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Totaler Blackout auf Kuba

Kubas Probleme mit der Stromversorgung haben sich über die Sommermonate erneut verschärft

  • Andreas Knobloch
  • Lesedauer: 5 Min.
Menschen stehen am Meeresufer in Kuba, während die Gebäude unbeleuchtet sind. Das Stromnetz ist landesweit komplett zusammengebrochen.
Menschen stehen am Meeresufer in Kuba, während die Gebäude unbeleuchtet sind. Das Stromnetz ist landesweit komplett zusammengebrochen.

»Ich suche einen Stromgenerator«, schreibt ein Nutzer. Ein anderer erkundigt sich nach den Einfuhrbestimmungen für Notstromaggregate. Posts wie diese finden sich immer häufiger in kubanischen Whatsapp-Gruppen. Denn Kubas Probleme mit der Stromversorgung haben sich über die Sommermonate erneut verschärft. Zuletzt konnte nur noch etwas mehr als die Hälfte des benötigten Stroms erzeugt werden. Die Folge: bis zu 20 Stunden lange Stromausfälle in einigen Teilen des Landes.

Am Freitag dann der Super-Gau: Nachdem das thermoelektrische Kraftwerk »Antonio Guiteras« in der westlichen Provinz Matanzas, das wichtigste des Landes, Freitagvormittag »unvorhergesehen« vom Netz ging, brach die Stromversorgung der Insel komplett zusammen. Dieses und andere, noch aus Sowjetzeiten stammende Wärmekraftwerke sind für einen Großteil der Stromerzeugung im Land verantwortlich. Hinzu kommen kleinere Gaskraftwerke und dezentrale Diesel- und Heizölmotoren.

Brennstoffe nicht verfügbar

Der Komplettausfall des Netzes ist laut den Behörden im Wesentlichen auf ein Ungleichgewicht der Spannung und den daraus resultierenden Frequenzabfall zurückzuführen. »Der Ausfall des Stromnetzes wurde durch die Nichtverfügbarkeit von 900 Megawatt (MW) an Brennstoffen verursacht, was das System in einen wirklich schwachen Zustand versetzte«, erklärte der für das Stromnetz zuständige Direktor des Energieministeriums, Lázaro Guerra Hernández. Die normale Erzeugungskapazität Kubas liegt bei rund 3000 MW. »Im Gegensatz zu früheren Fällen sind jetzt weniger Brennstoffe verfügbar«, erklärte Guerra. Die Situation werde sich aber »allmählich erholen«.

Das öffentliche Leben in der Hauptstadt Havanna kam nach dem Blackout fast vollständig zum Erliegen: Schulen blieben geschlossen, die Straßen in der Nacht dunkel. Nur Krankenhäuser, Hotels und einige Privatrestaurants hielten mit Generatoren ihren Betrieb aufrecht.

Regierung drosselt Wirtschaft

Der Komplettausfall passierte nur wenige Stunden nach Ausrufung des »Energienotstands« durch die Regierung. Erst am Donnerstagabend war Premierminister Manuel Marrero Cruz im Fernsehen aufgetreten, um die Bevölkerung über die schwierige Energiesituation zu informieren. Laut Marrero ist der Brennstoffmangel der wichtigste Faktor für das Energiedefizit. Hinzu kommen der Zustand der Infrastruktur und der Anstieg der Nachfrage.

Die Regierung kündigte an, die wirtschaftlichen Aktivitäten zu drosseln, um die Auswirkungen auf Privathaushalte »zu minimieren«. »Alle nicht lebensnotwendigen Dienste, die Energiekosten verursachen, werden eingestellt«, hieß es. Das umfasst die Aussetzung aller kulturellen Aktivitäten; nur lebenswichtige Einrichtungen, wie Krankenhäuser und Betriebe zur Lebensmittelverarbeitung, werden in Betrieb gehalten. Der Unterricht auf allen Bildungsebenen wird ausgesetzt; Staatsbedienstete werden nach Hause geschickt.

