- Sport
- DFB-Pokal
Der 1. FC Union fährt mit einem Problem weniger nach Bielefeld
Nach falscher Fehlersuche gegen Frankfurt freuen sich die Berliner auf ein Spiel ohne VAR
Wenn der 1. FC Union an diesem Dienstag nach Bielefeld reist, um einen Tag später auf der Alm gegen die Arminia anzutreten, dann mit einem Problem weniger im Gepäck. Weil der Videoschiedsrichter (VAR) in der zweiten Runde des DFB-Pokals noch nicht eingesetzt wird, können solch skurrile Diskussionen wie am Sonntagabend in der Alten Försterei gar nicht erst aufkommen. Beim 1:1 gegen Eintracht Frankfurt wurde den Berlinern der vermeintliche Siegtreffer in der Nachspielzeit wegen einer Abseitsstellung von Christopher Trimmel aberkannt. Unions Kapitän nahm es gelassen: »Wenn es Abseits ist, dann ist es Abseits, dafür haben wir die Linie«, urteilte Trimmel kurz und knapp über den Videobeweis.
Viel mehr zu erzählen hatte Benedict Hollerbach. Und dabei streifte der Stürmer von Union Berlin durch sämtliche Fußball-Sphären. »Ich kenne die dritte Liga gut«, warnte der 23-Jährige vor der Arminia. In 96 Drittligaspielen hat Hollerbach bis zum Sommer 2023 beim SV Wehen Wiesbaden 18 Tore geschossen. Union müsse sich auf einen lauf- und kampfstarken Gegner einstellen, meinte er. Und auf ein durchaus selbstbewusstes Team: Die drittplatzierten Bielefelder steuern Richtung Aufstieg.
Besser als im Clásico
Aus den Niederungen des deutschen Fußballs führten Hollerbachs Worte direkt zu einem der größten Duelle dieses Sports: Real Madrid gegen den FC Barcelona. Beim 4:0-Sieg von Barca habe er am Bildschirm beobachtet, dass die meisten flachen Torabschlüsse nicht erfolgreich waren. Also versuchte es Hollerbach einen Tag später in der Bundesliga mit einem »Lupfer« – und traf in der 66. Minute wunderschön gegen die Eintracht. Die frühe Frankfurter Führung nach 14 Minuten durch Mario Götze war ausgeglichen, und das vollkommen verdient.
»Es ist schwer, Tore zu machen«, sagte Hollerbach nach seinem zweiten Saisontreffer am achten Spieltag – und betrat damit eines der meist diskutierten Fußballfelder. »Skandalös« nannte er die Aberkennung des zweiten Berliner Treffers von Tim Skarke durch den Videoschiedsrichter: »Die Leute wollen Tore sehen. Da kannst du nicht ein Lineal rausholen und wegen eines Zentimeters so ein schönes Tor wegnehmen. Das ist nicht im Sinne des Fußballs.«
Gerechte Technik
Hätte Hollerbach seiner emotionalen Erklärung ein Statement gegen den Videobeweis folgen lassen, wäre sie zur meinungsstarken Aussage geworden. So aber verdribbelte er sich nahezu naiv: »Ich würde mir bei den VAR-Entscheidungen wünschen, dass es im Zweifel für den Stürmer entschieden wird.« Genau das Gegenteil soll die Technik leisten: nicht für oder gegen jemanden entscheiden, sondern Gerechtigkeit schaffen. Abgesehen von vielen nachvollziehbaren Kritikpunkten am System des Videoschiedsrichters, bei der Abseitsregelung funktioniert es recht gut.
Den Sieg vergeben zu haben, dass müssen sich die Berliner schon selber zuschreiben. Nach einer schwachen ersten halben Stunde bestimmte Union das Geschehen auf dem Platz. Trainer Bo Svensson lobte später ausdrücklich die Leistung seines Teams »in der sehr guten zweiten Halbzeit«. Schon vorher hätte Linksverteidiger Tom Rothe in der 35. Minute freistehend aus fünf Metern das Tor treffen müssen.
Zweitbeste Abwehr
Mit dem Remis kletterten die Berliner auf Rang vier. Die Basis für den guten Saisonstart bildet die unter Svensson wiedergewonnene defensive Stabilität. Mit nur fünf Gegentreffern stellt Union die zweitbeste Abwehr der Liga. Großen Anteil daran hat auch ein Eigengewächs: Seit der spielstarke Aljoscha Kemlein für Lucas Tousart neben Rani Khedira in der Mittelfeldzentrale aufläuft, hält das defensive Gerüst wie in besten Urs-Fischer-Zeiten. Von Frankfurts Omar Marmoush, mit neun Treffern an der Spitze der Torjägertabelle, war in Alten Försterei 90 Minuten nichts zu sehen.
Was Union noch fehlt, war ebenfalls am Sonntagabend zu sehen. Spielerisch erzeugen die Berliner noch zu wenig Torgefahr, vielleicht auch, weil nach wie vor ein Stoßstürmer fehlt. In der letzten Viertelstunde fanden sie trotz Überzahl keine überzeugenden offensiven Lösungen. Und an der Treffsicherheit darf auch noch gearbeitet werden. Umso erstaunlicher waren dann die Worte von Horst Heldt. »Wir haben zwei Punkte verloren, die nimmt der Schiedsrichter mit nach Hause«, kritisierte auch der Sportchef die »Millimeter-Entscheidung« gegen Union beim vermeintlichen Siegtreffer: »Das zu reklamieren, ist wirklich peinlich.« Zumindest unpassend fand manch einer den Auftritt von Heldt. Zum Glück wird in Bielefeld ohne VAR gespielt.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!