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Konferenz in Kolumbien: »Es braucht mehr Schutz für Aktivisten«
Holmer Pérez von der Kleinbauernorganisation Ascamcat über gefährdete Biodiversität im Gastgeberland
Herr Pérez, Kolumbien zählt zu den Ländern mit der größten Artenvielfalt weltweit. Sie vertreten die Bauernorganisation Ascamcat aus Catatumbo. Was tun Sie dort für die Biodiversität und wie gefährlich ist Ihre Arbeit?
Unsere Kleinbauernorganisation hat rund 6000 Menschen hinter sich und tritt seit 2005 für die Menschen- und Umweltrechte in einer der gefährlichsten Regionen Kolumbiens ein. Catatumbo liegt ganz im Nordwesten oberhalb der Grenzstadt Cúcuta und ist aufgrund der dort nachgewiesenen Kohlevorkommen, der Nähe zur Grenze und der Biodiversität ein überaus umkämpftes Gebiet. Die ELN-Guerilla, mit der die Regierung gerade den Waffenstillstand beendet hat, aber auch abtrünnige Einheiten der 2016 aufgelösten FARC-Guerilla sind dort aktiv – hinzu kommen kriminellen Banden und die Armee als bewaffnete Akteure.
Wie wirkt sich das aus?
Soziale Aktivist*innen genauso wie Umweltaktivist*innen leben in permanenter Unsicherheit. Ein Beispiel: Vor ein paar Tagen wurde eine Walze gestohlen, die zur Reparatur einer wichtigen Straße im Einsatz war. Für uns ist das ein Drama, denn die öffentlichen Wege sind in schlechtem Zustand und wir hoffen auf Verbesserung. Bisher ist nicht klar, welche bewaffnete Gruppe dafür verantwortlich ist. Klar ist jedoch, dass unter der Aktion die Zivilgesellschaft leidet.
Holmer Pérez, 40 Jahre, ist Präsident der Kleinbäuer*innen-Organisation Ascamcat und bewirtschaftet gemeinsam mit seiner Familie eine zwölf Hektar große Farm. Mit ihm sprach Knut Henkel.
Ascamcat engagiert sich für die Rechte von Kleinbauern, für den Umweltschutz und gegen große Minenprojekte. Gibt es Unterstützung von der Regierung?
Verbal ja, in der Realität hat sich wenig geändert. Catatumbo ist eine Region, die vom illegalen Anbau von Kokablättern, vom Schmuggel und vom illegalen Bergbau lebt. Es gibt riesige Kohlevorkommen, die aus der Perspektive vieler Kleinbauern, aber auch der indigenen Völker der Region unter der Erde bleiben sollen. Das ist auch im Interesse der kolumbianischen Regierung, die weg will von fossilen Energieträgern hin zu regenerativen Energieträgern wie Sonne oder Wind, aber dafür zu wenig tut.
Gibt es dafür konkrete Planungen?
Auf dem Papier ja, aber es fehlt bisher an den Finanzmitteln, um die Reformen und die Investitionen in die Infrastruktur zu realisieren. Da wünschen wir uns mehr politischen Willen der Regierung.
Ascamcat kämpft für ein bäuerliches Schutzgebiet. Warum ist dieses nötig?
Es geht darum, ein Gebiet mit großer Artenvielfalt zu schützen und dort nur eine nachhaltige, kleinbäuerliche Nutzung zu erlauben. Derartige Schutzgebiete braucht es in mehreren Regionen des Landes. Unter der Regierung von Gustavo Petro sind vier oder fünf neue Schutzgebiete dazugekommen – allerdings eben nicht in Catatumbo.
Mindestens 16 Mitglieder ihrer Organisation sind in den letzten Jahren ermordet worden. Kolumbienweit waren es allein 2023 laut »Global Witness« mindestens 79 Landrechts- und Umweltaktivist*innen. Was muss sich ändern?
Es ist offensichtlich, dass wir mehr Schutz für Umwelt-, Landrechts- und Menschenrechtsaktivist*innen benötigen. Natürlich hoffen wir, dass auf der Weltbiodiversitätskonferenz in Cali auch dies thematisiert wird. Wir brauchen mehr Unterstützung, und derzeit macht uns das Wiedererstarken der Paramilitärs im Norden Kolumbiens große Sorgen. Wir hoffen, dass sie nicht erneut in Catatumbo auftauchen und die Situation dort noch unübersichtlicher machen.
Was verbinden Sie mit der Konferenz – was kann sie Kolumbien bringen?
Die Konferenz findet unter enormem Sicherheitsaufwand statt, denn die Regionen rund um Cali sind von den bewaffneten Konflikten geprägt. Ich hoffe, dass die Konferenz Zeichen setzen wird: gegen den Klimawandel, der uns alle bedroht, und für den Erhalt der Artenvielfalt und der Amazonasregion, die für das weltweite Gleichgewicht so wichtig ist.
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