Keine Schonfrist

Wolfgang Hübner über den Linke-Parteitag in Halle

Was der von der Linken in Halle zelebrierte Aufbruch wert ist, muss sich im politischen Alltag zeigen.
Was der von der Linken in Halle zelebrierte Aufbruch wert ist, muss sich im politischen Alltag zeigen.

Die Linke hat ihren Parteitag von Halle ermutigt und optimistisch abgeschlossen – das ist eine Nachricht, weil es nicht selbstverständlich ist. Denn es wären auch andere Szenarien denkbar gewesen. Allein mit den Stichworten Nahost-Krieg und Antisemitismus ist so viel Konfliktpotenzial verbunden, dass es den Parteitag hätte sprengen können. Wobei keineswegs sicher ist, dass der mühsam herbeigeführte Kompromissbeschluss den offenen Streit beendet. Die Diskussion sowieso nicht.

Dieser Parteitag war eine Etappe im Kampf der Linken um ihr Überleben als bundesweit relevante politische Kraft. Das ist keineswegs übertrieben, denn die Lage ist weiter dramatisch, auch wenn nun erst einmal wieder alle bessere Laune haben. Aber Parteitage sind nur bedingt ein Gradmesser für den Stand der Dinge. Auch nach dem Parteitag in Augsburg vor fast einem Jahr ging man guter Dinge und in dem Gefühle auseinander, das Schlimmste sei überstanden. Das war ein Irrtum, die Talsohle kam erst noch.

Dort steckt Die Linke immer noch, zumindest wenn man sich Wahlergebnisse und Umfragewerte ansieht. Wenn sie aus ihrer Parteitagsblase zurückkehrt, die einem Motivationsseminar glich, wird sich zeigen, was der Aufbruch wert ist. Die Linke ist zumindest vorerst wieder von sich selbst überzeugt; jetzt muss sie all die anderen überzeugen, die sie bei den letzten Wahlen in alle Richtungen massiv verloren hat. Über die Gründe ist weiter nachzudenken; allein der Satz »Wir haben verstanden, wir machen die Dinge jetzt anders« zeigt an, dass da in jüngerer Vergangenheit einiges schief gelaufen ist. Was genau, dazu war in Halle jedoch herzlich wenig Konkretes zu hören. Wenn jetzt viel von Erneuerung gesprochen wird, dann müsste deutlich werden, was die erneuerte Partei von der alten unterscheiden soll.

Viel wird auch davon abhängen, ob die neuen Vorsitzenden akzeptiert und unterstützt werden. Zumal mit Ines Schwerdtner eine politische Seiteneinsteigerin an der Spitze der Partei steht. Sie und Jan van Aken sind zum Erfolg verpflichtet, denn bis zur Bundestagswahl bleibt nicht einmal ein Jahr. Verdammt wenig Zeit, verlorenes Terrain zurückzuerkämpfen. Alle wissen, was bei dieser Wahl auf dem Spiel steht. Eine Schonfrist wird es nicht geben.

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