»Der Ausfall des Stromnetzes wurde durch die Nichtverfügbarkeit von 900 Megawatt (MW) an Brennstoffen verursacht, was das System in einen wirklich schwachen Zustand versetzte.«

Lázaro Guerra Hernández Energieministerium

Erst vor wenigen Wochen war bereits Kubas Energieminister Vicente de la O Levy in einer Sondersendung aufgetreten. Die Erzeugungskapazität sei durch die technische Stilllegung jahrzehntealter Kraftwerke sowie Ausfälle und Havarien eingeschränkt, erklärte er. Es fehle zudem an Mitteln für Wartung und Investitionen und für die Beschaffung von Brennstoff. Partner wie Venezuela, Russland oder Mexiko haben ihre Lieferungen reduziert. Ein Großteil der Brennstoffe muss teuer auf dem Weltmarkt eingekauft werden – für das notorisch klamme Kuba nur schwer zu stemmen.

Hinzu kommen die Sanktionen im Rahmen der US-Blockade. Die Listung Kubas als »Terror unterstützender Staat« durch die US-Regierung macht internationale Finanztransaktionen nahezu unmöglich. Kubas Präsident Miguel Díaz Canel erklärte die »Verschärfung des US-Wirtschaftskriegs« zur Hauptursache für den »Energienotstand«. In den sozialen Medien hält die Bevölkerung aber vor allem die eigene Regierung für verantwortlich. Einige machen mit wüsten Kommentaren ihrem Unmut Luft, andere reagieren mit Galgenhumor.

Versuche zur Wiederherstellung des Stromnetzes

Derweil liefen am Freitag und Samstag die Arbeiten zur Wiederherstellung des Stromnetzes. In den einzelnen Provinzen wurden Mikrosysteme hergestellt, dezentrale Stromkreise, über die später die Großkraftwerke wieder gestartet werden können. Inzwischen hat sich das Kraftwerk »Antonio Guiteras« in der Nacht erfolgreich mit dem lokalen Mikrosystem verbunden, doch im Westen Kubas gibt es weiterhin in weiten Teilen keinen Strom. Seit Freitagabend entlade ein Schiff im Hafen Mariel Treibstoff, erklärte das Energieministerium.

»Wir haben auch ein Schiff in Havanna, das aufgrund der Wetterbedingungen nicht einlaufen konnte und das den Treibstoff für die beiden schwimmenden Kraftwerke in Havanna sicherstellen wird: 200 MW und 56 MW.« Im Hafen von Havanna liegende türkische Kraftwerksschiffe sichern mittlerweile einen beträchtlichen Teil der kubanischen Stromversorgung. Aber auch sie benötigen Brennstoff.

Ausbau erenuerbarer Energien geplant

Mittel- und langfristig setzt Kuba auf den Ausbau erneuerbarer Energien. Laut dem Nationalen Entwicklungsplan soll der Anteil erneuerbarer Energien an der Energiematrix Kubas bis 2030 von derzeit fünf auf 37 Prozent und danach schrittweise auf 100 Prozent ausgebaut werden. In seinem TV-Auftritt verwies Minister De la O Levy auf ein laufendes Investitionsprojekt – wohl mit chinesischer Unterstützung – für die Errichtung von 92 Solarparks mit einer Gesamtkapazität von 2000 MW Stromerzeugung bis 2028.

Am Samstagabend verfügten knapp 22 Prozent der Insel wieder über Strom. Die Nacht und der frühe Morgen seien »entscheidend für die Erhöhung der Erzeugungskapazität, die Stromabdeckung und die Möglichkeit der Zusammenschaltung von Mikrosystemen«, hieß es. Die Teilnetze im Osten und Zentrum des Landes zeigten sich stabil.

Das westliche Teilnetz aber brach am Samstagabend kurz nach zehn erneut zusammen. Zu diesem Zeitpunkt waren Teile Havannas bereits mehr als 36 Stunden ohne Strom. Und während am Sonntag weiter fieberhaft an der vollständigen Wiederherstellung des Netzes gearbeitet wurde, braute sich vor der Nordostküste Kubas mit Hurrikan Oskar die nächste Herausforderung für die Insel zusammen.

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