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Auch im Kongress wird’s eng
Mehr als 450 Sitze in Repräsentantenhaus und Senat werden neu besetzt. Wer das Weiße Haus erobert, braucht für seine Politik hier Mehrheiten
Im Schatten des Duells zwischen Kamala Harris und Donald Trump geht vieles unter. Vor allem, dass in den USA am kommenden Dienstag auch Kongresswahlen stattfinden. Alle 435 stimmberechtigten Mitglieder des Repräsentantenhauses werden nach ihrer nur zweijährigen Amtszeit neu gewählt, dazu ein Drittel der 100 Senatoren. Diese Wahlen werden auch darüber entscheiden, ob Harris oder Trump als Präsident ihre Agenda überhaupt umsetzen können: Sollte Harris mit einer deutlichen republikanischen Mehrheit im Kongress konfrontiert werden, wären weitere Fortschritte in der Sozial-, Gesundheits- oder Klimapolitik wohl ausgeschlossen. Die Präsidentin hätte dann eher alle Hände voll zu tun, die bescheidenen Errungenschaften der Regierungen ihrer demokratischen Vorgänger Joe Biden und Barack Obama gegen Angriffe von rechts zu verteidigen.
Umgekehrt hätte Donald Trump sehr viel bessere Chancen, seine autoritäre Agenda durchzudrücken und durch den Umbau des Staatsapparates und Änderungen an Wahlgesetzen eine permanente konservative Mehrheit zu zentrieren, wenn er dabei die Unterstützung eines republikanischen Kongresses hätte. Sollten die Demokraten die Mehrheit im Repräsentantenhaus übernehmen oder ihren knappen Vorsprung im Senat verteidigen, dürfte Trump ein solches Unterfangen deutlich schwerer fallen.
Die Wahlen am 5. November 2024 sind für die US-Bürger wie auch den Rest der Welt eine der wichtigsten Richtungsentscheidungen dieser Zeit. »nd« berichtet über die Stimmung und Probleme im Land, über Kandidaten und ihre Visionen. Alle Texte zur US-Wahl finden Sie hier.
Im Repräsentantenhaus ist der Wahlausgang derzeit ähnlich wie beim Kampf ums Weiße Haus völlig offen, er wird sich an einer Handvoll Wahlkreise entscheiden. Wichtig ist allerdings zu betonen, dass man die beschriebenen Szenarien nicht als unabhängig vom Ausgang der Präsidentschaftswahlen betrachten sollte. Sollte Trump gewinnen, ist es auch wahrscheinlich, dass seine Partei eine Mehrheit bekommt, umgekehrt würden bei einem Harris-Sieg wohl die Demokraten vorne liegen.
Anders sieht es im Senat aus: Hier sind die Republikaner deutlich im Vorteil, auch, wenn das Weiße Haus am Ende demokratisch bleiben sollte. Diversen Prognosemodellen zufolge haben die Konservativen eine etwa 90-prozentige Chance, die Mehrheit in der zweiten Kammer von den Demokraten zu übernehmen, die hier aktuell zwei Sitze mehr innehaben. Dies liegt vor allem daran, dass langjährige demokratische Senatoren in konservativen Bundesstaaten, wie John Tester aus Montana und Sherrod Brown aus Ohio, die sich über viele Jahre einem Negativtrend in ihren Staaten entgegenstemmen konnten, dieses Mal schlechte Karten haben: Beide liegen Umfragen zufolge derzeit hinten. Der konservative Demokrat Joe Manchin tritt zudem nicht mehr zur Wahl in West Virginia an, sein Sitz wird mit großer Sicherheit an die Republikaner gehen.
Brown gilt als gewerkschaftsnaher Kämpfer für die Rechte von Arbeitenden, Tester eher als Zentrist vom Lande, der auch bei moderaten Republikanern Ansehen genießt. Auch die demokratische Senatorin Tammy Baldwin aus Wisconsin muss bangen, ihre Aussichten auf einen Wahlsieg sind aber besser; schließlich hat Kamala Harris selbst Aussichten darauf, in Wisconsin eine Mehrheit der Stimmen bei der Präsidentschaftswahl zu gewinnen. Montana und Ohio gelten für sie hingegen als aussichtslos. Sollten Tester, Baldwin und Brown alle drei verlieren, gäbe es voraussichtlich mit Maine an der Ostküste nur noch einen einzigen Bundesstaat, der zwei Senatsmitglieder mit unterschiedlichem Parteibuch nach Washington entsendet: Hier zeigt sich das enorme Ausmaß der Polarisierung, das in der US-Politik inzwischen vorherrscht. Die Parteizugehörigkeit wird im Vergleich zur Beliebtheit der Kandidaten immer wichtiger.
Eine Überraschung könnte es im Senat dennoch geben: Im konservativen Bundesstaat Nebraska ist der unabhängige Populist und Gewerkschaftsführer Dan Osborn der Republikanerin Deb Fischer in Umfragen gefährlich nahegekommen. Fischer ist zwar weiterhin Favoritin, doch sollte Osborn hier der sensationelle Wahlsieg gelingen, könnte er den Republikanern die Mehrheit im Senat verhageln. Schon jetzt zeigt er, dass es möglich ist, die Konservativen in Landesteilen herauszufordern, in denen die Demokratische Partei tief verhasst ist – wenn auch nur unter unabhängiger Flagge.
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