BVG-Chef: Spätestens Ende 2027 funktioniert BVG wieder

Beim Fahrgastsprechtag gibt BVG-Chef Henrik Falk Wachstumsfantasien für die nächsten Jahre eine Absage

Das verknappte BVG-Angebot fällt an ohnehin schon belasteten Umsteigebahnhöfen wie der Friedrichstraße besonders ins Gewicht.
Das verknappte BVG-Angebot fällt an ohnehin schon belasteten Umsteigebahnhöfen wie der Friedrichstraße besonders ins Gewicht.

Der Saal im Betriebshof Lichtenberg ist gut gefüllt am Montagabend. Vor allem Männer, aber auch eine Handvoll Frauen wollen wissen, was die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) vorhaben. Der Berliner Fahrgastverband IGEB hat wie jedes Jahr zum Fahrgastsprechtag eingeladen. Vereinschef Christfried Tschepe zeigt sich erfreut, dass die BVG den Termin trotz der massiven Ausfälle im U-Bahn-Betrieb, die die Stadt bewegen, nicht abgesagt hat. Das hatte das Landesunternehmen in der Vergangenheit bereits anders gehandhabt.

»Man hat sich schlichtweg zu viel zur selben Zeit vorgenommen. Es wird eine Phase der Konsolidierung kommen müssen«, das bringt aus Sicht von BVG-Chef Henrik Falk auf den Punkt, wie es zu der aktuellen Lage beim Landesunternehmen gekommen ist. Die ist geprägt von einem allgemeinen Personalmangel und darüber hinaus von einem eklatanten Fahrzeugmangel bei der U-Bahn. Seit Jahren wird ein gekürzter Notfahrplan beim Bus gefahren, und in mehreren Wellen ist auch das Fahrplanangebot der U-Bahn gekürzt worden, zuletzt im September auf mehreren Linien.

»Es ist jetzt nicht so, dass in den letzten Jahren zu wenig Geld zur Verfügung stand«, sagt Falk und äußert damit auch Kritik an seinen Amtsvorgängerinnen. Entscheidend sei nun aber, »eine Umsetzungskraft und eine Organisation und eine Struktur hinzubekommen, die so eine seriöse Grundlage bildet, dass ich so stabil bin, dass ich dann auch weiter wachsen kann«.

Die Fahrzeuge aller Betriebszweige fuhren im Jahr 2023 zusammengenommen 136,4 Millionen Kilometer und damit 6,2 Prozent mehr als im Jahr 2014. Die Fahrgastzahl stieg in den zehn Jahren von knapp 978 Millionen auf 1,066 Milliarden – um neun Prozent. Besonders groß war der Personalaufbau um rund 3000 Köpfe auf über 16 000 von 2014 bis 2023, ein Plus von 23 Prozent.

»Daran können Sie mich messen: Wir müssen hier in zwei bis drei Jahren stabil sein.«

Henrik Falk BVG-Vorstandschef

»Daran können Sie mich messen: Wir müssen hier in zwei bis drei Jahren stabil sein«, sagt BVG-Chef Falk. Spätestens Ende 2027 will er das Landesunternehmen wieder fit für weiteres Wachstum gemacht haben. »Das beinhaltet eine ganze Menge von Punkten«, so Falk.

Da ist die Personalfrage. Rund 1500 Menschen müssen Jahr für Jahr neu eingestellt werden, allein um den aktuellen Personalstand zu halten. 2300 Beschäftigte haben laut Falk im Jahr 2023 bei der BVG neu angefangen. »So viel hat sie noch nie eingestellt. Also jedenfalls in den letzten 20, 30 Jahren«, so der Vorstandschef. 30 000 Bewerbungen seien dafür bearbeitet worden. Es geht Falk auch gerade im Fahrdienst darum, als Arbeitgeber flexibler zu werden, was Wünsche nach Teilzeitbeschäftigung betrifft.

»Das zweite Thema ist der Krankenstand.« Bei bis zu 15 und in Spitzen sogar 20 Prozent liegt der bei BVG-Beschäftigten. Damit liegt er auch deutlich über dem Durchschnitt der deutschen Verkehrsbetriebe von rund zehn Prozent. »Wenn ich krank bin, bin ich krank«, stellt er klar. Aber seit Corona hätten sich Gewohnheiten eingeschliffen, die es aufzubrechen gelte.

Großen Erneuerungsbedarf gibt es auch bei der digitalen Infrastruktur. Verschiedene, teils jahrzehntealte Systeme griffen oft mehr schlecht als recht ineinander. Die Fahrgäste merken das unter anderem bei der Fahrgastinformation. Die Displays an Bahnhöfen und Haltestellen zeigten daher oft Fahrten an, die gar nicht stattfinden. »Stand heute haben wir das wenigstens geschafft zu 99 Prozent auszumerzen«, sagt Falk. »Bei den App-Thematiken und bei der ganzen Digitalisierungs- und Fahrgastinformation müssen wir in den nächsten drei Jahren hier einen Quantensprung entdecken, das ist total klar«, unterstreicht er.

Und dann ist da der große Komplex Fahrzeuge und Infrastruktur. Bekanntlich kann Hersteller Stadler Rail wegen großer Probleme mit der Software bis heute keinen verbindlichen Inbetriebnahmetermin für die sehnlich erwarteten neuen U-Bahnen nennen. Henrik Falk macht klar, dass das Fiasko für Stadler teuer werden wird. »In der Diskussion sind wir nicht nur drin, sondern die werden wir auch ziehen«, sagt er zum Thema Vertragsstrafen.

»Das eigentliche Thema ist aber unter anderem, dass natürlich Werkstattkonzepte dranhängen, dass die Infrastruktur wieder dranhängt«, so der BVG-Chef. Wie berichtet, müssen alle U-Bahnwerkstätten erneuert und erweitert und auch der seit vielen Jahren gesperrte Waisentunnel, eine Betriebsverbindung zwischen U5 und U8, neu gebaut werden, um die neuen Fahrzeuge verlässlich in Betrieb zu halten. Allein für diese Maßnahmen werden Kosten von fast einer halben Milliarde Euro geschätzt.

Dazu kommen noch rund 3,5 Milliarden Euro für die neuen U-Bahnen und neue Straßenbahnwagen. Trotz des drastischen Sparkurses, den die schwarz-rote Koalition ab dem Haushalt 2025 einschlagen muss, seien diese Investitionen sichergestellt, erklärt der BVG-Chef.

Gebremst wurde hingegen der Ausbau der Elektrobusflotte. »Wir fokussieren uns jetzt in den nächsten zwei bis drei Jahren auf den Bau von zwei neuen Betriebshöfen, die eigentlich schon fertig sein sollten«, begründet das Henrik Falk. An der Säntisstraße in Marienfelde sowie im Bereich der Minna-Todenhagen-Brücke in Treptow-Köpenick sollen von vornherein auf Elektrobusse ausgelegte Betriebshöfe entstehen. »Meine Ur-Erfahrung aus Hamburg ist die, dass neue Betriebshöfe vor allem dazu führen, dass alle, die dort arbeiten, inklusive des Managements, mal ein Gefühl kriegen, wie neue Mobilität überhaupt gehen kann«, sagt er.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.