Die Kuh an sich ist kein Klimakiller

Report: Der Agrarsektor wird politisch schöngefärbt. Reduktion von Tierzahlen und Milchkonsum erforderlich

Nur knapp 31 Prozent der Kühe in der Milchwirtschaft sind die Sommermonate über auf einer Weide.
Nur knapp 31 Prozent der Kühe in der Milchwirtschaft sind die Sommermonate über auf einer Weide.

Deutschland erzeugt 32 bis 33 Millionen Tonnen Milch jährlich. Allerdings wird weniger Milch getrunken. Laut dem Bundesinformationszentrum Landwirtschaft sank der Pro-Kopf-Verbrauch sogenannter Konsummilch 2023 auf unter 46 Kilogramm – ein neues Rekordtief.

Schuld daran ist auch der zunehmende Absatz pflanzlicher Milchalternativen, ein klimapolitisch guter Trend. Die Herstellung eines Liters Hafer- oder Sojamilch verursacht nur 0,3 bis 0,4 Kilogramm CO2. Kuhmilch übertrifft das um ein Mehrfaches – je nachdem, wo und wie die Kühe weiden und womit sie gefüttert werden. Das zeigt ein am Dienstag veröffentlichter Report der Verbraucherorganisation Foodwatch und des tierhaltungskritischen Vereins Faba Konzepte.

Demnach entstehen für einen Liter Kuhmilch bei normaler Weidehaltung 0,9 bis 1,1 Kilo CO2, eingerechnet darin sind die Effekte der Klimagase Methan und Lachgas, die in Agraremissionen eine entscheidende Rolle spielen. Werden Kühe auf entwässerten Mooren gehalten oder stammt das Futter von dort, kann die Emissionslast eines Liters Milch auf 1,4 Kilo CO2 steigen. Wird das Futter fürs Rind importiert und werden dafür zum Beispiel anderswo Wälder abgeholzt, kann der Liter Milch auch mehr als 3 Kilo CO2 verursachen.

Mooremissionen »vergessen«

Dennoch werde der Agrarsektor klimapolitisch schöngefärbt, kritisiert der Foodwatch-Report. Nicht allein weil die Mooremissionen oft »vergessen« werden – mit Konzepten wie »Klimamilch« oder »Net Zero Farms« werde versucht, das Image der Milchproduktion zu verbessern und ihre negativen Auswirkungen zu verharmlosen.

So suggeriere die Milchlobby, die Kühe würden auf grünen Wiesen grasen und die Nutzung dieser Flächen sei aktiver Umwelt- und Klimaschutz. In der Realität kämen aber nur knapp 31 Prozent der Kühe in der Milchwirtschaft die Sommermonate über auf eine Weide.

Auch sei der Anteil der Milchkühe, die in einem Vollweidesystem produzieren, seit Jahren rückläufig und liege inzwischen deutlich unter zehn Prozent. Der Großteil des Futters für die Kühe stamme vom Acker. Alles in allem zeigt die Foodwatch-Analyse: Nicht die Kuh an sich ist ein Klimakiller, es sind vor allem die industriellen und wenig nachhaltigen Methoden, nach denen die Tiere im Agrarbusiness genutzt werden.

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Foodwatch und Faba Konzepte fordern entsprechend eine schnelle Reduktion von Tierzahlen und Milchkonsum. Die Zahl der 3,67 Millionen Milchkühe in Deutschland müsse in kurzer Zeit zumindest halbiert werden. Würden Milchprodukte hierzulande durch Alternativen aus Soja, Kichererbsen und Linsen mit gleichem Eiweißgehalt ersetzt und die dann frei werdenden Flächen renaturiert, könnten 30 bis über 80 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden.

Alternativen zur Rinderhaltung

Die Vereine gehen mit ihren Forderungen über eine Maxime hinaus, die unter anderem von Greenpeace aufgestellt wurde. Danach sollten Landwirte nur noch so viele Tiere halten, dass sie ihr Futter auf eigenem Grünland erzeugen können. Zwar würde sich mit diesem Grünland-Szenario die erzeugte Milchmenge mehr als halbieren, erklärt Autorin Friederike Schmitz von Faba Konzepte auf Nachfrage. Aus Klimasicht sei das aber nicht unbedingt die sinnvollste Variante. Denn zur Nutzung durch Rinderhaltung gebe es künftig umwelt- und klimafreundlichere Alternativen wie die Umwandlung in Naturschutzflächen oder die Aufforstung.

Der Report plädiert zudem für eine klimafreundliche Preisbildung. Fleisch- und Milchprodukte sollten teurer werden, um Umweltschäden zu berücksichtigen – pflanzliche Nahrungsmittel dagegen günstiger. Eine pflanzenbasierte Ernährung könnte als Standard in der Gemeinschaftsverpflegung in Schulen, öffentlichen Kantinen oder Krankenhäusern als Norm etabliert werden, tierische Produkte sollten als alternative Wahl im Angebot bleiben. Generell gehe es zum Schutz des Klimas darum, dass die Landwirtschaft schneller zu einer CO2-Senke werden müsse.

Dass die Politik die Forderungen aufgreift, ist nicht nur wegen der starken Agrarlobby in Deutschland wenig wahrscheinlich. Denn der Agrarsektor wird sein gesetzliches Klimaziel für 2030 von einer Reduktion auf 56 Millionen Tonnen CO2 locker einhalten.

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