstehen, könnten erhebliche Emissionsminderungen etwa durch Windantriebe und besseres Schiffsdesign erzielt werden. »Die IMO muss auch hierfür ein klares Signal setzen.« Nur so bliebe das 1,5-Grad-Ziel, zu dem sich die Seefahrt bekannt hat, in Sichtweite.

Nicht allein finanziell gut aufgestellten deutschen Reedern und Logistikkonzernen geht es bei den Verhandlungen in London auch um Wettbewerb und Gewinne. Seit diesem Jahr ist der Schiffsverkehr in der EU Teil des allgemeinen Emissionshandels. Schifffahrtsunternehmen müssen nun pro ausgestoßener Tonne CO2 einen Preis zahlen, der stetig schwankt und aktuell bei rund 70 Euro liegt. Die Spielregeln beispielsweise in den Vereinigten Staaten und China sind jedoch andere. Die Türkei und Großbritannien arbeiten ihrerseits daran, ein jeweils eigenes maritimes CO2-Bepreisungssystem einzuführen.

Ein solcher Flickenteppich diverser Regelungen führt unausweichlich zu Wettbewerbsverzerrungen. Daher sei es »von großer Bedeutung«, so der deutsche Reederverband, dass die IMO schnell konkrete Maßnahmen für eine global einheitliche Bepreisung von CO2 verabschiedet. Wenn alles nach Plan läuft, werden die endgültigen Beschlüsse im April 2025 vollzogen.

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