Volkswagen will laut Betriebsrat Werke schließen

Vor nächster Tarifverhandlungsrunde werden Sparpläne bei VW konkreter. IG Metall mobilisiert dagegen

  • Stephan Krull
  • Lesedauer: 5 Min.
Tausende Beschäftigte bei VW bangen um ihre Jobs und Löhne.
Tausende Beschäftigte bei VW bangen um ihre Jobs und Löhne.

Am Montag platzte die Bombe: Der VW-Konzern will laut Betriebsratschefin Daniela Cavallo drei Werke schließen, besonders gefährdet ist das Werk in Osnabrück. Neben einem massiven Personalabbau drohten zudem Entgeltverluste »in Richtung 20 Prozent«, wie es in einer betriebsinternen Mitteilung heißt, die »nd« vorliegt. Das sei »kein Säbelrasseln in der Haustarifrunde«, warnt der Betriebsrat. Als »Kampfansage von historischem Ausmaß« bezeichnet er das Vorgehen des Managements.

Anfang September hatte der Vorstand den Weg für mögliche Werksschließungen und Massenentlassungen freigemacht. Der Haustarifvertrag, der für über 100.000 Beschäftigte in den Werken von VW in Wolfsburg, Braunschweig, Salzgitter, Kassel, Hannover und Emden gilt, wurde gekündigt. Ähnliche ebenfalls gekündigte Verträge gibt es für die Standorte in Zwickau, Chemnitz, Dresden und Osnabrück. Am Mittwoch gehen die Verhandlungen über neue Verträge in die zweite Runde.

Ein historischer Tabubruch im Konzern. Der Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen und die unbefristete Übernahme von ausgebildeten jungen Menschen sind seit 1994 vertraglich abgesichert. Ebenfalls gekündigt wurde eine Vereinbarung zur übertariflichen Vergütung hochqualifizierter Expert*innen und die Aufzahlung für Leiharbeiter*innen.

Erstmals seit mehr als 30 Jahren werden durch Androhung von Lohnkürzungen, Massenentlassungen und Werksschließungen wieder Abstiegs- und Existenzängste unter den Arbeiter*innen verbreitet. Die Spaltung der Belegschaften innerhalb der Werke und zwischen den Werken ist im Vorgehen des Managements angelegt und wohl beabsichtigt.

Die Beschäftigten reagierten wütend auf diesen Tabubruch und unterstützten bei Betriebsversammlungen und ersten Kundgebungen den Betriebsrat und die IG Metall. Dort riefen sie in Richtung des Managements: »Wir sind Volkswagen – ihr seid es nicht!«

Auf die Bedeutung von Solidarität weist die IG Metall hin. »Arbeitgeber, Unternehmensverbände und Betriebsspitzen versuchen landauf, landab einen Keil in die Belegschaft zu treiben. Wir sagen: Die Hunderttausenden Kolleginnen und Kollegen der Metall- und Elektroindustrie sowie bei Volkswagen halten zusammen«, so Thorsten Gröger, Bezirksleiter und Verhandlungsführer der IG Metall. »Sollte VW am Mittwoch seinen dystopischen Weg bestätigen, muss der Vorstand mit den entsprechenden Konsequenzen unsererseits rechnen«, warnte Gröger am Montag.

Bei der Kundgebung zum Start der Tarifverhandlungen hatte Betriebsrätin Cavallo den versammelten Kolleg*innen, aber auch dem Vorstand zugerufen: »Volkswagen gehört nicht allein den Aktionärinnen und Aktionären. Volkswagen gehört auch uns, der Belegschaft. Und ja: VW gehört auch eindeutig der Mitbestimmung!«

Sie erinnerte an die Wurzeln des Konzerns. VW war von den Nationalsozialisten in den 30er Jahren als Teil der Volksgemeinschaftsideologie mit 130 Millionen Reichsmark aufgebaut worden, die direkt aus dem enteigneten Vermögen der Gewerkschaften stammten. Im Nachkriegsdeutschland klagte der Deutsche Gewerkschaftsbund nur deshalb nicht auf seine Eigentumsrechte an VW, weil die Rolle der Mitbestimmung bei dem Autobauer in starkem Maße abgesichert wurde.

Auch beim Börsengang im Jahr 1960 hatte diese historische Wurzel Bestand: Es entstand das VW-Gesetz, das die Eigentumsverhältnisse und Kontrolle bei Volkswagen regelt. Eine zentrale Bestimmung des Gesetzes ist, dass für wichtige Unternehmensbeschlüsse eine Mehrheit von über 80 Prozent der Stimmen erforderlich ist. Dies gibt dem Land Niedersachsen mit einem Anteil von 20,2 Prozent effektiv eine Sperrminorität.

Hintergrund für die drastischen Sparpläne des Konzerns ist ein gesättigter Markt in Kombination mit einer Produktstrategie, die sich auf große und teure Autos fokussiert – die Profitrate ist dabei höher. So ist zu erklären, dass der Gewinn stieg, obwohl der Absatz an Fahrzeugen zuletzt deutlich sank. Die Überkapazitäten plant der Konzern künftig loszuwerden. Kritiker monieren schon lange, dass Volkswagen keine kleinen und preiswerten Fahrzeuge im Programm hat und die Mobilitätswende nicht angeht.

Insgesamt ist die Not bei VW nicht wirklich groß. Es geht in erster Linie darum, künftige Profite zu sichern.

Doch insgesamt ist die Not bei VW nicht wirklich groß, es geht in erster Linie darum, künftige Profite zu sichern: 6,5 Prozent Rendite statt 3,5 Prozent. 137 Milliarden Euro Gewinnrücklagen und mehr als 16 Milliarden Euro Nettogewinn 2023 stehen in der Bilanz des Konzerns. Davon ausgeschüttet wurden 4,5 Milliarden im Jahr 2024, gut zwei Milliarden Euro direkt an den Porsche-Piëch-Clan.

VW hat in den zurückliegenden Jahren staatliche Subventionen in Milliardenhöhe erhalten, ohne dass der öffentliche Einfluss auf das Unternehmen gestiegen und das Land Niedersachsen Einfluss auf die Strategie genommen hätte.

Unabhängig von den Verhandlungen in Deutschland werden Fabriken in Belgien und China schon geschlossen. Während die Fabrik in Osnabrück derzeit besonders gefährdet ist, könnte auch aus der »gläsernen Manufaktur« in Dresden bald ein Showroom und eine Partylocation werden.

Mit schnellen Ergebnissen bei den Verhandlungen ist nicht zu rechnen, zumal die IG Metall einen wichtigen Trumpf in der Hand hat: Wenn es keine neue Vereinbarung gibt, treten die Tarifverträge von 1994 wieder in Kraft – einschließlich der starren 35-Stunden-Woche und Leistungen wie Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, bezahlter Pausen und Schichtzuschlägen. In der Krise vor 30 Jahren wurde die Arbeitszeit verkürzt, um Entlassungen zu vermeiden. Dieser Weg wurde von der IG Metall bereits ins Gespräch gebracht.

Um die Krise längerfristig zu überwinden, will die Gewerkschaft mehr Mitbestimmung auch über wirtschaftliche Angelegenheiten und die Produktion. Carsten Büchling, Betriebsrat aus Kassel, sagt dazu: »Unser Ziel muss sein, dass die Beschäftigten über die Produktion entscheiden. Die Beschäftigten müssen zu Miteigentümern der Betriebe werden.«

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