Klippen und Kunst an der Algarve

Wenn sich Portugals südliche Atlantikstrände leeren, beginnt die beste Zeit fürs Wandern – auch für Kunstfreunde

  • Christian Haas
  • Lesedauer: 4 Min.
Immer an der Atlantikküste entlang: Der Fischerpfad führt über 226 Kilometer bis zur südwestlichen Spitze Portugals.
Immer an der Atlantikküste entlang: Der Fischerpfad führt über 226 Kilometer bis zur südwestlichen Spitze Portugals.

Sonnenbank Europas« – so nennt sich die im Süden Portugals befindliche Algarve. Zu Recht, nirgendwo zwischen Spitzbergen, Sizilien und Sevilla werden mehr Sonnenstunden gezählt. Selbst im November herrschen mit durchschnittlich 17 Grad noch sehr milde Temperaturen.

Weitere Argumente für den Martinssommer (»o verão de São Martinho«) am Atlantik: »Das Meer ist noch warm, aber die Touristenmassen sind weg, überall kehrt eine angenehme Ruhe ein«, schwärmt Eva Herre. »Und sollte doch schon der erste Regen kommen, ist es beeindruckend, wie schnell sich das frische Grün ausbreitet.« Die gebürtige Augsburgerin weiß, wovon sie spricht, verbringt die 69-Jährige doch schon mehr als die Hälfte ihres Lebens an der Algarve. Konkret: in Barão de São João bei Lagos, wo sie in ihrem Mal-Atelier Kurse anbietet.

Der Ort hat bei Wanderbegeisterten einen guten Ruf, vor allem wegen des seit 2018 jeweils am ersten Novemberwochenende ausgetragenen »Walk & Art Fests«. Für Herre ist es ein ganz besonderer Termin: »Das Festival ist für mich ein starker Moment der Begegnung: zwischen Kunst und Natur, Ausländern und Einheimischen.«

Die Wahl-Portugiesin verweist auf mehr als 80 kostenfreie Angebote: Geführte Wanderungen, Mountainbike-Touren, Vogelbeobachtung und Tai-Chi-Sessions gehören ebenso zum Programm wie Workshops und eine öffentliche Ausstellung lokaler Künstlerinnen und Künstler. Dieses Jahr beteiligen sich mehr als ein Dutzend Mitwirkende an der Open-Air-Galerie. Zudem sind ein Konzert im Kulturzentrum, ein Nachtspaziergang und Workshops zu Eisenblaudruck, Steinbemalung und Wandmalereien – sogenannten Murals – geplant.

Herre beobachtet seit einigen Jahren, dass immer mehr Urlaubsgäste zum Wandern an die Algarve kommen. Insbesondere im Herbst. Das liegt nicht zuletzt an den wunderschönen Wanderwegen. So führt die 2012 eröffnete Rota Vicentina von Lagos über das Cabo de São Vicente bis nach Santiago de Cacém in der Nachbarregion Alentejo. Wobei es sich genau genommen um ein ganzes Netz aus (Rad-)Wegen handelt.

Tipps
  • Allgemeine Informationen: In englischer Sprache unter visitalgarve.pt/en. Auf Deutsch unter algarvepromotion.pt/de/convention.
  • Anreise: Direktflüge von Deutschland an die Algarve zum Flughafen Faro bieten z.B. Condor und Lufthansa an.
  • Veranstaltungen: Das »Walk & Art Fest« findet vom 1. bis 3. November in Barão de São João statt (walkartfest.pt). Das »Festival Caminhadas Monchique« läuft vom 29. November bis 1. Dezember (festivalcaminhadasmonchique.pt).
  • Wanderungen: Die »Via Algarviana« ist ein mehr als 300 Kilometer langer Fernwanderweg. Er beginnt an der spanischen Grenze bei Sagres (viaalgarviana.org/de). Unter dem Namen des Fernwanderweges »Rota Vincentina« verlaufen auch einige andere Routen im Westen der Algarve, wie die vier Tagesetappen des historischen Fischerpfades (de.rotavicentina.com).

    Neben zwei Dutzend kleinerer Rundwege stechen zwei Hauptrouten heraus: der »Caminho Histórico« durchs Hinterland sowie der »Trilho dos Pescadores«, der sich über Sand und schroffe Klippen nah am Ufer entlangschlängelt. Eher kunstvoll-bizarr gibt sich die Felskulisse am »Sete Vales Suspensos« bei Lagoa. Auch wenn der »Weg der sieben Hängetäler« nur sechs Kilometer misst, braucht man für ihn wegen der atemberaubenden Blicke auf Felsbögen und Brandungspfeiler gern mehrere Stunden.

    Rund zehn Tage sollte man für die »Via Algarviana« veranschlagen, zumindest wer den uralten Pilgerweg von Alcoutim an der Grenze zu Spanien bis Sagres komplett meistern will. Eine gute Idee, geht es doch nicht nur quer durch die Algarve, sondern auch durch sämtliche Landschaftskulissen. Mal ist es das hügelige Hinterland der Serra de Monchique, mal sind es fruchtbare Täler mit klaren Flüssen, mal Olivenhaine und Korkeichenwälder, mal Akazienmeere. Auf jeden Fall gibt es viel Natur und kleine Dörfer, in denen man nächtigen, essen oder eine Etappe starten kann. Im Übrigen findet auch hier ein Wander- und Kunstfestival statt, kleiner als in Barão de São João und etwas später, nämlich Ende November.

    Das Konzept jedoch ist ähnlich. Im Fokus stehen dort aber Wandertouren rund um die Ernte der rot, gelb und orange leuchtenden Früchte der Erdbeerbäume. Aus ihnen wird Marmelade hergestellt und ein hochprozentiger Schnaps, der Medronho. Der späte Herbst ist dafür Hoch-Zeit. Das gilt an der Küste auch für Delfin- und Walbeobachtungen. Warum? Mehr Tiere, weniger Boote, weniger Menschen. Auch in den insbesondere bei Surfern und Expats beliebten Cafés und Bars von Sagres finden sich wieder freie Plätze, noch ein Pluspunkt für den Spätherbst.

    Ganz in der Nähe befindet sich indessen der Endpunkt der »Via Algarviana«: der Cabo de São Vicente, wo rund ums Jahr beeindruckende Klippen aus dem Meer ragen. Bis zu 70 Meter bricht hier die karge Ebene von Sagres mit ihren Relikten der Megalith-Kultur abrupt ab. Schwer vorstellbar, dass manche Angler, die von hier oben ihre Rute in die tosende Gischt hinablassen, tatsächlich Brassen, Makrelen und Tintenfische an den Haken bekommen.

    Gut vorstellbar hingegen, dass die romantische Szenerie schon viele zu Liebesschwüren animiert hat. Ein Stelldichein am südwestlichsten Ende Europas, nur die untergehende Sonne im weiten Meer im Blick (und den nahen Leuchtturm mit seinem 80 Kilometer weit strahlenden Licht): Das hat was!

    Wir-schenken-uns-nichts
    Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

    Das »nd« bleibt gefährdet

    Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

    Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


    → Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
    → Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
    → Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
    → Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
    → Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

    Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.