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Die Olympischen Ringe als Imageproblem
Alle japanische Topsponsoren beenden mit kritischen Tönen ihre Zusammenarbeit mit dem IOC
Vor neun Jahren war Akio Toyoda noch begeistert, die Olympischen Spiele zu sponsern. »Das Internationale Olympische Komitee hat das olympische Top-Sponsorenprogramm auf die Produktkategorie Mobilität ausgeweitet«, erklärte der Chef des japanischen Autobauers Toyota im Jahr 2015. »Und es bereitet mir große Freude, heute zu verkünden, dass Toyota ein Top-Partner in dieser neuen Mobilitätskategorie für die nächsten zehn Jahre wird.«
Konzernchef Toyoda hatte feierlich eine Pressekonferenz einberufen, an der auch Thomas Bach, der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), sowie hohe Offizielle aus Japans Sport und Politik teilnahmen. Auf kaum subtile Weise wollte man der Welt mitteilen: Mit seinem Olympia-Sponsoring habe der Autobauer sein Image als Premiummarke unterstrichen. Toyota, ohnehin ein weltweit führender Autobauer, war sehr stolz. Mittlerweile ist das offenbar ganz anders.
Anfang Oktober zitierte die Nachrichtenagentur »Associated Press« Akio Toyoda mit dieser Aussage über die Verantwortlichen des IOC: »Ehrlich gesagt bin ich mir nicht sicher, ob sie wirklich darauf bedacht sind, die Menschen in den Mittelpunkt zu stellen.« Weiter sagte er: »Für mich sollte es bei den Olympischen Spielen einfach darum gehen, Athleten aus allen Gesellschaftsschichten mit allen Arten von Herausforderungen dabei zuzusehen, wie sie ihr Unmögliches erreichen.«
Für die Aufnahme in den erlesenen Kreis der »Top-Sponsoren« – der Unternehmen, denen das IOC exklusive Werberechte mit den olympischen Ringen einräumt – soll Toyota seit 2015 rund 835 Millionen US-Dollar gezahlt haben. Vor kurzem aber hat der Konzern angekündigt, den Vertrag nicht mehr zu verlängern. Und damit ist das Unternehmen mittlerweile in guter Gesellschaft. Auch der Elektronikkonzern Panasonic und der Reifenhersteller Bridgestone wollen ihre Top-Partnerschaft mit dem IOC beenden.
Ein wichtiger Hintergrund, dass nun ausgerechnet drei japanische Weltmarken aus dem Olympia-Sponsoring aussteigen wollen, sind die Sommerspiele von Tokio 2021, die am Ende in Japan sehr unbeliebt waren. Das lag längst nicht nur daran, dass die Spiele pandemiebedingt um ein Jahr verschoben wurden und letztlich im Ausnahmezustand vor leeren Rängen stattfanden.
»Tokyo 2020« erfüllte diverse Versprechen nicht. Anders als von den Organisatoren behauptet, kosteten die Spiele die Steuerzahler viel Geld. Außerdem versank das Event in einem Korruptionssumpf. Mehrere Sponsoren und Organisatoren wurden verurteilt. Und obwohl Japan viele Medaillen holte, war nach Umfragen rund die Hälfe der Menschen im Land der Meinung, die Spiele hätten nie stattfinden sollen.
Für Sponsoren sei das ein Desaster, sagt Koichi Nakano, Politikprofessor an der Sophia-Universität in Tokio: »Beim IOC und bei den Olympischen Spielen bemerken zumindest in den Demokratien der Welt immer mehr Menschen, dass dieses Sportereignis nicht ganz so toll ist, wie es scheint«, schätzt er. »Wo immer Olympische Spiele stattfinden, gibt es später Skandale.«
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Trotzdem ließen sich die Veranstalter der Spiele kaum kontrollieren. »Das bringt nicht nur Regierungen in Schwierigkeiten, sondern auch Unternehmen, die die Bilder von Olympia für ihr eigenes Image nutzen wollen«, so Nakano. »Und Unternehmen aus Japan, wo die Gesellschaft misstrauischer geworden ist, müssen eben abwägen, ob sie sich Olympiasponsoring dann noch leisten können.«
Bisher sind die meisten Top-Sponsoren Konzerne aus liberalen Demokratien, von Visa aus den USA über Allianz aus Deutschland bis zu Samsung aus Südkorea. Mit Alibaba kam 2017 der erste chinesische Konzern dazu. Generell haben chinesische Unternehmen ihr Sportsponsoring zuletzt deutlich verstärkt. Ähnlich sieht es mit Saudi-Arabien aus, eine weitere Diktatur, die schwere Menschenrechtsverletzungen zu verantworten hat.
Nakano meint, einen Trend zu erkennen: »Chinesische Unternehmen wollen ihre Marken etablieren oder stärken. In Saudi-Arabien will man seine Reputation verbessern.« Insofern bestehe auch eine Asymmetrie: »Unternehmen wie Mercedes Benz oder Visa können von Olympiasponsoring wohl nicht mehr auf die gleiche Weise profitieren wie Betriebe aus diesen Ländern.«
Das IOC scheint diese Entwicklung bisher nicht zu beunruhigen. In einem gemeinsamen Statement zum Ausstieg von Panasonic zeigte sich IOC-Präsident Thomas Bach zwar enttäuscht, aber auch unbeeindruckt: »Das IOC versteht und respektiert völlig, dass die Panasonic-Gruppe ihre Geschäftsstrategie anpassen muss. (…) Daher endet diese Partnerschaft auf respektvolle und freundschaftliche Weise.«
So wäre Koichi Nakano nicht erstaunt, wenn in den nächsten Jahren weitere Konzerne aus demokratischen Ländern ihr Engagement für das IOC auslaufen lassen. Was allerdings nicht bedeutet, dass sie das Sportsponsoring gänzlich einstellen. Toyota hat etwa angekündigt, in Zukunft verstärkt individuelle Athletinnen und Athleten finanzieren zu wollen.
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