Fliegende Minensperre für Nato-Ostflanke

Deutsche Rüstungskonzerne lobbyieren für massiven »Drohnenwall« gegen Russland

Forschungsprojekt von Airbus und Quantum-Systems: Ungefähr so könnte die fliegende Minensperre an der Nato-Ostflanke aussehen. Vorerst aber ohne Kampfjet.
Forschungsprojekt von Airbus und Quantum-Systems: Ungefähr so könnte die fliegende Minensperre an der Nato-Ostflanke aussehen. Vorerst aber ohne Kampfjet.

Der Ukraine-Krieg hat die militärische Nutzung von Drohnen revolutioniert – zu Hunderttausenden werden sie inzwischen zur Aufklärung oder Angriffe eingesetzt. Deutsche Rüstungsunternehmen wollen an diesem Trend mit einem neuen Großprojekt mitverdienen. Die Drohnenhersteller Quantum Systems und Helsing – eigentlich erbitterte Konkurrenten – lobbyieren derzeit für einen milliardenschweren »Drohnenwall« entlang der gesamten Nato-Ostgrenze zu Russland.

Dieser fliegende Schützengraben ließe sich innerhalb eines Jahres errichten, sagt der Helsing-Mitbegründer Gundbert Scherf der Deutschen Presse-Agentur. Die Kombination von Aufklärungs- und Kampfdrohnen sei eine intelligentere Sperre als etwa ein Minenfeld: Feindliche Kräfte würden bekämpft, eigene Truppen durchgelassen.

Helsing liefert bereits 4000 seiner KI-gesteuerten Mini-Kampfdrohnen »HX-2« auf deutsche Staatskosten an die Ukraine. Das Münchner Unternehmen will nun weitere 6000 Exemplare dieser fliegenden Sprengsätze für den Ukraine-Krieg produzieren, auch hierfür soll die Bundesregierung bezahlen. Eine Zusage dafür gibt es aber noch nicht – dennoch hat Helsing bereits mit der Herstellung begonnen. Man gehe »in Vorleistung«, sagte ein Sprecher des Unternehmens zu »nd«.

Auch für Quantum Systems, gegründet von dem Ex-Soldaten Florian Seibel, ist der Ukraine-Krieg ein Segen. Die bayerische Firma schwenkte mit Kriegsbeginn von zivilen auf militärische Anwendungen um und liefert ihre Spähdrohnen ebenfalls in großer Stückzahl an das ukrainische Verteidigungsministerium. Kampfdrohnen produziert Quantum Systems nicht, da sich die Belegschaft gegen die Herstellung fliegender Waffen aussprach. Deshalb gründete der Firmenchef das neue Unternehmen Stark, das sich auf kleine, KI-gesteuerte Sprengdrohnen spezialisiert hat.

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Über das erste Produkt von Stark, das Seibel als »One Way Effector – Vertical« (OWE-V) bezeichnet, gibt es nach einer Rüstungsmesse der Wehrtechnik-Lobby von vergangener Woche erstmals Details. Das Gerät geht senkrecht in die Luft, wodurch keine Startinfrastruktur benötigt wird. Die bis zu 30 Kilogramm schwere Einweg-Kampfdrohne soll eine Reichweite von bis zu 100 Kilometern haben – das wäre ein Novum in diesem Segment.

Den Begriff des »Drohnenwalls« haben die deutschen Firmenchefs Scherf und Seibel aus dem Baltikum übernommen. Die Regierungen in Lettland, Estland und Litauen diskutieren darüber seit einem Jahr, auch Finnland und Norwegen beteiligen sich daran. Die Länder sehen sich unmittelbar von Russland bedroht. Zur Begründung wird ein Vorfall aus dem vergangenen Herbst genannt: Eine offenbar auf dem Flug in die Ukraine verirrte Kampfdrohne iranischer Produktion drang aus Belarus kommend etwa 60 Kilometer in den lettischen Luftraum ein und ging – ohne Schaden anzurichten – nahe einem Dörfchen nieder.

Scherf und Seibel betonen die Effizienz ihrer Systeme: Die vergleichsweise günstigen Drohnen könnten Panzer zu weniger als einem Prozent der Kosten bekämpfen. Sie werden als Massenware in eilig zu errichtenden kleinen Fabriken konzipiert.

Auch die in Bremen ansässige Rüstungssparte von Airbus will bei dem »Drohnenwall« mitmischen. Allerdings spielen ihre Drohnen in einer anderen Liga: Bei den fünf im Auftrag der Bundeswehr aus Israel beschafften »Heron TP« handelt es sich eher unbemannte Kampfflugzeuge. Diese Riesendrohnen fliegen langsam und haben keine Abwehrmechanismen, durch moderne Flugabwehrsysteme sind sie also äußerst verwundbar – und das bei einem Stückpreis in dreistelliger Millionenhöhe.

Ob sich die Vision der deutschen Rüstungsindustrie durchsetzen wird, bleibt abzuwarten. Um einen effektiven »Drohnenwall« zu realisieren, müssten die Nato-Länder ihre militärische Zusammenarbeit erheblich ausweiten. Klar ist aber, dass ein fliegender Verteidigungshügel mehr Spannung an der Nato-Ostflanke bringen wird.

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