- Politik
- Gentrifizierung
Das Haus soll weg
Düsseldorf: Mieter eines Altbaus werden zum Auszug gedrängt. Neue Eigentümer wollen ihn abreißen
Golzheim hat einen eigenen Charme. Hier leben Alte, Zugezogene, Familien, Studenten, Alleinstehende und Migranten zusammen. Auch in der Mauerstraße 32 mit ihren zehn Haushalten. Barbara Kalisch wohnt seit 42 Jahren hier. Gleich gegenüber der Synagoge. »Das ist hier mein Leben«, sagt die 78-Jährige. Auch eine andere Mieterin erklärt, sie lebe gerne in dem Haus, weil sie ihr soziales Umfeld dort habe. So äußern sich alle Mieter, mit denen ich spreche. Die Frage ist nur: wie lange noch?
Denn die Hausgemeinschaft bangt um ihre Wohnungen. Alle sollen aus dem Altbau von 1920 raus. Ende April erhielten einige Bewohner ein Kündigungsschreiben der Dus-Invest Gruppe, hinter der die Immobilien GmbH Privat-Capital steht. Bis Juni 2025 soll das Haus entmietet und dann wohl abgerissen werden. Das bestätigt auch die Stadt auf Anfrage.
»Wir wollen und werden das verhindern«, ist sich ein Bewohner sicher, der seit vier Jahren an der Mauerstraße wohnt. »Meine Frau und ich, wir erhielten am 2. Mai die Kündigung in unserem Briefkasten«, erklärt Jan Kownatzki: »Wir waren baff.« Der Verkauf des Hauses durch den privaten Vermieter an die Investmentgruppe macht die Entmietung rechtlich möglich.
Die Eigentümergesellschaft will die Mieter jetzt mit einer sogenannten Verwertungskündigung loswerden. »Vermieter können kündigen, wenn sich eine weitere Vermietung für sie wirtschaftlich nicht mehr lohnt«, erklärt Johannes Dörrenbächer vom Bündnis für bezahlbaren Wohnraum Düsseldorf, dem sich die Mieter der Mauerstraße 32 angeschlossen haben. »Die Hürden für eine solche Kündigung sind aber hoch. Man muss nachweisen, dass beispielsweise Baumaßnahmen nötig sind, die sich mit den Mieten nicht bezahlen lassen.« Dennoch würden solche Kündigungen immer häufiger ausgesprochen. Mieter müssten dann auf die Gerichte hoffen. »Ein Stress, den viele nicht aushalten und deshalb aufgeben und vorher ausziehen«, weiß Dörrenbächer.
Dus-Invest äußert sich dazu gegenüber dem »nd« nicht. Aber von dem Vorhaben des Unternehmens ist schon einiges durchgesickert. Offenbar will es auf dem Grundstück ein neues Wohnhaus bauen. »Nur mit viel größeren Wohnungen und vor allem mit viel höheren Quadratmeterpreisen«, weiß Dörrenbächer, der seit vielen Jahren für mehr bezahlbaren Wohnraum in Düsseldorf kämpft. Das können sich die jetzigen Mieter aber nicht leisten. »Da werden pro Quadratmeter 18 Euro verlangt werden«, glaubt Mieter Jan Kownatzki. Bislang betragen die Kaltmieten in dem Haus zwischen 6,90 und 9,90 Euro.
In nahezu allen größeren Städten findet seit mehr als zwei Jahrzehnten eine Verdrängung von alteingesessenen Mietern statt. Düsseldorf plant zum Schutz der Bevölkerung eine sogenannte soziale Erhaltungssatzung. Bestimmte bauliche Veränderungen, die eine deutliche Mietpreissteigerung erwarten lassen und damit zu Verdrängungen führen, können mit einer solchen Satzung unterbunden werden.
Zuletzt sei das gesamte Stadtgebiet auf eine Anwendbarkeit solcher Satzungen geprüft worden, erklärte die Stadtverwaltung gegenüber »nd«. Eine erste solche Satzung werde nun vorbereitet, heißt es. Die Hausgemeinschaft in der Mauerstraße 32 wird davon allerdings nicht profitieren, denn auf Golzheim werde sich die Satzung nicht beziehen. »Die aktuellen Rechtsvorschriften sehen keinen speziellen Bestandsschutz für die Mieterschaft« vor, erklärte die Stadtverwaltung Düsseldorf. Der Handlungsdruck sei in anderen Gebieten deutlich höher.
Die Mieter in der Mauerstraße 32 wollen aber nicht aufgeben. Zu wichtig ist ihnen ihre Gemeinschaft. Neben der Rentnerin wohnen dort seit 25 Jahren eine türkischstämmige Familie und eine alleinerziehende Mutter mit einem Kind, das eine geistige Behinderung hat. Dazu ein Pärchen, eine weitere Alleinerziehende und eine Alleinstehende. »Wir helfen uns alle gegenseitig«, sagt eine Mittfünfzigerin. Sie erinnert sich an einen nächtlichen Stromausfall. »Da haben wir uns mit Kerzen ausgeholfen.«
»Dus-Invest will die Mieter mit einer ›Verwertungskündigung‹ loswerden. Vermieter dürfen das, wenn sich eine weitere Vermietung für sie wirtschaftlich nicht mehr lohnt.«
Johannes Dörrenbächer Bündnis für bezahlbaren Wohnraum Düsseldorf
Kürzlich überraschte die Hausgemeinschaft Barbara Kalisch anlässlich ihres Geburtstags mit einer Überraschungsparty im Hof. Bei der Kinderbetreuung unterstützen sich die Nachbarn gegenseitig.
Der Investor begründet den geplanten Abriss des Hauses damit, dass er nur mit einem Neubau schwarze Zahlen schreiben könne. Die vergleichsweise günstigen Mieten seien für ihn ein Renditehindernis, erklärt Dörrenbächer. »Nach Lesart von Dus-Invest soll das Haus nach einer gutachterlichen Feststellung nur noch 15 Jahre bewohnbar sein.« Der Sanierungsbedarf sei enorm, unter anderem bei Elektrik, Heizung, Fenstern und Fassaden.
Fragt man bei der Hausgemeinschaft nach, bekommt man ein anderes Bild von dem Haus. Auch Johannes Dörrenbächer widerspricht. Die Darstellung sei nicht nachvollziehbar. Ja, sagen Bewohner: »einzelne handwerkliche Arbeiten« stünden an. Grundsätzlich sei das Haus aber in einem »passablen Zustand«. Der frühere Eigentümer hatte Heizung und Fahrstuhl erst vor wenigen Jahren erneuern lassen.
Mittlerweile hat Dus-Invest den Mieter in der Mauerstraße 32 eine Abfindung versprochen, wenn sie ausziehen. »Das ist aber angesichts der höheren Miete in neuen Wohnungen Kleinkram«, meint die alleinstehende Bewohnerin. Bislang ist die Gemeinschaft noch nicht gebrochen. Wahrscheinlich wird der Fall Mauerstraße 32 vor einem Gericht entschieden, denn die Mieter wollen nicht aufgeben. »Wir wollen unsere Wohnungen unbedingt behalten«, sagen sie.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.