- Politik
- Progressives Europa
EU-Linksparteien machen gegen rechts mobil
Linksparteien und andere progressive Kräfte in Europa stellen Kampf gegen Rechtsruck ins Zentrum ihrer Politik
Am Wochenende ist es wieder soweit: In Budapest wird das diesjährige European Forum of Left, Green and Progressive forces stattfinden. In der inzwischen achten Auflage dieses Treffens werden abermals Vertreter*innen von linken, grünen und sozialdemokratischen Parteien, von Gewerkschaften, Nichtregierungsorganisationen und der Zivilgesellschaft zusammenkommen, um die Entwicklung in Europa und der EU zu hinterfragen. Seine Premiere erlebte das Europäische Forum 2017 in Marseille und versteht sich als Treffen, um Kräfte zusammenzuführen, die kritisch zur gesellschaftspolitischen und ökonomischen Entwicklung in Europa stehen.
Das Budapester Treffen wird sich insbesondere mit den Konflikten in der Ukraine und im Nahen Osten beschäftigen. Zudem werden die Teilnehmenden darüber beraten, was progressive Parteien und Bewegungen dem Rechtsruck entgegensetzen können, der sich nicht nur in zahlreichen Ländern, sondern mit den EU-Wahlen im Juni auch auf europäischer Ebene vollzogen hat. So wird es unter anderem darum gehen, wie ein solidarisches Europa – auch auf der globalen Bühne – errichtet werden und wie der weitere Sozialabbau in der EU gestoppt werden kann.
Auf diese Schwerpunkte verweist auch der Präsident der Partei der Europäischen Linken (EL), Walter Baier. Die EL, die über 40 linke und links-grüne Parteien aus Europa vereint, gehört zu den Mitorganisatoren des European Forum und hat erst kürzlich ein Strategiepapier beschlossen, das die Fragen von Krieg und Frieden sowie die Sozialpolitik in den Mittelpunkt stellt. »Wir wollen auf europäischer Ebene eine Kampagne für das Recht auf Wohnen initiieren«, erläutert Baier einen zentralen Punkt des Papiers. Dies geschehe »aus dem Verständnis heraus, dass der Kampf gegen die radikale Rechte ein Kampf für eine sozial gerechte Politik ist«. Ausdrücklich soll die Kampagne unter Einschluss der Europaabgeordneten der Linken und von Nichtregierungsorganisationen geführt werden. Ein anderes wichtiges Thema ist für die EL der Kampf um Frieden. »Wir wollen uns als eine antimilitaristische Partei, als eine Partei des Friedens positionieren. Das bedeutet ganz praktisch, dass wir für einen Waffenstillstand in der Ukraine und im Nahen Osten eintreten«, so Baier im »nd«-Gespräch.
Mit unserem wöchentlichen Newsletter nd.DieWoche schauen Sie auf die wichtigsten Themen der Woche und lesen die Highlights unserer Samstagsausgabe bereits am Freitag. Hier das kostenlose Abo holen.
Von der neuen EU-Kommission – derzeit laufen die Anhörungen der designierten Mitglieder der Kommission unter Ursula von der Leyen – erwartet Baier in dieser Hinsicht nichts Gutes. »Die Kommission von-der-Leyen-II ist die am weitesten rechts stehende EU-Kommission, die wir jemals hatten«, sagt der Präsident der Europa-Linken. »Es ist von der Kommission einerseits zu erwarten, dass sie den Austeritätskurs weiter verschärfen wird. Zudem wird sie ebenso die Eskalation in der Ukraine vorantreiben, den genozidalen Krieg Israels in Gaza und im Libanon unterstützen und die Aufrüstung der EU beschleunigen«, erwartet Baier nicht zuletzt mit Blick auf die geplante Stationierung von US-Atomwaffen in Europa. Umso wichtiger sei es, die Zivilgesellschaft zu mobilisieren und Druck auf die Regierungen und die europäischen Institutionen auszuüben. In der europäischen Geschichte habe es mit dem Kampf gegen die Nato-Raketenstationierung und für ein System der kollektiven Sicherheit durchaus Anknüpfungspunkte für eine solche Bewegung gegeben.
Wie erfolgreich die Europäische Linke bei der Umsetzung ihrer Absichten sein wird, hängt nicht zuletzt davon ab, inwieweit sie es schafft, sich strukturell zu erneuern. Seit September gibt es mit der »Allianz der Europäischen Linken für die Menschen und den Planeten« (ELA) einen weiteren »Dachverband« linker Parteien auf europäischer Ebene. Ihre bisherigen Mitglieder (La France insoumise, die finnische Linksallianz, die polnische Razem, die spanische Podemos, der Bloco de Esquerda aus Portugal, die dänische Rot-Grüne-Allianz und die schwedische Linkspartei) sehen gerade in dieser Hinsicht Mängel bei der EL.
Auch vor diesem Hintergrund hat die EL in ihrem Strategiepapier Punkte zur Erneuerung aufgenommen. So soll künftig ausgeschlossen werden, dass in der EL-Führung eine Parteiengruppe das Sagen hat. Im Sekretariat soll jede Partei mit nur einer Person vertreten sein – was bislang nicht so war. Baier betont jedoch, dass große und kleine Parteien in der EL auch in Zukunft »auf Augenhöhe« miteinander kooperieren werden. Die Überrepräsentanz kleinerer Parteien war ebenfalls von den ELA-Mitgliedern als Kritikpunkt an der EL vorgebracht worden. Nicht zuletzt soll die EL eine Doppelspitze, jeweils Frau und Mann, bekommen. Ob das bisherige Einstimmigkeitsprinzip bei Entscheidungen beibehalten wird, ist noch in der Diskussion.
Ob das reicht, um die bisherigen EL-Parteien bei der Stange zu halten, muss sich zeigen. »Es geht um Entscheidungsstrukturen, die Finanzierung, die Repräsentanz großer Parteien, aber vor allem um Politik- und Kampagnenfähigkeit«, erklärt Martin Schirdewan, Ko-Vorsitzender der Linksfraktion im Europaparlament, gegenüber »nd« den Reformbedarf. In der Fraktion sitzen nun Vertreter*innen sowohl der ELA als auch der EL. In welchem Bündnis die deutsche Linke als wichtiges EL-Mitglied ihre Zukunft sieht, lässt Schirdewan, der bis zum Oktober-Parteitag Ko-Chef der deutschen Linkspartei war, offen: »Ich bin dafür, dass wir weiter die Reformbemühungen der Europäischen Linkspartei unterstützen, aber dass, wenn diese Reformbemühungen nicht erfolgreich sein sollten, unsere Mitgliedschaft auf den Prüfstand gestellt werden muss.«
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.