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- Urteil in Griechenland
Gerechtigkeit für deutschen Journalisten
Vier Rassisten für Übergriff auf der Insel Lesbos verurteilt
Am 1. März 2020 trieben Geflüchtete manövrierunfähig auf einem Schlauchboot zwischen der Türkei und Griechenland, bevor die griechische Küstenwache sie zum Hafen von Thermi auf Lesbos brachte. Dort erwartete sie eine Menge von über 100 Personen, die rassistische Parolen rief, Plastikflaschen warf und sogar weinende Kleinkinder am Landgang hinderte.
Der deutsche Journalist Michael Trammer, der unter anderem für das »nd« tätig ist, dokumentierte die Ereignisse und wurde selbst zur Zielscheibe des Mobs. Nun, nach zwei Anläufen, wurden vier Beteiligte in allen Anklagepunkten verurteilt.
Nach Verhandlungsbeginn am 22. Oktober verkündete das Gericht am zweiten Termin am Freitag das Urteil. Der Haupttäter, der Trammer schlug, trat und die Gruppe anführte, erhielt 37 Monate Haft. Ein Angeklagter wurde als Komplize zu 29 Monaten auf Bewährung verurteilt. Das Gericht bestätigte gefährliche Körperverletzung und erkannte ein rassistisches Motiv an. Zwei weitere Teilnehmer erhielten Bewährungsstrafen von 28 und 26 Monaten.
Eine Journalistin, die mit Trammer am Hafen war, trat als Hauptbelastungszeugin auf. Die Verurteilung beruhte auch auf den Recherchen eines griechischen Journalisten und Forensik-Experten Phevos Simeonidis, der Videos, die die Ereignisse aus verschiedenen Perspektiven dokumentierten, forensisch auswertete.
Diese Videos waren zunächst nicht in den Akten, wurden aber später zugelassen und belegten die Vergehen sowie die rassistische Motivation der Angeklagten. Simeonidis betont dies gegenüber dem »nd« als einen bemerkenswerten Verfahrensaspekt, »da das griechische Gerichtssystem in der Regel vor derartigen Beweisen zurückschreckt«. Das Einbringen der Videos war aber auch deshalb wichtig, da keiner der Geflüchteten als Nebenkläger auftrat.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig; Anklage und Verteidigung können Berufung einlegen. Die Anwälte der Männer rechtfertigten die Taten mit der allgemeinen Empörung über die Flüchtlingssituation, nachdem der türkische Präsident Erdoğan Tausende Migrant*innen an die griechische Grenze bringen ließ. Auch auf der Insel waren die Verhältnisse nach immer mehr Ankünften untragbar, allerdings vor allem für die Insassen des Elendslagers Moria. Sechs Monate nach dem Vorfall in Thermi brannten Teile des überfüllten Lagers nach einer Brandstiftung nieder.
Trammer wurde vor Gericht von einer Anwältin des griechischen Ablegers von HIAS vertreten, einer jüdisch-amerikanischen gemeinnützigen Organisation, die humanitäre Hilfe und Unterstützung für Geflüchtete leistet. Trammers Anwältin, Elli Kriona-Saranti, begrüßte die Entscheidung vom Freitag und betonte, dass die Anerkennung des rassistischen Motivs im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte stehe und es sich deshalb »nicht um spontane Frustrationsausbrüche handelte«.
Von den ursprünglich fünf Angeklagten ist einer inzwischen verstorben, gegen einen weiteren wurden die Ermittlungen eingestellt. Der Prozess war zuvor dreimal kurzfristig vertagt worden. Da Trammer dennoch jedesmal anreiste, entstanden ihm Kosten, die teilweise durch den Notfallfonds »Reporters Respond« der Organisation Free Press Unlimited gedeckt wurden. Für den jüngsten Prozesstermin sammelte der Journalist fast 1000 Euro über Crowdfunding.
Einer der Täter hatte bei dem Übergriff zwei Kameras aus Trammers Rucksack genommen und ins Hafenbecken geworfen. Ein Zivilverfahren auf Schadensersatz für die zerstörte Ausrüstung im Wert von über 5000 Euro plant Trammer zum jetzigen Zeitpunkt nicht, da schon das Strafverfahren sehr belastend war, wie er dem »nd« erklärte.
Auf der Plattform X bedankte sich Trammer bei seinen Unterstützer*innen, auch für ihre Hilfe bei der Verarbeitung der psychologischen Folgen des Übergriffs. »Ich habe schon oft rassistische und rechtsextremistische Aufmärsche gesehen und dokumentiert. Die Ereignisse in Thermi haben sich jedoch besonders tief in mein Gedächtnis eingebrannt«, so Trammer. Der Hass habe sich gezielt gegen wehrlose Menschen gerichtet.
Nach dem Angriff musste Trammer ins Krankenhaus von Mytilini gebracht werden, wo seine Wunden genäht wurden. Allerdings verzögerte sich der Transport erheblich durch Straßensperren, die von selbsternannten Bürgerwehren auf Lesbos errichtet worden waren.
Damals agierten Rechtsextreme aus verschiedenen Ländern als Brandstifter. Pegida in Dresden rief dazu auf, nach Griechenland zu reisen, um die EU-Außengrenzen zu »schützen«. Fünf Tage nach dem Angriff auf Trammer trafen europäische Neonazis und Mitglieder der »Identitären Bewegung« auf Lesbos ein, darunter auch der damalige AfD-Bundestagsmitarbeiter Mario Müller, der schließlich vor einem Jahr auch an dem von Correctiv dokumentierten »Geheimtreffen« in Potsdam teilnahm.
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