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Gruppe Lina E.: Der »gesondert Verfolgte« ist gefasst

Wegen brutaler Überfälle auf Rechtsextreme: Jahrelang untergetauchter Linksautonomer in Haft

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.
Als im Juni 2023 am OLG Dresden das Urteil gegen Lina E. fiel, gab es Proteste. Nun wird ein neuer Prozess erwartet, auch gegen ihren Verlobten Johann G.
Als im Juni 2023 am OLG Dresden das Urteil gegen Lina E. fiel, gab es Proteste. Nun wird ein neuer Prozess erwartet, auch gegen ihren Verlobten Johann G.

Vom September 2021 bis zum Juni 2023 verhandelte das Oberlandesgericht (OLG) Dresden gegen die sogenannte Gruppe Lina E. Den Richtern saßen in dem Hochsicherheitssaal vier Angeklagte gegenüber. Nicht persönlich anwesend, aber in der fast 100 Tage währenden Verhandlung allgegenwärtig war ein fünfter: der, wie es stets hieß, »gesondert verfolgte« Johann G. Er soll neben der als Rädelsführerin angeklagten Lina E., seiner Verlobten, der Kopf der Gruppe gewesen sein. G. entzog sich allerdings den Ermittlern – bis vorigen Freitag. Da wurde er von Zielfahndern in einem Regionalzug bei Weimar verhaftet. Am Samstag setzte der Bundesgerichtshof zwei Haftbefehle gegen ihn in Kraft.

Einer davon bezieht sich auf Aktivitäten einer Gruppe von Antifaschisten, die in den Jahren 2019/20 in Eisenach, Wurzen und Leipzig Rechtsextreme brutal angriffen und teils schwer verletzten. Der Generalbundesanwalt legt den Beteiligten nicht nur Delikte wie schwere Körperverletzung und Landfriedensbruch zur Last, sondern auch die Bildung einer kriminellen Vereinigung. Im Prozess gegen Lina E. bestätigte das OLG diesen Vorwurf. Die vier Angeklagten wurden zu Haftstrafen zwischen 24 und, im Fall von Lina E., 63 Monaten verurteilt. Weil sie bereits zweieinhalb Jahre in Untersuchungshaft gesessen hatte, kam sie zunächst gegen Auflagen frei. Die Reststrafe muss sie verbüßen, wenn das Urteil rechtskräftig ist. Am 6. Februar will der BGH über Revisionsanträge von Verteidigung und Anklage verhandeln.

»Die Verhaftungen machen die vollkommene Hemmungslosigkeit der staatlichen Hatz auf Antifaschist*innen deutlich.«

Anja Sommerfeld Rote Hilfe

G. saß ebenfalls bereits im Gefängnis. Der einstige Theologiestudent war 2018 zu einer Haftstrafe verurteilt worden; es ging um Angriffe auf Legida-Demonstranten und Steinwürfe auf ein Gerichtsgebäude in Leipzig. Im Herbst 2019 kam er frei, danach tauchte er ab. Im Februar 2023 soll er dann an einem Angriff von Linksautonomen beteiligt gewesen sein, der sich in der ungarischen Hauptstadt Budapest gegen Teilnehmer des rechtsextremen Szenetreffens »Tag der Ehre« richtete. Auch in dem Zusammenhang ermittelt der GBA gegen eine mutmaßliche kriminelle Vereinigung. Mehrere Beteiligte sitzen bereits im Gefängnis. Eine Beschuldigte namens Maja T. wurde im Juni unter fragwürdigen Umständen nach Ungarn ausgeliefert, wo ihr eine hohe Haftstrafe droht. Der im Mai festgenommenen Hanna S. wird im Haftbefehl von Anfang Oktober versuchter Mord vorgeworfen. Im Fall von Simeon T., der seit Dezember 2023 in Haft ist, geht der GBA »nur« von gefährlicher Körperverletzung aus.

Mit Johann G. sitzt jetzt ein weiteres Mitglied der angeblichen Gruppe in Haft. Berichte darüber illustrierten viele Zeitungen mit einem Porträtfoto von ihm, das der bundesweiten Öffentlichkeit seit September 2023 bekannt ist. Damals leiteten Bundes- und sächsisches Landeskriminalamt eine öffentliche Fahndung ein und lobten eine Belohnung von 10 000 Euro aus. Die Plakate, auf denen auch ein Bild seiner Fingerknöchel mit dem eintätowierten Spruch »Hate Cops« zu sehen war, hingen bundesweit an Bahnhöfen. Enthusiastisch geteilt wurde der Fahndungsaufruf in der Naziszene, die sich jetzt auch euphorisch über die Festnahme äußerte. Der österreichische Rechtsextreme Martin Sellner frohlockte, man könne sich »freuen, dass dieser Schlag gegen den gewaltbereiten Linksextremismus gelungen ist«.

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Unterstützer von G. dagegen kritisieren eine »vollkommene Hemmungslosigkeit der staatlichen Hatz auf Antifaschist*innen«, wie Anja Sommerfeld vom Bundesvorstand der »Roten Hilfe« formuliert. Vor allem die Ermittlungsverfahren wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung nach Paragraf 129 ermöglichten es, das gesamte Umfeld der Betroffenen zu durchleuchten und zu kriminalisieren. Auch das Solidaritätsbündnis »Antifa Ost« kritisierte, Ermittlungserfolge wie die Festnahme von Johann G. oder die kurz zuvor in Berlin erfolgte Verhaftung des angeblichen Kampfsporttrainers der Gruppe Lina E. gingen »mit der Überwachung von Personen einher, die zu einem linken Spektrum gezählt werden«. Das Bündnis, das den Prozess gegen Lina E. und deren Mitstreiter kritisch begleitet hat, erklärt, eine zweite »Anklagerunde« am OLG Dresden sei bald zu erwarten – dann wohl auch gegen den bisher »gesondert Verfolgten« Johann G.

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