Hertha BSC beginnt zu träumen

Beim Pokalsieg gegen Heidenheim tanken die Berliner viel Selbstvertrauen

  • Lennart Garbes
  • Lesedauer: 4 Min.
Herthas Ibrahim Maza (v.) bekam Heidenheim im DFB-Pokal nur ganz selten in den Griff.
Herthas Ibrahim Maza (v.) bekam Heidenheim im DFB-Pokal nur ganz selten in den Griff.

Sieben Siege aus den vergangenen zehn Spielen. Zuletzt drei Erfolge am Stück – inklusive einer dominanten ersten Halbzeit im DFB-Pokal beim 2:1 gegen Europa-Conference-League-Teilnehmer Heidenheim. Die Zweitligakicker von Hertha BSC reiten aktuell auf einer blau-weißen Erfolgswelle. »Es fühlt sich gut an. Wir haben gerade sehr viel Selbstvertrauen«, freute sich Stürmer Florian Niederlechner nach dem Pokaltriumph gegen Heidenheim. Schon am vergangenen Wochenende war der Alten Dame beim Auswärtserfolg gegen den bis dahin ungeschlagenen Karlsruher SC ein wichtiger Sieg gelungen. In der zweiten Liga liegt man dadurch nur noch drei Punkte hinter Tabellenführer Düsseldorf. Gegen Heidenheim setzte Hertha am Mittwoch gleich das nächste Ausrufezeichen, insbesondere in den ersten 45 Minuten.

»Ich glaube, das war die beste Halbzeit in der ganzen Saison. Wir haben dem Gegner keine Chance gelassen und müssen eigentlich zwei, drei Tore machen«, analysierte Routinier Niederlechner das Duell mit dem Bundesligisten, in dem Hertha in der 16. Minute durch Derry Scherhant in Führung ging. Bis zur Pause verbuchten die Berliner 58 Prozent Ballbesitz bei einer Passquote von 91 Prozent und 6:1 Torschüssen. Tolle Werte, zu deren Wahrheit gehört, dass Heidenheims Trainer Frank Schmidt einige Leistungsträger schonte.

Weil Hertha aber auch die Druckphase des Bundesligisten nach Wiederanpfiff und mehreren Wechseln ohne Gegentreffer überstand und selbst bei Kontern gefährlich blieb, kann der Pokalerfolg als positiver Reifeprozess für die junge Berliner Mannschaft verbucht werden. Und auch das vorentscheidende 2:0 in der 74. Minute durch das vierte Tor im fünften Spiel von Michaël Cuisance lässt darauf hoffen, dass der Last-Minute-Transfer von Torjäger Haris Tabaković doch besser abgefangen werden kann, als zunächst befürchtet.

Dabei hilft auch die offensive Ausrichtung von Hertha-Trainer Christian Fiél, der im Sommer Vereinslegende Pál Dárdai beerbete. »Wir mussten uns noch ein bisschen gewöhnen. Es war ja ein ganz neues Spielsystem und ein neuer Trainer. Aber jetzt machen wir das super«, lobte Ibrahim Maza nach dem Sieg gegen Heidenheim. Der 18-Jährige, der in Karlsruhe noch verletzungsbedingt ausgewechselt werden musste, stand am Mittwoch wieder in der Startelf und sprühte mit seinen Mittelfeldkollegen Cuisance, Scherhant und dem Ex-Heidenheimer Kevin Sessa nur so vor Spielfreude: »Mit denen zu zocken, ist einfach geil. Dass man weiß, dass man neben sich welche hat, die immer den Ball wollen.«

Dabei wäre die jugendliche Unbekümmertheit den Herthanern in den letzten Minuten der zweiten Pokalrunde fasst noch auf die Füße gefallen. In der Defensive standen die Berliner trotz ihres 2:0-Vorsprungs auch kurz vor Schluss noch erstaunlich offen. Das nutzte Heidenheim-Stürmer Stefan Schimmer in der 86. Minute zum Anschlusstreffer, ehe in der Nachspielzeit dann das Schiedsrichtergespann den Berlinern zu Hilfe kommen musste. Nur weil Linienrichter Martin Wilke in der 95. Minute kurz vor Paul Wanners Kopfballtreffer zum 2:2 einen vermeintlichen Schubser von Schimmer an Herthas Innenverteidiger Márton Dárdai gesehen hatte, wurde der Ausgleich aberkannt.

Heidenheim-Coach Schmidt war nach der Partie überhaupt nicht einverstanden mit der Entscheidung – vor allem, weil das Spiel nach dem Schimmer-Foul an der Strafraumgrenze noch zehn Sekunden weiterlief. Erst nach Wanners Tor informierte Assistent Wilke seinen Referee Robert Kampka über das Vergehen. Auf der Pressekonferenz danach war Schmidt noch sichtlich frustriert: »Eigentlich dürfen wir jetzt alle nicht hier drin sitzen, sondern sollten im Stadion sein bei der zweiten Halbzeit der Verlängerung, vielleicht ist auch schon Elfmeterschießen.«

Weil es dazu bekanntlich nicht mehr kam, darf Hertha weiter an der eigenen Erfolgsserie basteln. Nächster Gegner ist der 1. FC Köln. Die Domstädter kegelten am Dienstag mit Holstein Kiel ebenfalls einen Bundesligisten aus dem Pokal. Christian Fiél und sein Team sollten also gewarnt sein. Für Florian Niederlechner zählen trotzdem nur drei Punkte: »Die Woche ist noch nicht perfekt. Die ist erst perfekt, wenn wir Köln am Samstag schlagen.« Selbstbewusste Töne im Aufstiegsrennen der zweiten Liga. Und dann ist da ja auch noch der fast 40 Jahre alte Traum vom ersten Pokalfinale im eigenen Stadion.

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