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Nord-Süd-Konflikt um Atommüll
Gorleben möchte nicht das Zwischenlager für ganz Deutschland werden
Mit einem kuriosen Vorschlag haben sich zwei Landräte aus Bayern in die Diskussion um die Lagerung von Atommüll in Deutschland eingemischt. Peter Dreier (Freie Wähler) und Hans Reichhart (CSU) verlangen, die derzeit in 16 Zwischenlagern befindlichen hochradioaktiven Abfälle zentral an einem Ort unterzubringen – und zwar im niedersächsischen Gorleben. Dreier ist Landrat im Kreis Landshut, Reichhart im Kreis Günzburg. Dort stehen jeweils ein abgeschaltetes Atomkraftwerk und ein Zwischenlager mit 88 beziehungsweise 127 Castorbehältern. Die Genehmigungen laufen 2046 und 2047 aus.
Dreier begründet seinen Vorstoß damit, dass in Gorleben bereits »in einer Milliarden-Investition« eine sogenannte Pilotkonditionierungsanlage (PKA) errichtet wurde. Diese ermögliche eine sichere Reparatur beschädigter Castorbehälter. Die bundeseigene Gesellschaft für Zwischenlagerung will die PKA allerdings abreißen, weil sie veraltet ist.
Neben diesen »technischen Gegebenheiten« verweist Dreier auch auf die Sicherheit: Ein einzelner Standort sei leichter zu überwachen und zu schützen als 16 verschiedene, die im gesamten Bundesgebiet verstreut lägen. »Angesichts der vielen Krisenherde der Welt dürfen wir die ohnehin begrenzten Kapazitäten der Bundeswehr nicht noch weiter strapazieren und die öffentliche Sicherheit gefährden«, betont der Landrat. Auch Amtskollege Reichhart weist darauf hin, »dass die Überwachung und Sicherung eines einzelnen Lagers in Gorleben wesentlich einfacher und effektiver wären als die gegenwärtige Verteilung auf 16 Standorte«.
Hintergrund des Vorstoßes ist, dass sich die Suche nach einem geeigneten Endlagerstandort hinzieht. Laut einem vom Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung beauftragten Gutachten dürfte frühestens im Jahr 2074 der Standort für eine dauerhafte Lagerstätte ermittelt sein – Jahrzehnte nach dem ursprünglich angedachten und gesetzlich festgeschriebenen Zeitpunkt 2031, wobei dieser zwischenzeitlich bereits auf 2046 und 2068 verlängert wurde. Bis ein Endlager dann auch gebaut und befüllt ist, werden weitere Jahrzehnte vergehen.
»Gorleben wird kein Standort für bayerischen Atommülltourismus.«
Christian Meyer Umweltminister von Niedersachsen
Atomkraftgegner im Wendland weisen die Vorschläge aus Bayern zurück: Der Vorstoß sei »eine Mischung aus Dreistigkeit und Unkenntnis der Lage in Gorleben«, sagt der Sprecher der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg, Wolfgang Ehmke. Alle Vorurteile würden bestätigt: »Ja zur Atomkraft, solange man kommunal daraus einen finanziellen Nutzen ziehen kann, aber dann weg mit dem Zeug«. Kommunen, auf deren Gebiet AKW standen, hätten in der Vergangenheit kräftig von den Gewerbesteuerzahlungen der Betreiber profitiert, erläutert Ehmke. Im Kreis Landshut liefen die Reaktoren Isar-1 und Isar-2, im Kreis Günzburg produzierten drei Blöcke des Meilers Gundremmingen Strom und große Mengen Atommüll.
Der BI-Sprecher weist ferner darauf hin, dass die Aufbewahrungsgenehmigung in Gorleben deutlich früher als in Bayern ausläuft, nämlich schon 2034. »Da könnten wir – im gleichen Stil wie die St.-Florianer Dreier und Reichhart – fordern, dass die in Gorleben lagernden 113 Behälter an die Ursprungs-AKW-Standorte zurücktransportiert werden.« Das wäre jedoch unverantwortlich – »wir drängen stattdessen auf deutlich höhere Sicherheitsstandards bei der Aufbewahrung des Atommülls, weil die Behälter nur noch einmal, und zwar in Richtung Endlager, transportiert werden sollen, um die Transportrisiken zu minimieren«. Im Übrigen sei in Gorleben nie ein AKW in Betrieb gewesen, so Ehmke: »Es ist nie Atommüll angefallen, der kommt von anderswo.«
Auch Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer, der am Montag das Wendland besuchte, erteilte dem Ansinnen aus Bayern eine klare Absage: »Es fehlt nicht nur der Platz, um alle Castoren aus Deutschland oberirdisch in Gorleben zu lagern, sondern es wäre auch völlig verantwortungslos«, sagte der Grünen-Politiker. »Ein Endlager in Bayern auszuschließen, neue Atomkraftwerke zu fordern und gleichzeitig den gesamten Müll nach Niedersachsen schicken zu wollen – dazu sage ich klar: Gorleben wird kein Standort für bayerischen Atommülltourismus.« Schon zuvor hatte Meyer betont, die Forderung aus Bayern sei »an Dreistigkeit und Unverschämtheit nicht zu überbieten«.
Susanne Gerstner, Landesvorsitzende des Umweltverbandes BUND in Niedersachsen, verlangte am Montag in Gorleben ein »wirksames Gesamtkonzept für die Zwischenlagerung«. Dieses müsse auf lange Zeiträume und wachsende Risiken ausgelegt sein sowie schnelle sicherheitstechnische Nachbesserungen beinhalten. Eine Studie des BUND hatte 2023 die unzureichende Sicherheit der deutschen Zwischenlager offengelegt. Keines der Lager ist demnach ausreichend vor Terror- oder Drohnenangriffen geschützt. Zudem fehlten dringend notwendige Reparatur- und Inspektionsmöglichkeiten für die Castorbehälter. Immerhin, so Gerstner, seien für das Zwischenlager Gorleben nun zusätzliche Mauern um das Gelände und Maßnahmen im Bereich der Zugänge vorgesehen. Ein Schutz gegen Angriffe aus der Luft fehle jedoch weiterhin. Mit Blick darauf sprach sich Minister Meyer am Montag für eine Flugverbotszone über dem Zwischenlager Gorleben aus.
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