Volle Fahrt für Digitalisierung der Hardware

Trump und Künstliche Intelligenz beherrschen die weltgrößte Industrieschau

Kanadas Sondergesandter Stéphane Dion bei seiner Rede auf der Hannover-Messe
Kanadas Sondergesandter Stéphane Dion bei seiner Rede auf der Hannover-Messe

Donald Trump schlägt mit seiner Zollpolitik hohe Wellen – die bis nach Niedersachsen zur Hannover-Messe schwappen. Auch das diesjährige Partnerland Kanada ist von US-Zöllen betroffen und sucht auf der weltweit größten Industrieschau neue Kontakte, um sich gegen die protektionistische US-Wirtschaftspolitik zu wappnen. »Jetzt ist die perfekte Zeit für uns als Partnerland«, sagte Christina Bilyk, die als Regierungsvertreterin den Auftritt der Kanadier organisiert.

Von den rund 4000 Ausstellern auf der bis Freitag laufenden Messe kommen immerhin 265 aus Kanada. Das nordamerikanische Land rangiert bislang auf Rang 30 in der deutschen Außenhandelsstatistik, knapp hinter Brasilien, das im kommenden Jahr Partner der Messe sein wird. »Nicht nur Europa rückt enger zusammen, sondern Europa auch mit Kanada«, freute sich Messechef Jochen Köckler bei der Vorstellung des ausufernden Programms. Kanadische Unternehmen seien daran interessiert, neue Kunden, neue Zulieferer und neue Investoren zu finden, auch in Europa.

Köckler spricht von einer »Woche der Zuversicht« in Hannover, die Stimmung auf der Industrieschau sei besser als 2024. Als Grund nannte er die Pläne milliardenschwerer Investitionen in die Infrastruktur. Das werde international als Aufbruchsignal wahrgenommen. »All das, was an Infrastruktur Technologien braucht, tut den Ausstellern der Hannover-Messe gut.« Trotz der Zeitenwende-Rhetorik in Wirtschaft, Politik und Medien kam von ihm hingegen kein Wort zu Rüstung und Verteidigungsindustrie. Ohnehin fehlen viele militärische Größen wie Hensoldt, KNDS oder Renk.

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Hingegen gehören Wasserstoff als Energiequelle der Zukunft, Roboter im Dienstleistungsgewerbe und Künstliche Intelligenz (KI) in der Industrie zu den großen Themen, wie ein virtueller Messerundgang zeigt. Zwar wird der Einsatz von KI im Geschäft mit privaten Konsumenten von US-amerikanischen und chinesischen Plattformen wie Amazon, Google und Alibaba dominiert. Doch gerade für den industriellen Business-to-Business-Bereich, also von Firma zu Firma, birgt KI zahlreiche wirtschaftlich vielversprechende neue Anwendungsmöglichkeiten, ist aus Ausstellerkreisen zu hören.

»Die Kombination der industriellen Stärke mit den Möglichkeiten der KI kann uns im internationalen Wettbewerb einen entscheidenden Vorteil verschaffen«, heißt es in einer aktuellen Studie des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI). Die Palette reiche von KI-gestützter Werkstoffprüfung über die lernende Analyse von Maschinendaten, um beispielsweise Fehler in der Produktion vorherzusagen, bis hin zur Einhaltung von Lieferfristen. Die Basis aller KI-Systeme sei die Digitalisierung der »Hardware« von Fabriken, Gebäuden, Energie- und Verkehrsnetzen. Dadurch würden große Datenmengen als Rohstoff erzeugt, die laut BDI deutsche Konzerne wie Siemens, Hapag-Lloyd oder Volkswagen ebenso wie viele Mittelständler besitzen. Auch Holger Hanselka, Präsident der wissenschaftlichen Fraunhofer-Gesellschaft, verbreitet Zuversicht: »Wir haben in Deutschland ein tolles Ökosystem aus mittelständischer Industrie, großen Konzernen und einem sehr ausdifferenzierten Wissenschafts- und Innovationssystem.«

Am Eröffnungstag malten dennoch mehrere Industrieverbände die Gegenwart eher grau in grau und beklagten wie üblich Bürokratie, Steuern und Infrastruktur. Sorge bereitet besonders China, das nach Deutschland die meisten Aussteller unter 60 Ausstellerländern aufbietet und mittlerweile ebenbürtige Hochtechnologie zu günstigen Preisen produziert. Gleichwohl zeigt eine Umfrage des Beraterhauses Capgemini unter 1400 Konzernchefs, dass Konzerne auf die globalen Unsicherheiten mit Reindustrialisierung in alten westlichen Industriezentren reagieren.

Die Hannover-Messe war am Sonntag mit einer bunten Eröffnungsfeier und einer Rede des geschäftsführenden Bundeskanzlers Olaf Scholz (SPD) gestartet. »We stand by your side«, versprach er den Kanadiern. Schließlich litten die kanadische und deutsche Wirtschaft gemeinsam unter dem eingeschränkten Zugang zum US-Markt. Stéphane Dion, Kanadas Sonderbeauftragter für die EU, stimmte ähnliche Töne an: »Wir wussten, dass wir uns schätzen. Aber jetzt wissen wir, dass wir einander brauchen.«

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