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Die FDP – ein unsicheres Investment
Nach der Ampel-Koalition stehen die Liberalen vor einer eher düsteren Zukunft
Christian Lindner hat einst einen Satz gesagt, der wie kein anderer sein politisches Handeln geprägt hat: »Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren.« Mit diesen Worten kommentierte der FDP-Chef vor fast genau sieben Jahren, im November 2017, das Scheitern der Verhandlungen mit Union und Grünen. In den Worten schwang die Angst des Anführers der Freien Demokraten mit, dass die Kompromisse in einer Dreierkoalition seiner Partei schaden würden. Im Jahr 2021 haben Lindner und seine Partei es dann doch versucht und sind ein Bündnis mit SPD und Grünen eingegangen. Diese Koalition ist nun im Streit um den Bundeshaushalt geplatzt, Bundeskanzler Olaf Scholz hat Lindner entlassen.
Lindner trägt für das Scheitern eine große Verantwortung. Er hatte das Amt des Finanzministers übernommen und prägte in dieser Rolle das Image der FDP als Partei, die wichtige Vorhaben in der Koalition blockierte. Anstelle von Investitionen und einem Aussetzen der sogenannten Schuldenbremse plädierte Lindner zuletzt dafür, Unternehmenssteuern zu senken. Dazu gesellte sich das in der FDP beliebte Zauberwort »Bürokratieabbau«. Hinter diesem positiv klingenden Begriff verbergen sich Angriffe auf die Rechte von Beschäftigten. Darauf hat auch der Deutsche Gewerkschaftsbund hingewiesen und angemahnt, dass Bürokratie notwendig sei, um Regeln und Standards festzulegen, die die Arbeitsabläufe strukturieren.
Hinzu kommt, dass Steuersenkungen für Unternehmen, wie Lindner sie propagiert, laut Studien des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung gemeinsam mit dem Wiener Institut WIIW keinen Einfluss auf das Wirtschaftswachstum haben. Diese Steuersenkungen würden mit Kürzungen, vor allem im sozialen Bereich, einhergehen. Mehr Armut und Unsicherheit wären die Folgen.
FDP – Verstärker des Rechtstrends
Lindner hat stets bestritten, dass eine solche Politik den Rechten nutzen würde. Tatsache ist, dass in Zeiten des Sozialabbaus eigentlich die Stunde der Linken schlagen könnte. Dies hat sich zum Beispiel bei den Protesten gegen die Einführung der sogenannten Hartz-Reformen gezeigt. Doch inzwischen ist, auch aufgrund der strukturellen Schwäche der Linken, vielmehr zu befürchten, dass Pläne wie die von Lindner die AfD stärken würden.
Die AfD will im Unterschied zur Linken keine soziale Verteilungspolitik und keine Stärkung der Beschäftigtenrechte, sondern betont ausschließlich den Zustand der Konkurrenzkämpfe, vor allem um Arbeitsplätze und Wohnraum. Anstatt die kapitalistischen Ursachen hierfür zu benennen, will die AfD zahlreiche Migranten von den Konkurrenzkämpfen ausschließen und aus dem Land werfen. Dies geht einher mit rassistischer Hetze gegen diese Menschen.
Lindner sieht sich im Unterschied zu den AfD-Leuten nicht als Rassisten. Aus seiner Sicht ist es egal, welche Herkunft Beschäftigte haben. Hauptsache, sie sichern die Profite deutscher Unternehmen. Allerdings hat Lindner auch Schnittstellen mit den Rechten. Wer als Migrant oder Geflüchteter nicht direkt zum Mehrwert beiträgt beziehungsweise nicht dazu beitragen kann, ist aus Lindners Sicht nicht willkommen in Deutschland. Mit seinen Forderungen, Leistungen für Asylbewerber zu kürzen, war der Finanzminister mehrere Monate in den Schlagzeilen, und sie wurden zum Teil von der Koalition umgesetzt.
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Somit haben die FDP und ihr Parteivorsitzender einen nicht zu unterschätzenden Anteil daran, den Diskurs in der Bundesrepublik nach rechts zu verschieben. Aber es hat ihnen nicht geholfen. Die jüngsten Landtagswahlen sind für die Freien Demokraten allesamt desaströs verlaufen. Wer vom eiskalten Neoliberalismus träumt, der die Profite großer und mittlerer Unternehmen steigern soll, der hat in CDU-Chef Friedrich Merz seinen Schutzengel gefunden. Zumindest Teile der AfD machen der FDP zudem mit ihren marktradikalen Positionen erfolgreich Konkurrenz. Bei den Grünen heimisch fühlen sich wiederum klassische Liberale, denen es finanziell blendend geht und die Wert darauf legen, dass der Schutz der Bürgerrechte in Forderungskatalogen auftaucht.
Spenden statt Alleinstellungsmerkmale
Die FDP hat somit kein Alleinstellungsmerkmal mehr und keinen klaren Erfolg in ihrer Regierungszeit verbuchen können. Frei nach Lindner könnte man zusammenfassend über die FDP sagen: Endlich regiert sie nicht mehr, anstatt falsch zu regieren.
Die derzeitige Krise ist nicht die erste der FDP. Wer in den vergangenen Jahren ihren Tod prophezeite, hatte diese Rechnung ohne die finanzstarken Spender und weitere Klientelgruppen der Partei gemacht, die auf Steuersenkungen und sogenannten Bürokratieabbau hoffen. Im Wahljahr 2021 stand die FDP unangefochten auf Platz eins der Großspender und sahnte rund 4,3 Millionen Euro ab.
In diesem Jahr hat sie bislang nur 456 000 Euro eingesackt. Das ist weniger als ein Viertel der Summe, über die sich die CDU freuen konnte. Die schwachen Umfragewerte der Freien Demokraten lassen an einem Wiedereinzug in den Bundestag zweifeln. Es bleibt nun abzuwarten, ob sie deswegen für viele einstige Unterstützer inzwischen als ein unsicheres Investment gilt.
»Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren.«
Christian Lindner 2017
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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