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Es fing mit einem Sommermärchen an

»Rechts, wo die Mitte ist« – ein Sammelband von Judith Goetz und Thorsten Mense spürt den Anfängen nach

Demonstration in Berlin für ein AfD-Verbot
Demonstration in Berlin für ein AfD-Verbot

Vor allem Linksliberale wie die Grünen inszenieren sich als starkes Bollwerk gegen die AfD und andere Rechte. Dabei wird immer betont, sie wollten die Demokratie gegen rechts verteidigen. Doch was wird wirklich verteidigt? Die kapitalistische Ordnung, die auf Ungleichheit, rassistischer und geschlechtsspezifischer Diskriminierung aufbaut und immer wieder rechte Parteien und Bewegungen hervorbringt. Davon sind die 21 Autor*innen in dem von Judith Goetz und Thorsten Mense herausgegebenen Sammelband überzeugt. »Rechts, wo die Mitte ist« – der Titel ist Programm.

Goetz und Mense benennen zwei Gründe für dieses Buch: »Zum einen finden wir, dass eine linke Analyse und Kritik der AfD und ihrer Entwicklung in den elf Jahren seit ihrer Gründung fehlen.« Und ihren Anspruch an eine materialistische Kritik der Rechtsentwicklung begründen sie wie folgt: »Für uns bedeutet das, die AfD als Teil einer gesamtgesellschaftlichen autoritären Entwicklung zu begreifen und nicht die bürgerliche Demokratie vor der AfD retten zu wollen, sondern die Partei vielmehr als Ausdruck der sich zuspitzenden und krisenhaften Verhältnisse anzusehen.« Für sie ist die AfD nicht der Widerpart, sondern ein Spross der sogenannten Mitte. Daher genügt den Autor*innen nicht moralische Kritik an den Rechten, sie beschreiben den autoritären Staatsbau im Spätkapitalismus.

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Es braucht keine AfD, um den Zugang zur Festung Europa immer undurchdringlicher zu machen. Wenn die FDP ein Programm vorstellt, das Geflüchteten nur Brot, Bett und Seife anbietet, damit sie rasch wieder ausreisen, dann unterscheidet sie sich kaum noch von der AfD. Mense zeigt auf, wie beim »Sommermärchen« der Fußballweltmeisterschaft 2006 ganz staatsoffiziell deutscher Nationalismus gefeiert wurde. Wer es wagt, hierin bereits einen Nährboden für den Aufstieg der AfD zu sehen, muss mit einem Shitstorm rechnen. Das musste in diesem Sommer anlässlich der Fußball-Europameisterschaft der Antisemitismusforscher Clemens Heni erfahren.

Daniel Keil setzt sich kritisch mit dem Konzept der freiheitlich-demokratischen Grundordnung auseinander, das häufig als effektive Waffe gegen die AfD gepriesen wird. Dabei handelt es sich um eine Vorverlagerung des politischen Strafrechts, das immer wieder auch gegen Linke angewendet wird, schreibt Daniel Keil. Steve Hummel wiederum kritisiert die Liebe auch mancher Linken zum Verfassungsschutz, wenn der sich auch mal gegen rechts wendet: »Die Aufgabe des Verfassungsschutzes besteht in der Aufrechterhaltung der aktuellen parlamentarischen Demokratie. Vorstellungen, die progressiv über diese hinausweisen, geraten dabei potenziell genauso in den Blickwinkel wie Menschenfeinde von rechts. Damit werden Herrschaftsmechanismen stabilisiert und der Blick für Perspektiven jenseits von Staat und Kapital eingeschränkt beziehungsweise verunmöglicht.«

Der Publizist Max Czollek erinnert an die Rede von Martin Walser bei der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 1998 in der Frankfurter Paulskirche. Der Schriftsteller kritisierte das Holocaust-Denkmal als »Betonierung des Zentrums der Hauptstadt mit einem fußballfeldgroßen Alptraum. Die Monumentalisierung der Schande.« Darauf gab es riesigen Applaus von den versammelten Stützen der Gesellschaft. Lediglich der damalige Vorsitzende des Zentralrats der Juden Ignatz Bubis und seine Frau schauten bedrückt drein. Daran konnte AfD-Rechtsaußen Björn Höcke anknüpfen, als er 2017 in einer Rede vom »Mahnmal der Schande« schwadronierte. Die Botschaft des Bandes ist klar: Wer von der AfD redet, darf vom Rest Deutschlands nicht schweigen.

Judith Goetz/Thorsten Mense (Hg.): Rechts, wo die Mitte ist. Unrast, 320 S., br., 19,80 €.

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