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Trumps Visionen für Nahost
Als selbsterklärter Macher will der neue US-Präsident den Nahen Osten befrieden – ohne jeden Plan
Niemand hat sich wohl mehr gefreut über Donald Trumps Wahlsieg als die israelische Siedlerbewegung und ihre politischen Sponsoren. Simcha Rothman, Knessetmitglied der Partei des religiösen Zionismus und prominenter Siedlerführer, eröffnete die wöchentliche Sitzung des Ausschusses für Verfassung, Justiz und Recht stilgerecht mit einem Dankgebet für Trumps Sieg, wie die gut informierte Nachrichtenwebseite »Al-Monitor« berichtete. Rothman drückte seine Dankbarkeit mit den Worten »König der Könige, Gott segne ihn, danke« aus und übermittelte Trump im Namen Israels Segenswünsche.
Israels Finanzminister Bezalel Smotrich, Vorsitzender der Partei des religiösen Zionismus und in der Regierung zuständig für den Siedlungsausbau im besetzten Westjordanland, war einer der ersten israelischen Beamten, die Trump öffentlich gratulierten: »Gott segne Israel, Gott segne die Vereinigten Staaten«, postete er auf X. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu beglückwünschte Trump zum »größten Comeback der Geschichte« und telefonierte sogleich mit ihm. Das Gespräch sei »warm und herzlich« gewesen, teilte Netanjahus Büro am Mittwoch mit, der Ministerpräsident habe Trump persönlich zu seinem Wahlsieg gratuliert. Netanjahu weiß, was er an Trump hat und sieht in seinem Wahlsieg »die Chance eines Neubeginns für Amerika und für eine kräftige Wiederbelebung der großen Allianz zwischen Israel und Amerika«.
Unterstützung für Kriegskurs
Soll heißen: Netanjahu verspricht sich mehr Unterstützung für seinen unnachgiebigen Kriegskurs gegen die islamistische Hamas im Gazastreifen, die Schiiten-Miliz Hisbollah im Libanon und gegen den Iran als deren maßgeblichen Unterstützer. Auf gute Zusammenarbeit mit Trump setzen aber auch der palästinensische Präsident Mahmud Abbas – was bleibt ihm auch übrig? – und weitere arabische Staatschefs.
»Wenn ich raten müsste, würde ich sagen, dass er Israel weiterhin einen Blankoscheck ausstellen wird, damit es tun kann, was es will.«
Zachary Lockman Professor an der New York University
Während seines Wahlkampfs hatte sich Trump immer wieder damit gebrüstet, er könne die Kriege im Gazastreifen und im Libanon schnell beenden und Frieden in die Region bringen. Einen Plan, wie er das schaffen will, hat er jedoch nie vorgelegt. Einerseits sagte er Medienberichten zufolge, Israel haben das Recht, den »Job in Gaza« zu beenden; andererseits soll er Netanjahu dazu aufgefordert haben, den Krieg bis zu seinem Amtsantritt im Januar zu beenden.
Trump, der Macher
»Trumps Verhalten ist unberechenbar und schwer vorherzusagen«, erklärt Professor Zachary Lockman gegenüber »nd«. Lockman lehrt moderne Geschichte des Nahen Ostens an der New York University und schreibt für die kritische Webseite Middle East Report. »Aber Trump unterhält enge Beziehungen zu Netanjahu und der israelischen Rechten und hat während seiner ersten Amtszeit Maßnahmen ergriffen, die diese noch stärkten«, unter anderem die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels und die stillschweigende Unterstützung für israelische Siedlungen im Westjordanland. »Trump hat sich nicht sehr klar zum Krieg in Gaza geäußert, aber wenn ich raten müsste, würde ich sagen, dass er Israel eher weiterhin einen Blankoscheck ausstellen wird, damit es tun kann, was es will«, fährt Zachary Lockman fort.
Seinem Stil gemäß inszeniert sich Donald Trump am liebsten als Macher, als der, der die Probleme in den Griff kriegt und jeden Deal hinbekommt – egal, um wen es sich handelt. Ihm ist sogar zuzutrauen, dass er mit den nötigen Versprechungen auch Netanjahu dazu bringen könnte, den Krieg möglichst bald zum Abschluss zu bringen – selbstredend ohne die israelischen Interessen anzutasten. Das dürfte sich dann vermutlich übersetzen in noch intensivere Angriffe, um das Schlachtfeld als eindeutiger Sieger zu verlassen. Die Vertreibung der Menschen aus dem nördlichen Gazastreifen wird Trump nicht aufhalten wollen und auch nicht können, da er erst im Januar das Präsidentenamt übernimmt.
Die Wahlen am 5. November 2024 waren für die US-Bürger wie auch den Rest der Welt eine wichtige Richtungsentscheidung. Alle Texte des »nd« über die Stimmung und Probleme im Land, über Kandidaten und ihre Visionen sowie über den Ausgang der US-Wahl finden Sie hier.
Damit steht und fällt auch jede Hoffnung, Trump könnte den Gaza-Krieg umgehend beenden oder ein Abkommen für eine Feuerpause sowie den Austausch von Geiseln gegen Gefangene erzwingen. Bis er die Macht in den USA übernimmt, könnte die israelische Armee die Kriegsziele der Regierung Netanjahu bereits erreicht haben. Auch Daniel Levy, der unter den Ministerpräsidenten Jitzhak Rabin und Ehud Barak für Israel mit den Palästinensern verhandelte, sieht keine Chance auf einen baldigen Waffenstillstand im Gazastreifen, weil die militärisch-ideologische Logik alles bestimme.
Abraham-Abkommen
Trump hat dem derzeitigen US-Präsidenten Joe Biden vorgeworfen, Israel im Krieg mit der radikalislamischen Hamas nicht genug zu unterstützen. In seiner Amtszeit als Präsident (2017-2021) hatte Trump die sogenannten Abraham-Abkommen auf den Weg gebracht, die eine Annäherung zwischen Israel und einigen arabischen Staaten zur Normalisierung ihrer Beziehungen umfassten, darunter die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrein und Marokko. Diese angestrebte Normalisierung war nicht mehr explizit an die Lösung der palästinensischen Frage geknüpft. Vor dem brutalen Hamas-Überfall auf Israel am 7. Oktober 2023 setzten die USA und Israel auf eine ebensolche Normalisierung mit dem regionalen Iran-Rivalen Saudi-Arabien.
»Die neue Trump-Administration wird möglicherweise nicht in der Lage sein, ihr gesamtes Netzwerk von Verbündeten wiederherzustellen, um eine intensive Anti-Iran-Politik zu betreiben«, schreibt Jonathan Panikoff vom Forschungsinstitut Atlantic Council in einer Analyse. Doch wenn stimmt, was von verschiedenen Experten als eines der Motive für den brutalen Angriff von Hamas und Islamischer Dschihad genannt wird, nämlich die Annäherung Saudi-Arabiens an Israel zu verhindern, dann waren die Abraham-Abkommen, die auf dem Rücken der Palästinenser ausgehandelt wurden, keine reine Erfolgsgeschichte.
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