Berlin: Arm und unsexy

Die Haupstadt verliert mit Kürzungen im Kulturbereich nicht nur an Attraktivität, sondern auch an Arbeitsplätzen

Hinter der bunten Fassade von Berlins Clubs verstecken sich Jobs – kann Berlin es sich leisten, seine Kulturschaffenden vor die Tür zu setzen?
Hinter der bunten Fassade von Berlins Clubs verstecken sich Jobs – kann Berlin es sich leisten, seine Kulturschaffenden vor die Tür zu setzen?

»Musik laut – is mir egal«, »Mann mit Trommel – is mir egal«, »Oma mit Grufties – is mir egal« oder »Bart auf Ladies – is mir egal«, singt Kazim Akboga im bekannten BVG-Werbespot von 2016. Akboga läuft durch Berlins U-Bahnhöfe, begegnet Menschen in Bussen und Bahnwaggons. Manche sind auf dem Weg zur Arbeit oder transportieren Möbelstücke durch die U8. Viele machen aber auch Party oder sind scheinbar auf dem Weg zur nächsten Veranstaltung. Akbogas Song zeigt: Berlin ist Magnet für alle möglichen (Sub-)kulturen und Paradiesvögel – das macht die Hauptstadt trotz unpünktlicher U-Bahnen ebenso anziehend.

Für diese Attraktivität wird hart gearbeitet: circa 8,2 Prozent der arbeitenden Berliner*innen malochen im Kulturbereich. Am Mittwoch demonstrieren sie unter dem Hashtag #BerlinistKultur vor dem Brandenburger Tor. Ihr Protest appeliert »an den Regierenden Bürgermeister Kai Wegner, Finanzsenator Stefan Evers, Kultursenator Joe Chialo, Fraktionsvorsitzenden Dirk Stettner, Fraktionsvorsitzenden Raed Saleh, und alle Berliner Abgeordneten, die geplanten Kürzungen im Kulturbereich abzuwenden«, wie der Mitteilung des Bündnisses zu entnehmen ist. Der Hauptausschuss verhandelt am Mittwoch über Kürzungen in der Kultur.

Mit 2,5 Prozent ist der Kulturetat bereits der kleinste im Gesamthaushalt. Die angekündigten Kürzungen von zehn Prozent hätten laut Bündnis »gravierende Folgen«: Sie bedrohen Arbeitsplätze, gesellschaftlichen Zusammenhalt und Lebensqualität. Mehr als 50 Prozent der Tourist*innen würden wegen seines einzigartigen Kulturangebots nach Berlin kommen, heißt es. Damit hätten Kulturkürzungen auch Auswirkungen für den Einzelhandel und die Gastronomie. Gleichzeitig würden sie den Haushalt nur um 0,25 Prozent entlasten.

Die Liste der Unterzeichnenden des Aktionsbündnisses #BerlinistKultur ist lang. Dazu gehören unter anderem die Clubcommission, ein Zusammenschluss der Berliner Club-Szene; der Verbund der Öffentlichen Bibliotheken, die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, das Technikmuseum, Hau – Hebbel am Ufer, das Schwule Museum und die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg. Zu den prominenten Unterstützenden des Protests vor dem Brandenburger Tor gehören unter anderem Katharina Thalbach, Lars Eidinger, der Zusammenschluss der drei Berliner Opernchöre und der Intendant Oliver Reese.

Kulturschaffende arbeiten in Kinos, Museen, Theatern, Bibliotheken, Clubs, Planetarien und Museen. Laut dem Landesbezirk der Gewerkschaft Verdi habe die Hauptstadt bereits in der Corona-Pandemie erfahren, wie schwer es sei, Kulturschaffende wiederzugewinnen, wenn sie die Branche einmal verlassen. »Gerade an renommierten Häusern wie der Schaubühne am Lehniner Platz wurden in den letzten Jahren junge, engagierte Beschäftigte ausgebildet und angeworben«, heißt es in einer Verdi-Mitteillung.

»Wie schon die Corona-Pandemie gezeigt hat, stellt es eine große Herausforderung dar, Beschäftigte wiederzugewinnen, wenn sie die Branche einmal verlassen haben.«

Verdi Landesbezirk Berlin-Brandenburg

Das gegen die Kürzungen protestierende Aktionsbündnis verweist auch auf Kultur als Ort des sozialen Miteinanders, der Begegnung und des Dialogs. »Ob auf der Bühne, in den Galerien, in Bibliotheken und Projekträumen, auf der Straße oder in den Clubs: Die Vielfalt macht Berlin lebendig und weltoffen, zu einer Stadt mit Kulturorten für all ihre Communitys, zu einem Magneten für die internationale Kulturszene und zu einem unverwechselbaren Lebensort«, heißt es in dem Aufruf.

Die für die Aktion am Mittwoch aufrufende Clubcommission spricht in einer Mitteilung vom 12. November von über 40 Prozent der Clubs, die ihren Betrieb ohne Förderung derzeit kaum aufrechterhalten könnten. »Fast die Hälfte erwägt den Betrieb zeitnah einzustellen«, heißt es ferner. Dies sei eine »beunruhigende Verdopplung im Vergleich zur Befragung im Frühjahr«. Steigende Gagenforderungen, sinkende Nachfrage und hohe Betriebskosten setzen den Clubs zu – ein bundesweiter Trend. »Jeder Euro, der jetzt in die Kultur investiert wird, kommt um ein Vielfaches in die Stadt zurück und ist eine Investition in die Zukunft von Berlin«, sagt Clubcommission-Vorsitzender Marcel Weber.

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»Keine Geld – is' nicht egal«, heißt es in Kazim Akbogas berühmten BVG-Song mit dem Titel »Is’ mir egal«. Auch für die Beschäftigten aus Kunst und Kultur ist Geld nicht egal. Es fragt sich, wie es sich mit den zahlreichen Unternehmen verhält, die nicht nur Teil der Tourismusbranche sind, sondern für deren Beschäftigte das Kulturangebot Berlins ein wichtiger Grund ist, für sie zu arbeiten. Kultur sei in Berlin »kein ›nice to have‹«, heißt es im Aufruf des Aktionsbündnisses zur Abwendung der drohenden Kulturkürzungen – »sie ist das Herz der Stadt«.

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