»Massives antigewerkschaftliches Klima«

Gewerkschafter Jorge Acosta über Verstöße gegen Arbeitsrechte auf Ecuadors Bananenplantagen

  • Interview: Knut Henkel
  • Lesedauer: 5 Min.
Ecuador ist wichtigster Exporteur von Bananen.
Ecuador ist wichtigster Exporteur von Bananen.

Herr Acosta, kürzlich nahm der Direktor der Vereinigung der Bananenexporteure Ecuadors, José Antonio Hidalgo, an einer Nachhaltigkeitskonferenz in Hamburg teil. Werden Bananen in Ihrem Land denn auch nachhaltig produziert?

Ja, allerdings vor allem von kleinen Produzenten. Große, die in der AEBE organisiert sind, produzieren in erster Linie konventionelle Bananen, bei deren Anbau Pestizide en gros eingesetzt und die Arbeitsrechte systematisch verletzt werden. In Ecuador herrscht ein massives antigewerkschaftliches Klima, das gilt für internationale Konzerne wie Dole, aber auch für nationale Konzerne wie Noboa. Beide Konzerne exportieren Bananen in großem Stil aus Ecuador in alle Welt – auch nach Deutschland.

Sie sind wieder einmal in Berlin, um Ihre gewerkschaftliche Arbeit mit Verdi und der Hilfsorganisation Oxfam zu koordinieren, aber auch, um Beschwerden im Rahmen des Lieferkettengesetzes vorzubringen.

Ja, wir haben Beschwerden im Kontext des Lieferkettengesetzes gegen Rewe und Edeka vorgebracht, die Bananen von zwei Betrieben importieren, die nachweislich für Verstöße gegen die Arbeitsrechte verantwortlich sind: Otisgraf und Megabaano, ein Unternehmen des Dole-Konzerns.

Interview

Jorge Acosta (64) ist Koordinator der Branchengewerkschaft ASTAC, die in Ecuador Erntearbeiter vor allem aus dem Bananensektor des Landes zu organisieren versucht. Sie steht unter permanentem Druck der Plantagen-Unternehmen.

Gibt es vor Ort Reaktionen darauf? Und hat sich die Lage auf den Plantagen von Otisgraf und Megabanano bereits verbessert?

Ja, vor allem bei Otisgraf erhalten die Arbeiter*innen nach unseren Beschwerden und den vorgelegten Beweisen für die extreme Ausbeutung nun höhere Löhne. Zuvor hatte viele der Arbeiter*innen Verträge als Halbtagskräfte erhalten, arbeiteten jedoch in Vollzeit und oft mit Überstunden bis zu 20 Stunden wöchentlich. Sie wurden hemmungslos ausgebeutet. Das ist vorbei – statt 200 erhalten sie nun 600 US-Dollar im Monat. An diesem Punkt waren unsere Beschwerden erfolgreich. Das heißt aber nicht, dass alle Missstände bei Otisgraf abgestellt sind. Das Unternehmen akzeptiert unsere Aktivist*innen nicht und spricht nicht mit uns.

Welche Rolle spielen dabei die internationalen Zertifizierungsunternehmen wie die Rainforest Alliance. Gibt es einen kontinuierlichen Austausch mit denen?

Nein, und das ist ein Defizit, weshalb wir die Aussagekraft der Zertifizierungen in Zweifel ziehen. Es sind die Arbeiter*innen, die die Bedingungen auf den Plantagen am besten kennen – nicht mit ihnen zu sprechen, vor allem nicht mit den organisierten, ist ein elementarer Fehler von Rainforest Alliance und anderen zertifizierenden Unternehmen.

Welche Rolle spielt in diesem Kontext das deutsche Lieferkettengesetz?

Eine zentrale, denn dieses Gesetz sorgt dafür, dass wir hier in Deutschland, wo die Bananen konsumiert werden, auf Arbeitsrechtsverstöße aufmerksam machen können und dass dem nachgegangen wird. Das ist ein immenser Fortschritt angesichts einer Justiz in Ecuador, die nur partiell unabhängig ist und oft im Interesse der Unternehmen agiert. Das Lieferkettengesetz liefert uns die Handhabe, hier vor Ort zu agieren, und wir hoffen, dass es dabei bleiben und das Gesetz nicht gestrichen wird, was einigen Gerüchten zufolge drohen könnte.

Wie ist die Situation der ersten Branchengewerkschaft Ecuadors derzeit? Wird ASTAC vom Staat nach langem Rechtsstreit auch formal anerkannt?

Jein, denn es läuft noch ein Prozess vor dem Verfassungsgericht, das definieren muss, ob eine Branchengewerkschaft verfassungskonform ist. Die Entscheidung steht noch aus und die Klage hat die Regierung eingereicht. Die erschwert unsere Arbeit jedoch deutlich weniger, als es in der Vergangenheit der Fall war.

In Ecuador findet ein offener Konflikt zwischen Kartellen und den staatlichen Institutionen statt, der vor allem in der Küstenregion viele Menschenleben kostet. Dort befinden sich aber auch die drei wichtigsten Bananen-Anbauregionen. Was hat das für Auswirkungen?

Es hat Morddrohungen und Anschläge auf ASTAC-Einrichtungen gegeben – wir sind direkt betroffen von diesem Konflikt, wie die ganze Zivilgesellschaft. Sorgen macht uns jedoch, dass uns in den Morddrohungen geraten wurde, die Bananen-Unternehmen nicht weiter zu belästigen. Das wirft die Frage auf, ob es Kartelle gibt, die mit Bananen-Unternehmen zusammen agieren.

Was sagen die Unternehmer und die AEBE dazu?

Ich habe nichts gehört. Das ist vielsagend.

Wie viele organisierte Mitglieder hat ASTAC derzeit?

Wir haben zwischen 3500 und 5000 Mitglieder beiderlei Geschlechts. Wir sind in acht Provinzen, darunter den drei großen Bananen-Anbaugebieten Guayas, Los Ríos und El Oro, aktiv. Das sind große Entfernungen, was unsere Arbeit erschwert. Es kommt immer wieder zu Entlassungen, weil sich Arbeiter*innen organisieren. Daher variieren die Zahlen, und wir haben in aller Regel auch keinen Zugang zu den Plantagen, treffen uns zum Schutz der organisierten Arbeiter*innen undercover, in Cafés, am Straßenrand, nahe ihres Wohnorts.

Seit November 2023 amtiert in Ecuador mit Daniel Noboa ein Präsident, dessen Vater das größte Bananen-Unternehmen des Landes aufgebaut hat. Sehen Sie Interessenskonflikte?

Ja, ich denke, dass es eine ganze Reihe von Fällen gibt, wo er für die Interessen der Familie aktiv ist. Nur ein Beispiel: Daniel Noboa hat sich mehrfach für die Flexibilisierung der Arbeitsverträge ausgesprochen. Für uns ein klarer Verstoß gegen gewerkschaftliche Grundrechte, die in den letzten 50 Jahren erkämpft wurden – wie der Acht-Stunden-Arbeitstag. Dagegen hat sich die Bevölkerung zuletzt in einem Referendum im April ausgesprochen. Doch das heißt noch lange nicht, dass er das akzeptiert. So weit ich weiß, hat er von der Forderung nicht Abstand genommen.

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