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Aus mit Ansage
Wolfgang Hübner über das Auseinanderbrechen der Ampel-Koalition
Allmählich müsste Christian Lindner die Fantasie ausgegangen sein. So oft hatte der FDP-Vorsitzende seine Koalitionspartner provoziert, hatte bereits getroffene Vereinbarungen wieder infrage gestellt, dass er sich wohl schon verzweifelt gefragt haben wird, wie er den Kanzler überhaupt aus der Reserve locken kann. Dass Olaf Scholz an diesem geschichtsträchtigen Mittwoch endlich reagiert und Lindner aus seiner Regierung geworfen hat, dürfte aber nicht nur an der Penetranz des Finanzministers gelegen haben. Die SPD-Spitze wird sich angesichts verheerender Umfragewerte ausgerechnet haben, dass jetzt die vielleicht letzte Gelegenheit ist, das Ruder herumzureißen, wenn sie bei der nächsten Bundestagswahl nicht untergehen will. Das Ende der Ampel hat einen langen Vorlauf.
Was unterhalb der wahlkämpferischen Oberfläche diese Koalition auseinandergetrieben hat, sind teils sehr unterschiedliche Antworten auf die großen Krisen. Krieg in der Ukraine und im Nahen Osten, galoppierende Militarisierung und Rüstung, Klimakatastrophe, Inflation, Wirtschaftskrise – das Verlöschen Bruch der Ampel ist ein Echo dieser globalen Verwerfungen, und es ist keineswegs eine Laune des Schicksals, dass am gleichen Tag Donald Trump die US-Wahlen gewonnen hat. In nicht wenigen zentralen Fragen war die Ampel, die als selbst ernannte Fortschrittskoalition mit Ambitionen auf mehrere Legislaturperioden gestartet ist, sich nie einig. Die unselige Schuldenbremse freilich, die diese Koalition wie ein religiöses Dogma vor sich hergetragen hat, wollten Grüne und SPD in erster Linie nur aufweichen, um die jetzt schon irrsinnig hohen Rüstungsausgaben weiterhin bestreiten oder sogar noch steigern zu können.
Lindners Antworten auf die großen Krisen sind Neoliberalismus pur. Marktradikalismus, Kumpelei mit der Wirtschaft und den Begüterten, Angriffe auf das Sozialsystem, Verächtlichmachung von sozial Benachteiligten – das ist sein System. Die Vorbilder kann man etwa im Argentinien des Javier Milei sehen. Und demnächst wieder verstärkt in den USA. Mit der Lindner-FDP ist ein auch nur gemäßigtes Reagieren auf die Klimakatastrophe ebenso wenig zu machen wie ein Mindestmaß an Sozialstandards. Das hat er mit seinen jüngsten Vorstößen deutlich gemacht, die eigentlich der Scheidungsantrag an die Ampel waren und an den Wechsel der Liberalen von der SPD zur CDU Anfang der 80er Jahre unter Lindners FDP-Ahnherrn Otto Graf Lambsdorff erinnern. Was beide verbindet, ist eine frösteln machende asoziale Kälte.
Faktisch ist Lindners provozierter Rausschmiss eine Initiativbewerbung bei der CDU für die nächste Regierung. Scholz will im Januar die Vertrauensfrage stellen und so den Weg zu baldigen Neuwahlen ebnen. Die Frage ist nur, ob die CDU das auf schnellstem Wege durchziehen will oder ob sie sich mehr davon verspricht, die SPD noch eine Weile vor sich herzutreiben. Nach allem, was bisher absehbar ist, werden die vorgezogenen Bundestagswahlen die politischen Gewichte nach rechts verschieben. Die Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg waren die Vorboten.
Das ist es, was man dieser Ampel vor allem vorwerfen muss: dass sie in den drei Jahren ihrer Existenz die Politikenttäuschung forciert hat; dass sie sich viel zu viel mit sich selbst beschäftigt hat; dass sie den Kredit, den sie anfangs durchaus hatte, schnell verspielt hat. Und dabei tragfähige politische Antworten auf dringende Fragen schuldig geblieben ist. Das schafft, angetrieben vom rechten Raunen in den sozialen Netzwerken, Raum für Populismus, der auf nationalen Egoismus setzt. Umso fataler ist es, dass diese Regierungskrise Die Linke in einem Moment erwischt, in dem sie so schwach ist wie schon sehr lange nicht mehr. Wenn sie diese Chance nicht nutzt, wird sie so schnell keine neue bekommen.
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