USA und Israel: Die treue Schutzmacht

Die US-Regierung kritisiert zwar Israels Vorgehen, zieht ihre Unterstützung aber nicht zurück. Das hat innen- und geoplitische Gründe.

  • Julian Alexander Hitschler
  • Lesedauer: 4 Min.
Machtprojektion: der US-Flugzeugträger Dwight D. Eisenhower in Begleitung von Zerstörern im Roten Meer
Machtprojektion: der US-Flugzeugträger Dwight D. Eisenhower in Begleitung von Zerstörern im Roten Meer

Wir unterstützen Israel – diese eindeutige Botschaft ist im US-Wahlkampf von beiden Seiten immer wieder zu hören. Bei der Fernsehdebatte zwischen Kamala Harris und Donald Trump betonten beide Kandidierenden diese Haltung, auch die Vizepräsidentschaftskandidaten Tim Walz und J.D. Vance wiederholten dieses Bekenntnis bei ihrem Fernsehduell. Das Weiße Haus unter Präsident Joe Biden äußert zwar immer wieder verhaltene öffentliche Kritik am israelischen Vorgehen im Gaza-Krieg. Auch werden gerne Geschichten durchgestochen, dass Biden und Benjamin Netanjahu hinter den Kulissen öfter aneinandergeraten seien. Doch auf längere Sicht betrachtet muss man an der Ernsthaftigkeit dieser Beteuerungen zweifeln. Denn auf diese Aussagen folgen nie konkrete Schritte, die Netanjahu und seine Regierung zum Einlenken bewirken könnten, etwa die Einschränkung von Waffenlieferungen.

Dies hat einerseits wahltaktische Gründe, auch wenn dieses Vorgehen nicht unbedingt der Mehrheitsmeinung in den USA entspricht. 61 Prozent der US-Bevölkerung lehnt laut einer Umfrage die Militärhilfen an Israel ab. Jedoch schielen Harris und Walz bei ihren Entscheidungen nicht unbedingt auf den landesweiten Stimmungsdurchschnitt, sondern auf die Meinung bestimmter, strategisch besonders wichtiger Wählergruppen.

Linke zählen nicht

Die Demokraten haben sich dafür entschieden, vor allem um moderate Republikaner zu werben, die von Donald Trumps Autoritarismus abgeschreckt sind und sich vor allem in gesellschaftspolitischen Fragen vom Kandidaten ihrer Partei nicht repräsentiert fühlen. Doch gerade diese Gruppe von Wählerinnen und Wählern gilt als besonders israelfreundlich. Die Linke wird von Harris und Walz hingegen abgeschrieben: Man glaubt weder, dass man unter progressiven Wählerinnen noch viel hinzugewinnen wird, noch, dass viele Wähler links der Mitte, die nicht bereits wegen Bidens Israelpolitik den Demokraten den Rücken gekehrt haben, dies bis zur Wahl noch tun werden. Ob dieses Kalkül aufgehen wird, wird sich frühestens am Abend des 5. November zeigen.

Weder von Trump noch von Harris ist zu erwarten, dass die den Konflikt befrieden.

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Gut möglich ist ebenfalls, dass Bidens Israelpolitik eine persönliche ideologische Komponente hat. Schon als Senator setzte sich Biden mit Nachdruck für die Interessen des Landes ein. Aufgrund seines Alters könnte es ihm auch an Verständnis dafür fehlen, dass die US-Öffentlichkeit den Nahost-Konflikt inzwischen deutlich differenzierter betrachtet als noch vor wenigen Jahrzehnten. Netanjahu hingegen präferiert offensichtlich eine Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus und könnte darauf spekulieren, dass eine Eskalation des Kriegs die demokratische Wählerkoalition weiter auseinandertreibt.

Letztlich liegen die Gründe dafür, warum die USA weder willens noch in der Lage sind, den Konflikt im Nahen Osten zu entschärfen oder sogar zu befrieden gar nicht unbedingt in der Region selbst. Für die USA hat Nahost gegenüber dem Pazifikraum an Bedeutung verloren, seit sie zum Nettoölexporteur geworden sind. Das Verhalten der Biden-Regierung sollte auch unter dem Gesichtspunkt der allgemein verschärften Blockkonfrontation betrachtet werden. Obamas Atomabkommen mit dem Iran von 2015 bot ein wichtiges Argument, um Israel seitens der USA zur Mäßigung zu bewegen. Die israelische Rechte betrachtete es stets mit äußerstem Misstrauen, konnte sich in diesem Punkt aber nicht über den Willen der Schutzmacht hinwegsetzen.

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Möglich wurde das Abkommen jedoch nur durch die aktive Mitwirkung von Russland und China, die als ständige Mitglieder im UN-Sicherheitsrat auch zu den Unterzeichnern gehörten. Die geopolitische Situation hat sich derart zugespitzt, dass ein solches Abkommen heute praktisch unvorstellbar erscheint. Donald Trumps Entscheidung vom Oktober 2017, das Abkommen aufzukündigen, war nur eine von vielen Entwicklungen, die die Zunahme der geopolitischen Spannungen in diesen Jahren vorangetrieben haben.

Stellvertreterkriege bevorzugt

Hier zeigt sich im Übrigen auch, dass Trump keineswegs ein Mann des Friedens ist. Er und seine Anhänger haben in strategischen Einzelfragen andere Ansichten als die Demokraten, vor allem, was die Fortführung des Ukrainekriegs angeht. Dies gilt aber nicht im Hinblick auf den grundsätzlichen Anspruch der USA, dominierende Weltmacht zu bleiben und ihre »regelbasierte Weltordnung« gegen Staaten wie China, Russland und den Iran zu verteidigen. Trumps Doktrin des »Friedens durch Stärke« deutet an, dass er die weltweiten militärischen Kapazitäten der USA auszubauen gedenkt. Dass eine direkte Beteiligung von US-Streitkräften an Kampfhandlungen im Ausland inzwischen wahltaktisch riskant geworden ist, haben sowohl die Demokraten als auch die Republikaner verinnerlicht. Stellvertreterkriege sind – vielleicht mit der drohenden Ausnahme des Taiwan-Konflikts – derzeit das Mittel der Wahl in der US-Geopolitik.

So ist letztlich weder von einer Trump noch einer Harris-Regierung zu erwarten, dass sie den Konflikt im Nahen Osten befrieden oder auch nur abkühlen werden. Es fehlt einerseits der politische Wille, Israel in seiner Kriegsführung Einhalt zu gebieten, andererseits auch die geopolitischen Hebel, um langfristig tragfähige Friedenslösungen für die Region zu finden. Ohne die Kooperation von Russland und China ist es schier unmöglich, Angebote zu entwickeln, die für alle Konfliktparteien akzeptabel sind. Die Strategie, den Konflikt über den Kopf der Palästinenser hinweg nur mit Israel und US-Verbündeten in der Region wie Saudi-Arabien beilegen zu wollen, hat sich als fruchtlos erwiesen. In der derzeitigen Situation ist ein Weg zurück zur Kooperation etwa mit dem Iran mehr als steinig.

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