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Sanktionen fürs Zuspätkommen: Minuten werden zu Tagen
Bildungssenatorin setzt auf Strafe statt Prävention
Berliner Schüler*innen sollten sich ab jetzt genau überlegen, ob sie das Haus morgens doch etwas früher verlassen als üblich, wenn sie keine Fehlstunden riskieren wollen. Denn Zuspätkommen wird nach dem Willen der Senatsverwaltung für Bildung stärker sanktioniert. Das geht aus einer Novelle der Schulpflichtverordnung hervor, über die der »Tagesspiegel« zuerst berichtete. Nach einer »Kulanz« von zwei Verspätungen gilt Unpünktlichkeit nun schon nach wenigen Minuten als Fehlstunde. Wer danach sechsmal unentschuldigt zu spät kommt, hat dann auf dem Papier offiziell einen ganzen Schultag geschwänzt.
Nach fünf Fehltagen müssen Schulen eine Schulversäumnisanzeige übermitteln. Bei Erst- bis Sechstklässler*innen kann das nun dazu führen, dass Eltern sich früher mit dem Jugendamt auseinandersetzen müssen: Denn Schulen müssen auch abwägen, ob der Verdacht einer Kindeswohlgefährung besteht. Durch höher gewichtete Verspätungen kann dies nun schneller passieren. Allerdings werden die Jugendämter im Fall der Versäumnisanzeige nicht mehr automatisch informiert, stattdessen prüft die Schule vorab jeden Fall individuell. Die Verschärfungen begründete die Senatsverwaltung unter Katharina Günther-Wünsch (CDU) gegenüber dem »Tagesspiegel« damit, dass Zuspätkommen bereits »ein Zeichen für schuldistantes Verhalten« sein könne. Eine Einschätzung, die sie mit Vorgängerin Astrid-Sabine Busse (SPD) teilt, die ebenfalls Verschärfungen plante.
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Schuldistanz, darunter versteht man nicht etwa den räumlichen Abstand zur Schule, sondern »schulvermeidendes Verhalten«. Es kann über einen Jahre andauernden Prozess zu einer vollständigen Abkopplung von Schule führen. So steht es in einer Handreichung der Senatsverwaltung für Lehrer*innen. Diese sind also angehalten, Anzeichen für Schuldistanz frühzeitig zu erkennen. Die Novelle soll Lehrer*innen dabei helfen. Es gehe der Senatsverwaltung wohl um ein »klares Signal, dem Usus entgegenzutreten, das sozusagen einfach hinzunehmen«, sagt Stefan Düll vom Deutschen Lehrerverband zu »nd«. »Die Situation ist ja offenbar so schlimm, dass man sich genötigt gesehen hat, das umzusetzen.«
»Schulverweigerung hat Hintergründe, da muss man an die Ursachen gehen. Reine Sanktionierung bringt gar nichts.«
Franziska Brychcy (Linke)
Bildungspolitische Sprecherin
Tatsächlich wird Berlin immer wieder als »Hauptstadt der Schulschwänzer« bezeichnet. Dass sich daran viel ändert, wenn Unpünktlichkeit bestraft wird, bezweifeln die Berliner Grünen. »Bei verfestigter Schuldistanz wird keine Verschärfung etwas ändern«, sagt die bildungspolitische Sprecherin Marianne Burkert-Eulitz zu »nd«. »Dort kann man nur mit intensiver Arbeit mit den Kindern und den Familien mit Unterstützung durch die soziale Arbeit helfen. Das ist aber die eigentliche Aufgabe und dies hat auch etwas mit Chancengerechtigkeit zu tun.« Da der Senat aber in diesen Bereichen gekürzt hat, könne man bei den Schulpflichtsverschärfungen sogar von bloßem Aktionismus sprechen.
Auch Franziska Brychcy von Die Linke sieht in einer bloßen Verschärfung eine Benachteiligung bestimmter Kinder. »Schulverweigerung hat Hintergründe, da muss man an die Ursachen gehen«, sagt sie zu »nd«. Das könnten psychosoziale Probleme sein, aber auch Druck oder Angst. Brychcy kritisiert, dass Gelder, die für Schuldistanzprojekte vorgesehen waren, im vergangenen Schuljahr gekürzt wurden. Stefan Düll sieht eine Gefahr der Benachteiligung nicht, zumindest wenn die Verkehrsmittel Schuld sind: »Ich gehe von einem Ermessen der Schulleiter aus. Die werden ja informiert, wenn Verkehrsmittel ausfallen. Das lässt sich ja nachweisen.« Es nur um die »notorischen Zuspätkommenden, die es nicht fertig bringen, pünktlich zu kommen.«
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